# taz.de -- Roadmovie im ZDF: Loser auf der Suche | |
> Drei schräge Vögel, ein alter Ford: Felix Stienz’ Debütfilm „Puppe, Ic… | |
> & der Dicke“ hat einen guten atmosphärischen Drive. | |
Bild: Bruno (Matthias Scheuring, li.), Bomber (Tobias Boettcher, re.) und Europ… | |
Das ist inzwischen ein eigenes Roadmovie-Subgenre: zwei oder drei mehr oder | |
weniger liebenswerte Loser, Helden des Prekariats oder anderweitig | |
Zukurzgekommene, die mit einem alten Auto, das irgendwie cool sein muss, | |
ohne aber posh sein zu dürfen, durch die Pampa heizen. Ein Opel Kadett oder | |
Porsche 993 kämen also nicht in Frage. Lebenskünstler auf der Suche nach | |
einem anderen Leben oder auch nur auf der Flucht vor dem alten. | |
Beispiele gibt es viele: Frank Giering als Floyd mit seinem, das heißt mit | |
Walters frisierten Ford Granada in „Absolute Giganten“. Bouli Lanners als | |
Yvan mit seinem kaputten Chevrolet Caprice in „Eldorado“. Natürlich: Susan | |
Sarandon als Louise Sawyer mit ihrem offenen Ford Thunderbird in „Thelma & | |
Louise“. | |
Und jetzt: Tobi B. als Bomber mit seinem himmelblau metalliclackierten Ford | |
Taunus Turnier in „Puppe, Icke & der Dicke“. Dem dritten Film im | |
diesjährigen Durchlauf der „Shooting Stars“ genannten Nachwuchsfilm-Reihe | |
des kleinen Fernsehspiels. | |
Der 156 Zentimeter große Schauspieler Tobi B. ist tatsächlich eine | |
Entdeckung. B. steht für „Böttcher“, im Film wie im Leben, und in beiden | |
will er lieber Bomber gerufen werden. Seine etwas karikaturenhaft anmutende | |
Körperproportionen sind, so erfährt man auch aus dem Film, auf das seltene | |
Silver-Russell-Syndrom zurückzuführen. | |
## Räudiges Künstlerpack | |
Mit seiner berlinernden Piepsstimme klingt er wie der kleine Bruder des | |
Schauspielerkollegen Andreas Schmidt: „Du kannst nüscht, du machst nüscht �… | |
fahr nach Berlin! Dieses räudige Künstlerpack“ ist geeignet, ihm seine | |
Heimatstadt zu verleiden. Jedoch: „Dit Entscheidende is, dass de ’n Plan | |
hast. Und ick hab ’n Plan. Ick hab da noch Kontakte in Paris.“ | |
Bomber ist ein Loser, Paris – low budget in Straßburg gedreht – ein Schuss | |
in den Ofen. Auf dem Weg zurück nach Berlin sitzen bald Europe (Stephanie | |
Capetanides) und Bruno (Matthias Scheuring) in seinem Ford. Europe ist | |
blind und schwanger. | |
Eine deutlich pragmatischere „Amelie“ auf dem Weg zum Vater des erwarteten | |
Kindes, von dem sie nur weiß, dass er Matthias heißt und Müllmann in Berlin | |
ist. Bruno ist dick und sanft und spricht nicht. Nicht ein Wort. | |
Natürlich verläuft die Reise der drei auf verschiedene Weisen | |
Beeinträchtigten nicht einträchtig. Die auf Berlinerisch, Französisch und | |
in schlechtem Englisch geführten Wortgefechte beziehen ihr komisches | |
Potenzial nicht zuletzt aus der virtuosen Sprachverwirrung. Da blüht er, | |
der europäische Gedanke. | |
## Vom Suchen und Finden der Liebe | |
Bomber geriert sich pausenlos als prolliges Arschloch, allein die Frauen, | |
die bei ihm alle nur „Puppe“ heißen, durchschauen ihn sofort. In Wahrheit | |
ist er nämlich ein gefühlvoller Versteher, viel anständiger als zum | |
Beispiel Matthias. | |
Und wenn Bomber Europe schließlich einen Antrag macht, klingt das dann so: | |
„Weeßte watt? Eigentlich bin ick ’n janz feiner Kerl. Seh vielleicht | |
scheiße aus, aber ditt kann dir ja egal sein!“ | |
Nicht alles in Felix Stienz’ (Buch, Regie, Schnitt, Produzent) | |
Langfilm-Debüt vom Suchen und Finden der Liebe stimmt so wie die Besetzung | |
der Hauptrollen. Der Plot ist noch dünner als der Lulatsch Bomber. | |
Stienz’ großes Vorbild heißt ganz offensichtlich Aki Kaurismäki. Der | |
finnische Regisseur wird als Meister in Sachen Skurrilität und Lakonik | |
verehrt. Wenn sich deshalb aber nun immer wieder eine Gruppe nach | |
Regieanweisung ausdruckslos glotzender und klampfender Musikanten ins Bild | |
schieben muss – dann will das nicht so recht zu dem von jenem derben | |
Dialogwitz bestimmten Sound des Films passen. Geschmacksache, vielleicht. | |
Unbedingt aber hat „Puppe, Icke & der Dicke“ als Roadmovie einen guten | |
atmosphärischen Drive. | |
11 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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