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# taz.de -- Journalist über Wahl in Neuseeland: „Alles dreht sich um Dotcom�…
> Der Enthüllungsjournalist Nicky Hager hofft auf einen Politikwechsel in
> Neuseeland. Die Rolle Kim Dotcoms sieht er ambivalent.
Bild: Ungewöhnliche Partnerschaft: Glenn Greenwald (li.) und Kim Dotcom im Wah…
taz: Herr Hager, ich danke Ihnen für die Gewährung dieses Skype-Interviews.
Wenn die Aufnahmetechnik nicht funktioniert, wen rufe ich denn an, um eine
Kopie unseres Gesprächs zu bekommen?
Nicky Hager: Ich fürchte, das würden wir nicht wieder kriegen. Es wäre
verloren im Äther.
Es hört also niemand mit?
Wenn es zur Massenüberwachung kommt, gibt es einen Unterschied zwischen
Kapazitäten und Operationalität. Es kann natürlich einen automatischen
Speicher für mehrere Tage geben. Dabei ist dann eine automatische Löschung,
wenn dieser Speicher voll ist. Aber es ist eine gänzlich andere Frage, ob
jetzt jemand zuschaut. Das ist sehr viel unwahrscheinlicher.
Sie haben ja schon in den Neunzigern zum Überwachungsprogramm Echelon
veröffentlicht. Gab es dafür eine Wahrnehmung? Ist die Massenüberwachung,
in welcher Form auch immer, denn bisher ein Thema für die neuseeländische
Politik gewesen?
Ich kann wohl sagen, dass meine Recherchen sehr wenig Einfluss auf die
hiesige Politik hatten, viel weniger als in anderen Ländern. Das hat
natürlich auch mit diese langweiligen Öffentlichkeitsarbeit der Regierung
zu tun, die immer wieder einfach nicht reagiert. Sie sagen einfach nichts
zur Sache.
Und heute?
In den vergangen zwei Jahren haben wir mit Kim Dotcom unseren ersten
richtigen Überwachungsskandal. Für unsere aktuelle, konservative Regierung
war das die schädlichste Periode ihrer Amtszeit. Alles dreht sich um
Dotcom. Es gab in großem Umfang ungesetzliche Überwachung in seinem Fall.
Dazu kam die Entdeckung der ungesetzlichen Überwachung der neuseeländischen
Bevölkerung, was den Premierminister John Key ziemlich niedergedrückt hat,
da er in all diesen Jahren mehr als jeder andere die Verantwortung für die
Geheimdienste trug. Kim Dotcom und die Partei, deren Finanzier er ist,
haben versucht, daraus ein Thema während des Wahlkampfes zu machen.
Hat das funktioniert?
Es ist noch zu früh, um mit Sicherheit zu sagen, welchen Effekt das hat,
aber dass es einen gibt, ist wahrscheinlich. Vor einigen Tagen gab es
dieses Event mit Glenn Greenwald und Edward Snowden. Das war
elektrisierend. Es war, als wenn das ganze Land anhalten würde um
zuzuschauen. Das war nicht randständig sondern zentral.
Haben Sie auf der Veranstaltung Dinge gehört, die wirklich neu für Sie
waren?
Ja, zwei wichtige Dinge. Eines von Glenn Greenwald, der über den Plan,
Unterseekabel anzuzapfen informierte. Das ist sehr wichtig in Neuseeland,
denn die Kabel die hier abgehört werden können, sind nicht solche, die von
einem Teil der Welt in den anderen laufen. Wir sind das Ende der Welt. Wenn
wir hier über angezapfte Kabel reden, dann über den Zugang der Neuseeländer
zum Internet. Das ist eine große Sache, die auch nicht so schnell aus der
Welt sein wird. Das zweite kam von Snowden und war gänzlich neu für mich.
Er hat über seine Arbeit in Hawaii geredet, wo er am anderen Ende unserer
Kabel bei der NSA saß. Und er hat davon gesprochen wie Unmengen
neuseeländischer Daten und Kommunikation dort durch das System gelaufen
sind. Das ist insofern eine große Nachricht in Neuseeland, weil die
Five-Eyes-Nationen eigentlich nicht gegeneinander spionieren sollen.
Wie hat der Premier reagiert? Hat er überhaupt Stellung bezogen?
Er hat versucht, seine Glaubwürdigkeit gegen die von Greenwald und Snowden
zu stellen, indem er sagte, das wäre nicht wahr, dass es sich um böswillige
Ausländer handle, die hier Einfluss auf die neuseeländische Politik nähmen.
Ich denke, man kann sagen, dass er hier richtig verloren hat. Denn wo auch
immer die Menschen in dieser Sache stehen, die Glaubwürdigkeit von Glenn
Greenwald und Edward Snowden ist sehr hoch in Neuseeland.
Auch die von Kim Dotcom?
Die öffentliche Meinung ist über ihn sehr gespalten. Für einige ist er ein
Held für andere eine eher zwielichtige Person. Aber durch ihn wurden Fragen
staatlicher Überwachung in den Vordergrund gerückt, genauso wie unsere
Außenpolitik und das in einer Weise wie niemand anderes vermochte.
Ihr eigener Beitrag zum Wahlkampf ist ja auch nicht zu unterschätzen. Ihr
letztes Buch mit Enthüllungen über die Verbindungen zwischen rechten
Bloggern und der Regierung hat kurz vor der Wahl noch eine Ministerin das
Amt gekostet. Mit diesem Druck von allen Seiten: Glauben Sie, dass John Key
auch der nächste Premierminister sein wird?
Das fragen Sie einen Tag, bevor wir das herausfinden werden?! Ich weiß es
wirklich nicht. Was ich aber sicher sagen kann, ist, dass noch vor einigen
Monaten klar war, dass er gewinnen würde. Key wird der populärste
konservative Politiker der westlichen Welt genannt. Wenn er morgen gewinnt,
steht trotzdem fest, dass sich seine Reputation auf dem Weg abwärts
befindet.
Aber es ist immer noch möglich, dass er eine absolute Mehrheit erreicht.
Ja, aber seine Zahlen haben schon deutlich nachgelassen. Die waren mal viel
besser. Das war mir immer ein Rätsel, da seine Regierung eine Menge
unpopulärer Dinge gemacht hat. Er aber konnte bis jetzt so ein Bild
aufrechterhalten, dass er dieser freundliche, entspannte Typ sei, mit dem
man auch mal ein Bier trinken geht. Von Anfang an war ich mir ziemlich
sicher, dass das nicht wahr sein konnte. Der Mann war ein skrupelloser
Devisenspekulant, der mit dieser Arbeit sehr reich geworden ist. Jetzt ist
er eben ein skrupelloser Politiker mit einem frustrierend positiven Image.
In der US-Politik nennt man das two track system. Das bedeutet, dass man
den Chef positiv aussehen lässt und sagt, dass er nicht in schmutzige
Politik involviert ist und nur Sacharbeit macht. Und dann separiert man
genau diese schmutzigen Taktiken von ihnen. Tatsächlich ist das aber
verbunden.
Da kommen die Blogger ins Spiel?
Genau. Ich habe Dokumente von den Republikanern in den USA, wo sie über die
Möglichkeit reden, Blogs für negativen Wahlkampf zu benutzen. Sie erklären,
dass der Vorteil dieser Blogs im Vergleich zu klassischen Medien der ist,
dass letztere die präsentierten Fakten nachprüfen wollen. Aber über
scheinbar unabhängige, in Wirklichkeit aber mit der Partei verbundene
Blogs, die nicht akkurat und fair sein müssen, lassen sich die Gegner
leicht attackieren und verleumden. Das neuseeländische Blog WhaleOil von
Cameron Slater [einem Sohn des früheren Vorsitzenden der Regierungspartei]
wurde zum Beispiel für solche strategischen Attacken benutzt. Dazu wurden
Informationen über das Büro des Premierministers an das Blog
durchgestochen. Der eigentliche Angriff auf die politischen Gegner lief
dann von dort aus.
In Deutschland sind Blogs noch viel weniger eine politische Macht als zum
Beispiel in den USA oder Neuseeland, auch scheinen diese Methoden nicht
ganz so zu funktionieren...
...Das können sie jetzt vielleicht sagen. Aber alle Parteien schauen sich
um in der Welt. Die Grünen in der Welt beobachten, wer von ihnen besonders
erfolgreich ist, welche Taktiken sie benutzen, wie sie ihre Wahlkämpfe
gewinnen. Genauso die Sozialdemokraten und natürlich auch die
Konservativen. Ich sage also, wenn bestimmte Methoden erfolgreich sind,
inklusive schmutziger Taktik und Tricks, wird das sehr genau wahrgenommen
von vergleichbaren Parteien in der Welt. Das ist ein bisschen wie ein
Frühwarnsystem. Sie können sehen, was woanders passiert und vergleichbare
Methoden schneller identifizieren wenn sie in Ihrem Land ankommen.
Kim Dotcom, den zwielichtigen Helden dieser Geschichte, haben wir ja nun
erstmal an Neuseeland abgegeben. Wird er dort ein Gegengewicht gegen diese
Methoden sein können?
Nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Er spielt eine Rolle in der Politik. Er
ist sehr kreativ und sehr energiegeladen. In der großen Politik macht er
gleichzeitig einiges kaputt, aber er hilft auch. Das ist alles sehr
überraschend und vielleicht schauen wir mal mit freundlichen Gefühlen auf
ihn zurück. Vielleicht auch nicht. Er hat sich ja gewandelt. Ganz
offensichtlich war es eine dramatische Erfahrung für ihn, das Ziel solcher
Überwachung zu sein. Im Moment macht er ein paar wirklich interessante
Sachen. Was daraus auf lange Sicht aber wird – das weiß ich nicht.
19 Sep 2014
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Neuseeland
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NSA-Affäre
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