| # taz.de -- Kolumne Macht: Mit der Bitte um „Shares“ und „Likes“ | |
| > Die ägyptische Studentin Sanaa Seif sitzt im Gefängnis, weil sie | |
| > demonstriert hat. Sie ist im Hungerstreik und braucht Unterstützung. | |
| Bild: Wurde im Sommer zu 15 Jahren Haft verurteilt: der ägyptische Bürgerrech… | |
| Sanaa Seif ist zwanzig Jahre alt. Seit knapp einem Vierteljahr sitzt die | |
| ägyptische Studentin im Gefängnis. Ihr Vergehen: Sie hat an einer | |
| Demonstration teilgenommen, auf der die Freilassung ihres Bruders, des | |
| Bürgerrechtlers Alaa Abdel Fattah, gefordert wurde. Mehr wird Sanaa nicht | |
| zur Last gelegt, aber nach dem neuen Versammlungsrecht von Ende letzten | |
| Jahres ist das auch nicht nötig. Das reicht für Knast. | |
| Wie kann man Aufmerksamkeit für ein einzelnes Schicksal erwecken – in | |
| diesen Zeiten? Angesichts dessen, was sich im Nahen Osten derzeit tut, ruft | |
| die Missachtung demokratischer Rechte inzwischen kaum mehr als ein | |
| Achselzucken hervor. Zumal sich ja der einstige Militärherrscher Abdel | |
| Fattah al-Sisi zum Zivilisten gewandelt und zum Präsidenten hat wählen | |
| lassen. | |
| Ägypten gilt wieder als verlässlicher Partnerstaat des Westens in der | |
| Region und erhält von den USA jährlich etwa 1,3 Milliarden Dollar | |
| Militärhilfe. Pech für diejenigen, die während des Arabischen Frühlings ihr | |
| Leben riskiert und geglaubt hatten, auch im Ausland werde ihr Kampf für | |
| Demokratie unterstützt. | |
| Zu denen gehören Sanaa und ihr Bruder Alaa. Er wurde „in Abwesenheit“ zu | |
| fünfzehn Jahren Haft verurteilt – während er vor dem Gerichtsgebäude stand | |
| und daran gehindert wurde, seinem Prozess beizuwohnen. Grundlage des | |
| Urteils waren auch in seinem Fall die neuen Versammlungsgesetze. Für die | |
| Freilassung von Alaa setzen sich inzwischen internationale Organisationen | |
| ein, darunter Amnesty International und Human Rights Watch. Immerhin. | |
| ## Klare Sache | |
| Aber was kann man selbst tun, um zu helfen? Für eine Journalistin stellt | |
| sich die Frage üblicherweise nicht. Man macht sich nicht gemein mit einer | |
| Sache und so weiter, und die Themen, über die man schreibt, interessieren | |
| die Öffentlichkeit im Regelfall. Sonst schriebe man ja nicht darüber. Aber | |
| was tut man, wenn man – wie in diesem Fall – einer Familie freundschaftlich | |
| verbunden ist? Und im privaten Rahmen gerne helfen möchte? Die Antwort ist | |
| doch klar. Soziale Netzwerke. | |
| Die Erfahrungen, die ich in diesem Zusammenhang gesammelt habe, lassen mich | |
| an der viel gerühmten Wirksamkeit zweifeln. Meine Tochter hat auf Facebook | |
| eine Seite eingerichtet: „Free Sanaa“. Knapp viertausend Unterstützer | |
| bisher. Das ist nett, aber das reicht nicht. Bei weitem nicht. Also poste | |
| ich auf meiner privaten Facebookseite mehrfach alle Details des Falles. Mit | |
| der Bitte um möglichst viele „shares“ und „likes“. | |
| Die bitterste Erfahrung machte ich neulich Abend. Eine enge Freundin sagte | |
| beim Abendessen, sie habe mich schon längst fragen wollen, was das | |
| eigentlich auf sich hätte mit „Free Sanaa“. Sie kenne den Fall nämlich | |
| nicht und deshalb habe sie bisher nicht reagiert. Ach so. Na, dann. | |
| Nachdem ich ihr alles persönlich erklärt habe, wollte sie dann auch | |
| „sharen“ und „liken“. Hoffentlich nutzt es noch etwas, bevor einer der | |
| Geschwister stirbt. | |
| Sanaa ist seit über zwei Wochen im Hungerstreik, ihr Bruder schon etwas | |
| länger. Begonnen haben sie damit wegen der Situation ihres herzkranken | |
| Vaters, dem international bekannten Menschenrechtsanwalt Ahmed Seif. Von | |
| dem sie sich nicht mehr verabschieden konnten. Sie durften ihn im | |
| Krankenhaus nämlich erst besuchen, als er schon im Koma lag. Und wurden | |
| später bei der Beerdigung schwer bewacht. | |
| Was genau muss man tun, damit die Öffentlichkeit reagiert? Oder auch nur: | |
| die Freunde? Mir fällt nichts mehr ein. | |
| 12 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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