| # taz.de -- Tierschutz für Exoten: Kaiman ausgebüxt, Kobra weg | |
| > Oft kommt es zu Unfällen mit gefährlichen Tieren in Privathaushalten. Die | |
| > Regierung denkt über ein Verbot nach. Reicht nicht, finden Tierschützer. | |
| Bild: Sieht süß aus, ist aber schwer zu halten: Kaiman. | |
| MÜNCHEN taz | Der Deutsche liebt das Haustier an sich, immer mehr auch das | |
| exotische, einschließlich Schildkröten, Schlangen und Echsen. Im Jahr 2013 | |
| wurden in etwa 800.000 Haushalten Reptilien gehalten. Das kann gefährlich | |
| werden. Ende Juli wurde ein Halter im niederrheinischen Kerker von seiner | |
| hochgiftigen Puffotter gebissen. | |
| Deshalb plant das Land Nordrhein-Westfalen nun ein Verbot von gefährlichen | |
| Haustieren wie Schlangen und Giftspinnen. Es passiere immer wieder, „dass | |
| ein Kaiman ausbüxst oder eine Kobra verschwindet“, sagt | |
| Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Auch das | |
| Berliner Umweltministerium prüft, „ob eine gesetzliche Regelung zum Verbot | |
| von besonders gefährlichen Tieren in Privathaushalten auch bundesweit | |
| infrage kommt“. | |
| Bislang ist die Haltung gefährlicher Tiere nämlich nur von einigen Ländern | |
| geregelt. So ist die Haltung von Puffottern – eine vor allem in Afrika | |
| verbreitete Giftschlange – in Berlin und Hessen verboten, in Bayern und | |
| Bremen erlaubnispflichtig, in Thüringen nur unter Auflagen erlaubt. In NRW | |
| und in Baden-Württemberg gibt es (noch) keine Regelungen. | |
| „Eine Gifttierhaltung im Privathaushalt sollte schon aus Sicherheitsgründen | |
| verboten werden“, sagt Henriette Mackensen, Tierärztin an der Akademie für | |
| Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes in Neubiberg. Ihr und anderen | |
| Tierschützern gehen die geplanten Verbote für Gifttiere nicht weit genug – | |
| diese machen auch nur einen kleinen Teil der gehaltenen Exoten aus. | |
| Gerade Reptilien würden allzu oft von unerfahrenen Haltern erworben, sagt | |
| Mackensen. Von artgerechter Haltung könne häufig kaum die Rede sein. Allzu | |
| oft sei viel zu wenig über die Bedürfnisse der Tiere bekannt. „Die | |
| natürlichen Umweltbedingungen künstlich zu erzeugen ist schlichtweg nicht | |
| möglich“, sagt Sabine Trebicky, Fachreferentin für Tierische Mitbewohner | |
| bei der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland. Laut Studien stirbt mehr | |
| als jedes zweite Terrarienreptil wegen Haltungsfehlern. | |
| ## Jedes zweite Terrarienreptil stirbt | |
| Auch das Abgeben oder gar Aussetzen ist alles andere als selten. Der | |
| weitere Weg führt oft in eine Reptilienauffangstation, immer häufiger auch | |
| in ein Tierheim. Laut Deutschem Tierschutzbund stellt jedes zweite Heim | |
| einen steigenden Reptilienandrang fest. Die bundesweite Gesamtzahl wird für | |
| die letzten fünf Jahre auf etwa 28.400 geschätzt – die Hälfte | |
| Wasserschildkröten, aber auch einige Tausend Landschildkröten, Echsen und | |
| Schlangen. Mit der Versorgung vor Ort und der Weitervermittlung sieht es | |
| oft nicht gut aus. | |
| Zu kaufen sind die Tiere aber immer noch ausgesprochen leicht. Die | |
| Topadressen sind Tierbörsen oder das Internet, wo es oft kaum oder keine | |
| Beratung gibt. Dort werden auch Tiere angeboten, mit deren Haltung sich die | |
| Verkäufer nicht einmal selbst auskennen. Immer wieder werden | |
| Tierschutzverstöße verzeichnet. | |
| Zumindest das Geschäft mit gewerblichen Börsen für exotische Tiere soll | |
| laut Koalitionsvertrag verboten werden. Derzeit blüht es noch unverändert. | |
| Übergreifend will die Koalition einheitliche Regeln für Privathaltung von | |
| und Handel mit Wildtieren und Exoten erarbeiten. Kleine Börsen zum | |
| Austausch von Nachzuchten möchten Halter beibehalten. „Wir befürworten | |
| private Tierbörsen für Reptilien, auch als Kontaktbörsen zum | |
| Wissensaustausch“, sagt Thomas Türbl von der Münchner Auffangstation für | |
| Reptilien. | |
| Dass viele Tierschützer private Reptilienhaltung ganz ablehnen, kann er | |
| nicht nachvollziehen. Es käme allein auf die Expertise der Halter an – wie | |
| bei jedem Heimtier. „Eine Königspython ist leichter tier- und | |
| verhaltensgemäß zu halten als ein Kaninchen“, so Türbl. Das von der | |
| Koalition angestrebte Verbot des Imports wild gefangener Exoten und | |
| Wildtiere in die EU lehnt er ebenfalls ab. Wildfänge seien gerade für den | |
| Erhalt bedrohter Reptilienarten wichtig. Antje Schreiber, Sprecherin des | |
| Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe, meint dazu: „Wildfänge sind zur | |
| Genpoolauffrischung für eine weitere Reptilienzucht erforderlich.“ | |
| Diesen Argumenten können Tierschützer nicht folgen. „Arten, bei denen die | |
| Nachzucht nicht möglich ist, sollten auch nicht als Heimtiere gehalten | |
| werden“, sagt Henriette Mackensen vom Tierschutzbund. Bei manchen, etwa | |
| Wasseragamen, werde die Nachzucht wegen des billigeren Imports nicht einmal | |
| versucht. Dabei bedeutet der lange, beengte Transport für die Tiere | |
| erheblichen Stress. Studien weisen darauf hin, dass viele von ihnen | |
| lebendig nicht mal den Abflughafen erreichen. | |
| 26 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Bauer | |
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