Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wahlkampfendspurt in Thüringen: Die Königsmacher schwächeln
> Die Spitzen von SPD und Grünen geben sich gegenüber den Linken gelassen.
> Weil beide nicht stark sind, wird eine Dreierkoalition wahrscheinlicher.
Bild: Thüringer Bratwurst – bald nur noch in rot?
BERLIN taz | Es läuft nicht so gut für die SPD in Thüringen. Laut neuester
Umfragen würden sie nur 16 Prozent wählen, noch weniger als 2009. Die
sozialdemokratische Klientel ist zögerlich – und ihr Spagat zwischen
Linkspartei und CDU scheint die eigenen Anhänger zu verwirren.
Manche jüngere SPD-nahe Frauen, die in Städten leben, neigen zur
amtierenden Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht – ältere SPD-nahe
Männer zum Linkspartei-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow, so ein SPD-Insider.
Und in beiden Gruppen gibt es auch solche, die am Sonntag gleich CDU oder
Linkspartei wählen wollen.
Das ist auch ein Effekt eines Wahlkampfes, der komplett auf das Duell
Ramelow/Lieberknecht fokussiert ist. Zwar kennen mittlerweile 83 Prozent
der WählerInnen die etwas unscheinbare SPD-Kandidatin Heike Taubert. Aber
das scheint kein Grund zu sein, sie zu wählen.
Wahrscheinlich werden die Sozialdemokraten Königsmacher für Lieberknecht
oder Ramelow. Und das macht einigen Bauchschmerzen. Sabine Doht ist noch
SPD-Landtagsabgeordnete. Der neuen Fraktion wird sie nicht angehören – aus
Protest gegen die Öffnung der SPD Richtung Linkspartei, sagt sie. Weil sie
nicht mehr aufgestellt worden wäre, heißt es in der SPD.
1989 hat Doht die Ostsozialdemokraten mitbegründet. Die Linkspartei wolle
einen anderen Staat, die Marktwirtschaft abschaffen, Bürger bevormunden,
eine Art neue DDR, sagt sie der taz. Thüringen sei nur „Probelauf für den
Bund“, ein Ministerpräsident Ramelow könne „im Bundesrat über Europapoli…
mitbestimmen“. Sollte der mit SPD-Stimmen Ministerpräsident werden, will
Doht aus ihrer Partei austreten.
„Ich bin 1989 nicht auf die Straße gegangen, damit jetzt eine Regierung, an
der die SPD beteiligt ist, von Stasi-Spitzeln abhängig ist“, so Doht. Die
SPD soll die Linkspartei unter Extremisten-Quarantäne stellen. Das fordern
auch zwei Aufrufe, einer von Exbürgerrechtlern, ein anderer unter anderem
von dem sächsischen Ex-SPD-Parlamentarier Gunter Weißgerber.
## Die Spitze hält den Ball flach
Auffällig ist: Unter den Ramelow-Kritikern ist kein prominenter, aktiver
Sozialdemokrat, kein Minister, Bürgermeister, Staatssekretär. In der neuen
Fraktion wird es wohl niemand geben, der sich prinzipiell gegen einen
Ministerpräsidenten Ramelow sperrt. Auch in der SPD-Parteizentrale in
Erfurt hält man den Ball flach. Seitdem die Thüringer SPD-Spitze von dem
Tabu abgerückte, nie einen Linkspartei-Ministerpräsidenten zu küren, gab es
nur ein paar Austrittsdrohungen. Denn offenkundig ist: In Thüringen steht
am Sonntag nicht die letzte Schlacht des Weltbürgerkrieges des 20.
Jahrhunderts an – sondern die Entscheidung um Verwaltungsreform oder
Kitaschlüssel.
Auch bei den Grünen sieht man das Thema Vergangenheit und Linkspartei
entspannt. Astrid Rothe-Beinlich, grüne Vizefraktionschefin, hat 1989 in
Erfurt die Stasizentrale mit besetzt und war in der zu DDR-Zeiten
geächteten Umweltbewegung aktiv. „Ich bin 1989 nicht auf die Straße
gegangen, um die nächsten 25 Jahre von der gleichen Partei regiert zu
werden“, so die Grüne zur taz. Und: „Zur Demokatie gehört der Wechsel.“
Schon 2009 haben die aus der Bürgerrechtsbewegung entstandenen Grünen und
die Linkspartei mit SED-Vergangenheit sich auf ein Thesenpapier zur
Geschichte verständigt: Tenor: Die DDR war eine Diktatur, eine
Willkürherrschaft, auch das Wort „Unrechtsstaat“ kommt vor. Katrin
Göring-Eckhard, die aus Thüringen kommende grüne Fraktionschefin in Berlin,
bescheinigt den Genossen, „einiges zur Aufarbeitung ihrer
SED-Vergangenheit“ getan zu haben.
## Es wird knapp für die Grünen
Das Problem der Grünen ist nicht ihre Geschichte, sondern der Wahlkampf.
„Es war klar, dass es für uns schwer wird, weil alle auf Ramelow gegen
Lieberknecht gucken“, so Rothe-Beinlich. In den letzten Umfragen liegt ihre
Partei zwischen 5 und 6 Prozent. Das wird knapp.
Dabei hat der Flügelstreit in dem mit 750 Mitgliedern kleinen Landesverband
an Schärfe verloren. Schwarz-Grün steht nicht zur Debatte. Und in Erfurt
regieren Realos wie Dirk Adams und Katrin Hoyer harmonisch mit Linkspartei
und SPD. Umstritten ist aber, ob die Grünen Rot-Rot stützen würden, wenn
dieses Bündnis, wie 2009, eine hauchdünne eigene Mehrheit hätte.
Linkspartei-Kandidat Ramelow will es mit nur ein, zwei Stimmen wohl gar
nicht versuchen. „Das wird Bodo nicht riskieren“, glaubt ein
Linkspartei-Spitzenrealo in Berlin.
Ramelow möchte unbedingt die Grünen im Boot haben – auch damit seine
Mitte-links-Regierung Antennen ins bürgerlich-kirchliche Milieu hätte. In
dieser Frage sind die Grünen doch gespalten: Die Parteilinke Rothe-Beinlich
will Rot-Rot-Grün auch, wenn grüne Stimmen nicht zwingend gebraucht werden.
Fraktionschefin Anja Siegesmund dagegen lehnt es ab, fünftes Rad am Wagen
sein.
Dieses knifflige Problem könnte sich in Rauch auflösen – denn die Mehrheit
für SPD und Linkspartei wackelt. So könnte am Ende das Schwächeln der SPD
Ramelow zu seiner Wunschkoalition verhelfen.
11 Sep 2014
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Thüringen
Bodo Ramelow
SPD
Grüne
Schwerpunkt Ostdeutschland
Schwerpunkt Landtagswahlen
SPD
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bodo Ramelow zur Thürigen-Wahl: „Es gibt kein No-Go“
Der Spitzenkandidat der Linkspartei, Bodo Ramelow, will offen über
Rot-Rot-Grün verhandeln. Schwarz-Rot hätte keine stabile Mehrheit, meint
er.
Erfurts OB über Wahl in Thüringen: „Die CDU ist grenzenlos flexibel“
Erfurts SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein über seine Partei in
Thüringen, eine mögliche rot-rote Koalition und kaputtgesparte Kommunen.
Landtagswahl in Thüringen: Die Kümmerer
Die Linke profiliert sich in Thüringen als große Oppositionspartei und
kommunale Kraft. Reicht das für einen Wechsel?
Nazis bei der Landtagswahl in Thüringen: „Wir klären das wie in den 90ern“
Kaum verschleierte Gewaltandrohungen und gelockerte Radmuttern am Auto: In
Thüringen bedrohen NPDler und andere Neonazis linke Politiker.
Landtagswahl in Thüringen: Ich, sagt Bodo Ramelow
Er könnte als erster Linkspartei-Politiker Ministerpräsident werden. Doch
auf dem Weg dahin gibt es Hindernisse. Ist eines davon Ramelow selbst?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.