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# taz.de -- Zivile Nutzung von Drohnen: Spanner, Überwacher, Hollywood
> Luftaufnahmen sind teuer und aufwändig. Mit Kameras ausgerüstete Drohnen
> sparen Kosten und Mühe. Die Filmindustrie ist interessiert.
Bild: Eine Drohne der kanadischen Polizei im Einsatz
Wenn ein Hubschrauber voller schwerer Jungs in Muskelshirts einen rasenden
Gefangenentransportzug unter Beschuss nimmt und sowohl Sylvester Stallone
als auch Jason Statham beteiligt sind, kann man davon ausgehen, in einem
Sommer-Blockbuster gelandet zu sein. Der Prolog von „The Expendables 3“
(startet am 21. August) nimmt sich auch sonst beruhigend generisch aus.
Klare Rollenverteilung, beachtliche Opferzahlen, Stars, die Hightechwaffen
bedienen und entspannte Bemerkungen zu Trefferquoten austauschen. Halb so
wild so weit.
Rein filmisch gesehen geht es in dieser Eröffnungssequenz schlicht darum,
zwei Bewegungen zu relationieren. Der Zug ist aufs Gleis fixiert und
schneidet geradlinig durchs Raumbild. Der Helikopter ist für die
Vertikalachse, kreative Bewegungsmanöver, somit für innovative Perspektiven
zuständig. Um einen Helikopter filmästhetisch angemessen dynamisch zu
begleiten, braucht man in der Regel einen zweiten. Zumindest war das früher
so.
Die Produktion von „The Expendables 3“ hat hier konsequent auf eine
kameratechnologisch andere Lösung gesetzt und wurde deshalb industrieintern
genau beobachtet. Wie zuletzt im Branchenmagazin Hollywoodreporter
nachzulesen war, folgte dem Stallone-Hubschrauber nämlich kein mit einem
Kamerateam besetzter, sondern ein „unmanned aerial vehicle“ – eine
Drohnenkamera.
Die Drohne hat aus bekannten Gründen zum einen gewisse Imageprobleme, wirft
zum anderen aber auch auf der produktionspragmatischen Ebene
Regulationsfragen auf. Um diese nicht beantworten zu müssen und weil auch
in außerjuristischer Hinsicht Kosten gespart werden sollten, wurde „The
Expendables 3“ in Bulgarien gedreht. Nicht nur die CIA weiß die flexible
Rechtsauslegung in Osteuropa zu schätzen.
## Neues diskursives Einsatzgebiet
Die an dieser Stelle traditionsgemäß eigentlich fälligen
Paul-Virilio-Gedenksätze zu Hollywoods medientechnologischer Allianz mit
dem guten alten „militärisch-industriellen Komplex“ mögen mittlerweile
Theoriefolklore sein. Das Duell zwischen Stallone-Hubschrauber und Knastzug
hätte auf US-amerikanischen Boden bzw. im dazugehörigen Luftraum jedenfalls
so nicht gedreht werden können. Das hat die zuständige Behörde FAA (Federal
Aviation Administration) laut Recherchen des Hollywoodreporter
zwischenzeitlich zu Protokoll gegeben und damit die Filmindustrielobbyisten
von der MPAA (Motion Picture Association of America) auf den Plan gerufen.
Die suchen ohnehin schon seit Längerem nach einem diskursiven
Einsatzgebiet, das nicht auf die bis zur Erschöpfung propagierte
Anti-Piraterie-Orthodoxie hinausläuft.
Im Gegensatz dazu hätte man es drohnenregulatorisch gerne etwas laxer. Im
Namen verschiedener auf filmische Luftperspektiven spezialisierter
Produktionsfirmen wie Arial MOB, Flying-Cam und HeliVideo reichte die MPAA
unlängst eine Petition ein. Die darin geforderten Ausnahmeregelungen sollen
großzügig sein und angeblich auch dem ästhetischen Fortschritt zugute
kommen. Von „neuen Erzählmitteln“ und „aufregenden Luftbildern“ wird da
etwas vage gesprochen.
Worum es hier neben dem Kleinreden von Sicherheitsbedenken – deren
Maximalversion lautet: Drohnenkameras sind fliegende Rasenmäher mit
potenziell hochgefährlich die Fassung verlierenden Rotorblattsensen –
eigentlich geht, sind generelle bildpolitische Reichweitefragen. Welcher
Personenkreis in den Blick einer Drohnenkamera geraten und zu welchen
Bedingungen dies geschehen darf, wem, wann und wozu die Benutzung des
Luftraums genehmigt werden sollte, das sind Probleme, die über
Filmproduktionsangelegenheiten hinausführen.
Womit wir beispielsweise in Landshut wären. Bereits letztes Jahr hatte dort
eine Bürgerin auf ihrem Grundstück eine abgestürzte Drohnenkamera gefunden
und zur nächstliegenden niederbayerischen Polizeistation gebracht. Ob sich
der Besitzer mittlerweile gemeldet hat, ist ebenso unbekannt wie die
Antwort auf die Frage, ob es sich dabei auch gleich um jenen Hobbypiloten
handelte, der letzte Woche in die Schlagzeilen geriet. Im Vermischten war
da von der „Spannerdrohne“ zu lesen, die ein 62-Jähriger, wiederum in
Landshut, gestartet und fernbedient haben soll, um ein nackt sonnenbadendes
Paar im Nachbarsgarten zu filmen. Ganz schön viel Aufwand für ein paar
mutmaßlich mäßig scharfe Bilder.
Das Problem ist wohl kein spezifisch bayerisches, sondern eines, das sich
in verschiedenen Hinsichten breitmacht. Schon vor einigen Jahren fielen
Demonstranten erstmals Mikrokopter auf, die über Versammlungsorten kreisten
und dort polizeilichen Erkennungsdienst verrichteten. Weil die digitale
Bildauflösung immer besser wird, können die Aufklärungsmedien in größerer
Distanz operieren und müssen sich selbst nicht mehr öffentlich zu erkennen
geben, wie dies tendenziell bei herkömmlichen Überwachungssystemen der Fall
war. Auch bei Fußballspielen muss man heutzutage nicht übermäßig paranoid
sein, um auf dem Weg zum Stadion immer mal wieder ein seltsames Surren in
der Luft zu vernehmen.
## Neuer Trend: Privatdrohne
Relativ neu scheint hingegen der Trend zur Privatdrohne. Vor Kurzem war das
noch ein Neureichenspleen. Etwas, das Leute anschaffen, die schon
Hubschrauber haben. So bediente beispielsweise die US-amerikanische
Unternehmerin und Bestsellerautorin Martha Stewart ihre Twitter-Follower
mit Drohnenkamerabildmaterial ihres äußerst weitläufigen privaten Anwesens
in Westchester County („We love the possibilities drones offer. Do you?“),
erntete dafür einen ausdauernden Shitstorm und antwortete dann auf die
besorgte Nachfrage der Vanity Fair, ob das neue Drohnen-Hobby denn nicht
die Nachbarn störe, mit Grundbesitzerstolz: „We don’t have neighbours.“
Alle, die hierzulande noch Nachbarn haben, müssen ihre schönen neuen
Privatdrohnen nicht nur mit noch unterregulierten Luftrechtfragen, sondern
auch mit dem Satz abgleichen, den die Landshuter Polizei dem örtlichen
Voyeur als Begründung für das eingeleitete Strafverfahren mit auf den Weg
gab: „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch
Bildaufnahmen“. Die aufgerufene Rechtsnorm ist in Bezug auf die an etwaigen
Ordnungswidrigkeiten beteiligte Kameratechnologie zunächst neutral. Dass
sich der höchstpersönliche Lebensbereich durch Mikrobildmedien wie Google
Glass oder eben Drohnenkameras transformiert, scheint aber offenkundig.
Designbrillenträger und eigentümliche Fluggeräte müssen künftig mit
erhöhter Skepsis rechnen.
Dass immer heimlicher und permanenter gefilmt wird, betrifft dabei
klassische Überwachungsdispositive, Geobilddatenbanken (den Anfang bildete
Google Street View), aber ebenso den Nachbarn, der aus welchen Gründen auch
immer eine Zivildrohne wie die nur rund 1.000 Euro teure DJI Phantom 2
Vision aufsteigen lässt. Diese ist mit einer Smartphone-App steuerbar,
erreicht problemlos eine Lufthöhe von 500 Metern, verfügt über ein präzises
GPS-System, und auch die Einstellungen der Kameralinse können vom Boden aus
ausgerichtet werden. Während ihrer Aufklärungsflüge schießt die Phantom 2
nicht nur das eine oder andere Digitalfoto, sondern überträgt auch
Videobilder per Wi-Fi-Livestream.
An fragwürdig akquirierten Privatbildern aller Art interessierte
Netzvideo-Plattformen wie Opentopia freuen sich schon auf neue Einblicke.
In einschlägigen Medientechnikforen spricht die Community hier übrigens von
„Einsteigerdrohne“.
3 Aug 2014
## AUTOREN
Simon Rothöhler
## TAGS
Filmbranche
Schwerpunkt Überwachung
Drohnen
Filmindustrie
Voyeurismus
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Graffiti
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