# taz.de -- Die Wahrheit: „Mir zucken heute noch die Füße“ | |
> Das Wahrheit-Interview: Ein Gespräch mit Joachim Helmholtz, dem Leiter | |
> des schlechtesten Beatles-Museums der Welt im anhaltischen Coswig | |
Bild: Fab Four. | |
taz: Herr Helmholtz, in drei Tagen werden Sie im traditionsreichen Gebäude | |
des Bahnhofs Coswig an der Elbe ein Beatles-Museum eröffnen. Warum? | |
Joachim Helmholtz: Warum denn nicht? Es kann überhaupt nicht genug | |
Beatles-Museen geben! | |
Sind Sie ein Beatles-Fan der ersten Stunde? | |
Nein. Ich bin Jahrgang 1967. Auf die Beatles bin ich erst mit über zwanzig | |
aufmerksam geworden, und da waren sie ja zum Teil schon tot. | |
Und was hat Sie nach Coswig verschlagen? | |
Nach der Wende habe ich beim Campen meine spätere Frau kennengelernt, die | |
Marion, und die ist gebürtige Coswigerin. Wir sind hier dann im Jahr 1993 | |
zusammengezogen und haben einen Kiosk betrieben. Und wir haben immer alle | |
beide für die Beatles geschwärmt! Da ist so ein Lebensgefühl drin, wissen | |
Sie - mir zucken heute noch die Füße, wenn ich die "Fab Four" auf YouTube | |
sehe. | |
Was ist denn Ihr Lieblingssong von den Beatles? | |
Das wechselt. Momentan "Eleanor Rigby", aber vorige Woche wars noch "Mother | |
Natures Son". Die haben ja ein unvorstellbar reiches Repertoire, die | |
Beatles. Von der Schnulze bis zum Hardrock. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen | |
einige der Exponate zeigen … | |
Ja, gern! | |
Also, hier ist zum Beispiel der Plattenspieler, auf dem ich 1985 zum ersten | |
Mal das Weiße Album gehört habe. Von Telefunken. Die historischen Boxen | |
haben wir nachgekauft, bei Ebay, für zehn Euro. Dann haben wir hier einen | |
Bravo-Starschnitt aus der Beatles-Ära … | |
Ist das nicht die Schauspielerin Diana Rigg? | |
Ja, genau. Aus der Serie "Mit Schirm, Charme und Melone". Die lief damals, | |
als die Beatles ihre größten Erfolge feierten. | |
Und was ist das da für ein Objekt? | |
Ein 1962 von Ringo Starr angebissener Apfel. | |
Komisch. Weshalb ist der nicht verfault? | |
Der ist mit Konservierungsmitteln behandelt worden. Ringo Starr hat diesen | |
Apfel 1962 auf der Reeperbahn einmal kurz angeknabbert. Bei uns ist alles | |
echt. Auch der Groschen hier! Den hat John Lennon 1960 in Hamburg in eine | |
Jukebox gesteckt. Oder hier, der Bleistift: Mit dem hat George Harrison | |
"While My Guitar Gently Weeps" geschrieben. | |
Wo haben Sie den her? | |
Den hat meine Frau ersteigert. Wir haben inzwischen Offerten in | |
Millionenhöhe, aber nee, den verkaufen wir nicht! Der gehört in unser | |
Museum. | |
Und dieses Unterhemd? | |
Das war Stu Sutcliffe seins. Eine Leihgabe von Astrid Kirchherr. Bitte | |
nicht anfassen! | |
Was ist denn Ihr wertvollstes Ausstellungsstück? | |
Diese Gitarrensaite. Die ist John Lennon 1961 gerissen, als er "I Saw Her | |
Standing There" gesungen hat. | |
Haben Sie dafür ein Zertifikat? | |
Ja, sicherlich! Aber muss man denn für jeden Schrott Zertifikate haben? | |
Meine Frau sagt immer, dass die Westler übermisstrauisch wären, und ich | |
sage dann, Marion, ich komme doch selbst aus dem Westen … | |
Und diese Walnussschalen hier? Was haben die mit den Beatles zu tun? | |
Mit denen haben sich Ringo Starr und George Harrison 1966 beworfen, vor | |
ihrem Auftritt in der Essener Grugahalle. | |
Aber das könnten doch auch normale Walnussschalen sein. | |
Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann lassen Sies bleiben. Finger weg! | |
In Ihrem Museum gibt es einen Plattenspieler, einen angebissenen Apfel, | |
eine Gitarrensaite und zwei Walnussschalenhälften zu sehen. Ist das alles? | |
Für einen Ort wie Coswig an der Elbe ist das gar nicht so wenig. | |
Wie man hört, haben Sie Paul McCartney zur Vernissage eingeladen … | |
Es ist noch unklar, ob er kommt, aber die Bürgermeisterin steht in Kontakt | |
mit seinem Management. Das wäre natürlich eine Riesensache, wenn der Paul | |
McCartney hierherkäme. Auch für Coswig jetzt als Stadt. | |
Haben Sie nicht ein wenig die Befürchtung, dass die Besucher Ihrer | |
Ausstellung etwas enttäuscht sein könnten? | |
Sie haben ja noch längst nicht alles gesehen. Was halten Sie etwa von | |
diesem Paar Schuhe hier? | |
Soll das etwa auch einem der Beatles gehört haben? | |
Nein. Diese Schuhe trug eine Freundin von mir, als sie 1990 einen Brief an | |
John Lennons Tante Mimi schrieb, dass sie gern ein Autogramm von ihm hätte. | |
Und hat sie eins bekommen? | |
Leider nein. Die Tante war da schon zu krank. Die ist ja von den Fans | |
regelrecht bestürmt worden und hat nicht jeden Brief beantworten können. | |
Aus museumspädagogischer Sicht könnte man es für bedenklich halten, dass | |
Sie hier lauter Sachen ausstellen, die einen nur sehr indirekten Bezug zu | |
den Beatles haben … | |
Für echte Beatles-Fans ist alles interessant, was mit den Beatles zu tun | |
hat. Da mach ich mir überhaupt keine Sorgen. Und Sie brauchen sich ja auch | |
nicht an den Schuhen festzubeißen. Was glauben Sie, was wir noch alles im | |
Angebot haben! Hier - eine Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 1957! | |
Was soll daran so toll sein? | |
Na, das ist doch das Jahr, in dem John Lennon und Paul McCartney sich | |
kennengelernt haben! | |
Das war am 6. Juli 1957. Und von welchem Tag ist diese Zeitung? | |
Vom 4. Oktober 1957. | |
Und Sie finden, dass die trotzdem in ein Beatles-Museum gehört? | |
Das ist doch egal, ob die jetzt vom selben Tag ist. Die Hauptsache ist das | |
Feeling, das von solchen Zeitdokumenten ausgeht. Ich meine, mir ist absolut | |
klar, dass ich mit dem Museum in Liverpool nicht konkurrieren kann, aber | |
nun machen Sie mal halblang! Wir geben uns die größte Mühe, ein Museum aus | |
dem Boden zu stampfen und damit auch was für die regionale | |
Kulturentwicklung zu tun, und ihr Journalisten habt an allem was | |
auszusetzen, obwohl wir hier so gut wie ohne jede Subvention ein Bein an | |
den Grund zu kriegen versuchen. | |
Ich finde das nicht fair. | |
Sie werden subventioniert? | |
Vom Land Sachsen-Anhalt. | |
In welcher Höhe? | |
Das können Sie alles unserem Rechenschaftsbericht entnehmen. Im vergangenen | |
Jahr waren das 950.000 Euro, die aber vorn und hinten nicht gereicht haben. | |
Wir mussten ja zunächst den gesamten Bahnhof renovieren. Wenn Sie wüssten, | |
wies da vorher ausgesehen hat! Und dann die mörderischen Versteigerungen | |
auf Ebay - was denken Sie denn, was allein dieser Löffel kostete? | |
Was ist das für ein Löffel? | |
Mit dem hat Erich Honecker im Februar 1964 in Stralsund eine Zwiebelsuppe | |
gegessen und dabei "Honey Dont" gehört. | |
Okay. Was haben Sie dafür bezahlt? | |
12.000 Euro. | |
Aus Steuermitteln? | |
Ja, woraus denn sonst? | |
Haben Sie noch andere Ausstellungsgegenstände zu bieten? | |
Nein, das wars. Wir denken aber über den Ankauf einer Vitrine aus dem | |
Nachlass eines Neffen von George Martin nach, und wir stehen in | |
Verhandlungen mit einer älteren Dame aus Duisburg, die uns vielleicht die | |
Neckermann-Kopfhörer verkaufen wird, über die sie in den Siebzigern ganz | |
oft den Songs "She Loves You", "Cant Buy Me Love" und "And Your Bird Can | |
Sing" gelauscht hat. | |
Ich besitze ein Plastiksparschwein, auf dessen Rücken ich manchmal mit den | |
Fingern den Rhythmus von "Yellow Submarine" getrommelt habe. Wäre Ihnen das | |
auch etwas wert? | |
Sagen wir … fünftausend Euro? | |
Bon. Da schlage ich ein! | |
Und ich auch! Many thanks! | |
Herr Helmholtz, wir danken Ihnen für das Gespräch. | |
19 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Henschel | |
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