# taz.de -- Widerstand gegen Erdgasgewinnung: Frack Off auf Britisch | |
> Kaum darf auf der Insel Erdgas gefrackt werden, wehren sich immer mehr | |
> Menschen. Besonders deutlich sind die Proteste in Nordirland. | |
Bild: Protestierende gegen Fracking in Balcombe. | |
DUBLIN taz | Der Widerstand gegen David Camerons neues Lieblingsprojekt | |
wächst. Vor zwei Wochen hatte der britische Premierminister weite Teile des | |
Landes für Fracking freigegeben. Von Zentralschottland bis Südengland | |
sollen fast 3.000 Bohrlöcher entstehen, unter bestimmten Umständen auch in | |
Nationalparks, Naturschutzgebieten und Stätten des Weltkulturerbes. Dafür | |
müssen die Erdgas-Unternehmen lediglich eine „besonders umfassende und | |
detaillierte“ Erklärung abgeben, aus der hervorgeht, dass sie die Bedenken | |
der lokalen Bevölkerung ernst nehmen. Diese Bedenken, so Cameron, rührten | |
von mangelndem Verständnis. | |
Das gilt wohl auch für die Menschen aus Wisborough Green, einer Ortschaft | |
in der Grafschaft Sussex. 2.500 Bewohner reichten Beschwerde gegen das | |
geplante Fracking des Unternehmens Celtique Energie ein. Sie fürchten mehr | |
Lkw-Verkehr auf den Straßen, eine Zerstörung der Landschaft und vor allem, | |
dass Wasser verseucht wird: Beim Fracking werden Millionen Liter | |
Chemiebrühe unter hohem Druck in den Untergrund gepumpt, um das Gestein | |
aufzubrechen. | |
Der Verkehr gab schließlich den Ausschlag. Der werde nur um 11 bis 13 | |
Prozent zunehmen, hatte Celtique Energie geflunkert, doch die | |
Planungsaufsicht erklärte, man müsse von 64 Prozent ausgehen. Der Stadtrat | |
lehnte die Probebohrungen einstimmig ab. | |
Am Donnerstag begann der Protest in Blackpool, wo rund tausend | |
Demonstranten das Camp „Reclaim the Power“ eröffneten. Es sind die gleichen | |
Organisatoren wie in Wisborough Green. Am kommenden Montag planen sie eine | |
Aktion, bei der sie möglicherweise das Büro der Frackingfirma Cuadrilla | |
besetzen. Der Stadtrat von Blackpool muss demnächst über die Probebohrungen | |
entscheiden. Den lokalen Geschäftsleuten ist das Hickhack um Fracking | |
zuwider. Sie sind gegen das Camp, es könne Besucher abschrecken. | |
Auch in Nordirland gibt es Proteste. Dort macht sich das australische | |
Unternehmen Tamboran Resources zu schaffen. Es hat die benachbarten | |
Grafschaften Fermanagh und Leitrim als Stätten für Probebohrungen | |
auserkoren. Eine liegt in Nordirland, die andere in der Republik Irland. | |
Dort braucht es für Fracking ein Umweltgutachten, das aber nicht vor 2016 | |
fertig sein wird. Auch dort gibt es Widerstand: An einer eingezäunten | |
Bohrstelle ist Anfang des Monats das Haus eines Mitarbeiters mit | |
Molotowcocktails beworfen worden. Die Demonstranten, die seit Tagen vor dem | |
Gelände campieren, hatten nach eigenen Angaben nichts damit zu tun. | |
Am Dienstag dieser Woche hat der sozialdemokratische Umweltminister Mark | |
Durkan von der nordirischen Regionalregierung schließlich die Lizenz für | |
die Probebohrung verweigert. Er verlangt ein umfassendes Gutachten der | |
Agentur für Umweltschutz. Tony Bazley, Regionaldirektor von Tamboran in | |
Nordirland, sagte, man sei über die Entscheidung besorgt: Probebohrungen | |
seien ja noch kein Fracking. „Wir wissen, dass Gas vorhanden ist, aber wir | |
wissen nicht, ob es kommerziell rentabel ist“, sagte er. „Die Regierung und | |
die Bevölkerung haben ein Recht darauf zu wissen, ob wirtschaftliche Mengen | |
von Gas unter ihren Füßen liegen, und das wollen wir zunächst | |
herausfinden.“ | |
Er lockt mit 50 Jahren Gasversorgung für Nordirland, niedrigeren | |
Strompreisen, 600 direkten und 2.400 indirekten Jobs sowie Milliarden Pfund | |
an Investitionen und Steuereinnahmen. Energieministerin Arlene Foster, | |
deren Partei als einzige in Nordirland für Fracking ist, könnte in der | |
Mehrparteienregierung die Probebohrungen noch durchsetzen. Vorerst aber | |
begrüßten Umweltorganisationen wie Friends of the Earth Durkans | |
Entscheidung. Ihr nordirischer Direktor, James Orr, sagte: „Er hat | |
vollkommen recht, dass eine Umweltstudie notwendig ist, bevor gebohrt | |
werden darf.“ | |
15 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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