Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Macht: Das, was sie wirklich meinen
> Manche wollen nicht verstehen, was an Pegida schlimm ist. Dabei ist es
> ganz einfach: Pegida ist ausländerfeindlich und rassistisch.
Bild: Pegida steht drauf, Rassismus ist drin
Wenn ein Mann zu seiner Frau sagt, die Wohnung sei völlig verdreckt, dann
kann das die nüchterne Feststellung einer Tatsache sein. Aber in neun von
zehn Fällen ist gemeint: „Fang endlich an zu putzen!“ Und der Subtext wird
auch verstanden, weshalb sich solche Sätze wunderbar für einen Ehekrach
eignen.
Das Doppelbödige und Unausgesprochene ist oft das eigentlich Interessante
an zwischenmenschlicher Kommunikation. Alle können derartige Signale lesen:
Erwachsene Kinder und ihre Eltern, Berufstätige und deren Vorgesetzte,
Politiker und deren Anhänger. Die Einzigen, die davon offenbar noch nie
gehört haben, sind die Leute, die nicht verstehen, was an Pegida eigentlich
schlimm sein soll.
„Pegida hetzt doch gar nicht gegen Muslime!“, schreibt mir ein Leser.
Parolen, die sich gegen religiösen Fanatismus, gegen Islamismus oder gegen
Religionskriege auf deutschem Boden richteten, könne er alle
unterschreiben. Ja, das kann ich auch. Mühelos. Wer nicht?
Jede Forderung braucht einen Adressaten, der die Forderung bisher ignoriert
hat, sonst ist es keine. Wer gegen eine Invasion von Marsmenschen
demonstriert, dürfte ziemlich allein auf der Straße stehen. Es muss also
jemanden geben, dem die Anhänger von Pegida unterstellen, Islamismus und
relgiösen Fanatismus ganz prima zu finden – oder zumindest nicht
entschlossen genug dagegen zu kämpfen.
Wer soll das sein? Regierung, Medien, Parlament? Man weiß es nicht. Denn
die Teilnehmer der Demonstrationen haben ja offenbar kein Bedürfnis, ihre
Position zu erläutern, sondern verweigern das Gespräch. Sie erklären
Schweigen zum Konzept.
## Gegen Marsmenschen
„Wenn Sie als Presse nicht immer nur mit Totschlagworten auf die Menschen,
die es satthaben, einschlagen würden, dann würden Sie auch wissen, was die
Haltung Ihrer Leser ist“, teilt mir eine Leserin mit. Das Totschlagwort,
das sie meint, ist vermutlich Rassismus. Aber wie soll man die Pegida denn
sonst nennen?
Der Name der Bewegung bedeutet: „Patriotische Europäer gegen die
Islamisierung des Abendlandes“. Wenn das sinnvoller sein soll als ein
nimmermüder Kampf gegen die Invasion von Marsmenschen, dann muss diese
Islamisierung drohen. Irgendwo im Abendland. Was habe ich verpasst? Soll in
Deutschland jetzt die Scharia eingeführt werden? Kommt in Dresden demnächst
der Burkazwang? Wird in München das Bier verboten?
Nein, das glaubt niemand. Auch nicht die Organisatoren der Pegida und ihre
Verbündeten von der AfD. Sie verlassen sich ganz einfach darauf, dass der
Subtext dessen, was sie sagen – also das, was sie wirklich meinen –, schon
verstanden werden wird. Und damit haben sie recht. Es ist eindeutig. Und
deshalb nenne ich die Pegida ausländerfeindlich und rassistisch.
Politiker und Journalisten müssen die Doppelbödigkeit von Texten eigentlich
besonders gut erkennen und analysieren können, das gehört zu ihrem Beruf.
Wenn Führungskräfte der Unionsparteien jetzt immer häufiger Verständnis für
die Pegida-Demonstranten zeigen und Innenminister Thomas de Maizière
behauptet, viele Teilnehmer brächten einfach „ihre Sorgen zum Ausdruck vor
den Herausforderungen unserer Zeit“, dann ist das vermutlich verlogen und
populistisch.
Schlimmer wäre nur, wenn auch de Maizière glaubte, die drohende
Islamisierung des Abendlandes sei eine Herausforderung unserer Zeit. Einen
solchen Realitätsverlust möchte man beim Bundesinnenminister nicht
befürchten müssen.
21 Dec 2014
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Pegida
Religion
Rechtsextremismus
Salafismus
„Islamischer Staat“ (IS)
## ARTIKEL ZUM THEMA
Satire-Video auf Youtube: Der Pegiden-Prinz
In „Prince of Pegida“ rettet ein blonder Europäer Dresden vor der
Islamisierung. Dabei kämpft er gegen Muslime in Pluderhosen und die
Lügenpresse.
Hasstirade in Görlitz: Man will nicht Dresden sein
Durch rassistische Tiraden fiel der Görlitzer Kaufhausinvestor Winfried
Stöcker bundesweit auf. Das hat juristische Folgen.
Kommentar Pegida als Ostphänomen: Dresden ist überall
Pegida als ostdeutsches oder sogar nur ein sächsisches Problem zu sehen,
greift viel zu kurz. Es erinnert an die Fehler der 1990er-Jahre.
EKD-Vorsitzender über Pegida: „Das Gegenteil von Christentum“
Mit den Pegida-Demos ist das Abendland wieder hoch im Diskurs. Heinrich
Bedford-Strohm über christliche Werte, Rassismus und Strategien gegen
Vorurteile.
Pegida-Demonstration in Dresden: „Ich geh ooch ma zum Döner“
Alles gibt es bei Pegida: Professoren, Polizisten, Hausfrauen – da sind
sich die Pegida-Demonstranten einig. Alles außer Nazis.
Kolumne Macht: Name und Adresse, bitte!
Eine Lehrerin braucht Rat, weil sich einige ihrer Schüler plötzlich für den
Salafismus begeistern. Stattdessen kommt die Polizei.
Kolumne Macht: Mehr ist nicht drin?
Der UN-Sicherheitsrat muss sich auf eine gemeinsame Linie zum IS einigen.
Falls nicht, gibt es nur noch das Recht des Stärkeren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.