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# taz.de -- Kolumne Macht: Name und Adresse, bitte!
> Eine Lehrerin braucht Rat, weil sich einige ihrer Schüler plötzlich für
> den Salafismus begeistern. Stattdessen kommt die Polizei.
Bild: Freunde und Helfer, aber keine Berater.
Auf der Klassenreise fiel der Lehrerin erstmals eine Veränderung auf. In
früheren Jahren habe man beim Essensangebot einfach darauf geachtet, dass
religiöse Vorschriften beachtet werden konnten. Aber jetzt sei die Frage,
was „haram“ und was „halal“ sei, plötzlich zum zentralen Thema geworde…
Und als eine muslimische Schülerin etwas gegessen habe, was einige
Klassenkameraden für verboten hielten, habe ein regelrechtes
„Religionsmobbing“ eingesetzt. Die Kinder sind zwölf und dreizehn Jahre
alt.
Einige Wochen später baten zwei Jungen um Entbindung vom Tafeldienst nach
Schulschluss. Sie wollten zum Freitagsgebet in die Moschee. Kurz darauf
waren es vier, dann sechs. Wer sie denn dahin mitnehme, fragte die
Lehrerin. Ein libanesischer Klassenkamerad.
Sympathischer Junge, intelligent, immer ein bisschen auf Krawall gebürstet.
Der Lehrerin gefällt das ganz gut. Sie ist in den Siebzigerjahren politisch
aktiv geworden: Frauenbewegung, Anti-AKW-Bewegung. Die Haltung, dass
Protest gegen bestehende Verhältnisse nichts Schlimmes ist, hat sie sich
bewahrt. Ebenso wie ihre Ablehnung jeder Form des religiösen
Fundamentalismus.
Die Eltern? „Freundlich, gut integriert.“ An religiösen Fragen ihrem
Eindruck nach in ähnlich hohem Maße interessiert wie Christen, die jedes
Jahr einmal den Gottesdienst besuchen – an Heiligabend nämlich, um die
Spannung vor der Bescherung zu erhöhen.
## Im Rahmen der Möglichkeiten
Die Lehrerin informiert sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten über die
Moschee, die bei einigen Jungen in ihrer Klasse solche Begeisterung
auslöst. Ein Versammlungsort für Salafisten, der Verfassungsschutz hat ein
Auge darauf. Sie informiert sich, ebenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten,
über Salafismus. Wofür gibt es Sommerferien. Nach den Ferien setzt sie eine
Doppelstunde zum Thema an. In der folgenden Woche kommt ihr libanesischer
Schüler zu ihr: Er habe sich in der Moschee mal erkundigt, ob das alles so
stimme, was sie da sage. Und er solle ihr ausrichten, bei ihnen gehe alles
streng gewaltfrei zu. Wie soll sie auf diese Botschaft reagieren?
Die Lehrerin bittet die Eltern der sechs Jungen, die inzwischen regelmäßig
diese Moschee besuchen, um ein Gespräch. Informell, bloß keinen Vorgang
daraus machen. Nur nicht den Gesprächsfaden abreißen lassen.
Die Eltern sind allesamt hilflos und ratlos. Ebenso wie die Lehrerin.
Einigkeit besteht darüber, dass man den Schülern schlecht den Besuch des
Freitagsgebets verbieten kann. Das wäre vermutlich kontraproduktiv. Aber
was kann man stattdessen tun?
Der Lehrerin fällt nichts mehr ein. Sie erkundigt sich nach
Beratungsangeboten vor Ort, immerhin in einer mittleren Großstadt. Nein,
leider gebe es da bisher nichts. Immerhin: Das Problem scheint als solches
erkannt worden zu sein. In verschiedenen Bundesländern und Kommunen sind
inzwischen Anlaufstellen eingerichtet worden. Nur für sie gibt es eben noch
keine. Pech.
Einige Tage später sucht ein Polizeibeamter sie auf. Er habe gehört, es
gebe da ein Problem. Und nun hätte er gerne Namen und Adressen der
betreffenden Schüler.
Die Lehrerin sagt, das komme überhaupt nicht infrage. Sie habe Hilfe und
Rat gesucht, nicht Zwölfjährige staatlicher Beobachtung aussetzen wollen.
Der Polizist – „übrigens ein sehr netter und verständnisvoller Mann“ –
verabschiedet sich. Die Lehrerin bleibt allein zurück.
2 Nov 2014
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Salafismus
Schule
Schwerpunkt Rassismus
USA
„Islamischer Staat“ (IS)
Flüchtlinge
Ägypten
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