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# taz.de -- Katrin Göring-Eckardt über Kretschmann: „Den Grünen geht es ni…
> Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verteidigt den
> Stuttgarter Regierungschef, obwohl sie seine Meinung in der Asylfrage
> nicht teilt.
Bild: „Kretschmann lebt mit einer anderen Verantwortung“: Katrin Göring-Ec…
taz: Frau Göring-Eckardt, die Grünen haben am Freitag einen schwarzen Tag
erlebt. War es der schwärzeste Tag in Ihrer Amtszeit als Fraktionschefin?
Katrin Göring-Eckardt: Nein. Ich halte auch die Diskussion darüber, was der
Asylkompromiss für die Grünen bedeutet, für zweitrangig. Viel wichtiger ist
die Frage, was er für die Flüchtlinge bedeutet.
Aber als Fraktionschefin sollte man doch auch das Ziel verfolgen, gute
Politik zu machen. Und hierfür brauchen Sie vernünftige Strategien.
Die Länder haben alleine verhandelt, auch wenn wir natürlich mit der Gruppe
permanent im Gespräch waren. Und sechs der sieben Länder, in denen die
Grünen an der Regierung beteiligt sind, haben sich gegen den Kompromiss
ausgesprochen. Am Ende hat Winfried Kretschmann eine andere Entscheidung
getroffen.
Eine Stimme hat gereicht. Fehlte Ihnen die Strategie, den Willen der
Mehrheit umzusetzen?
Man muss die Entscheidung von Kretschmann vor dem Hintergrund der
spezifischen Situation in Baden-Württemberg sehen und der daraus
resultierenden Verantwortung. Deshalb kann man nicht sagen, es gab keine
Strategie. Bund und sechs grün mitregierte Länder sind sich einig. Und dass
beispielsweise die Residenzpflicht aufgehoben wurde, ist ja ein Erfolg.
Damit wurde eine urgrüne Forderung erfüllt, die wir ja mit allen
Flüchtlingsorganisationen teilen.
Warum haben Sie die Länder bei diesem so wichtigen Thema alleine verhandeln
lassen – noch dazu unter dem Vorsitz einer Staatssekretärin aus Mainz.
Hätte hier Parteichefin Simone Peter nicht eine wichtigere Rolle spielen
müssen, als Zuständige für Flüchtlingspolitik?
Wenn es jemanden gibt, der sich in der Bundes- wie der Landespolitik
auskennt, dann ist das diese Staatssekretärin. Margit Gottstein ist eine
der besten Expertinnen, die wir haben. Sie erkennt jeden vergifteten
Vorschlag. Am Ende hat sie sich auch dagegen ausgesprochen.
In Ihrer Fraktion gibt es dennoch massive Anwürfe gegen die Führung, weil
Herr Altmaier diesen Kompromiss so geräuschlos durchbekommen hat.
Ich ärgere mich wahnsinnig darüber, dass Altmaier diesen Vorschlag erst
Anfang der Woche gemacht hat.
Also hat Herr Altmaier Sie strategisch ausgebootet?
Die Länder haben sehr hart verhandelt und gerungen. Am Anfang wollte die
Regierung noch nicht mal das Recht auf Freizügigkeit einräumen. Und bei der
Arbeitsaufnahme gab es den vergifteten Vorschlag, nur bei den Mangelberufen
Verbesserungen zu machen. Aber nochmal: Wir hätten noch weiter versuchen
müssen, zu verhandeln und insbesondere die furchtbare Situation der Roma
ins Zentrum stellen müssen.
Übrig bleiben nur Verlierer: Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht
im Zentrum der Kritik, die Kritiker fangen an, sich selber zu kritisieren,
die Erfolge, die ja durchaus erzielt wurden, gehen dabei völlig unter. Wer
trägt am Ende die politische Verantwortung?
Auch wenn ich dezidiert zu einem anderen Schluss komme: Kretschmann ist in
einer anderen Situation, er lebt mit einer anderen Verantwortung. Er führt
eine Volkspartei in Baden-Württemberg und steht als Ministerpräsident
natürlich unter einen anderen Druck, weil er jede Bürgermeisterin und jeden
Bürgermeister bitten muss, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Er weiß
sehr genau, dass mit der neuen Regelung nicht etwa weniger Menschen nach
Deutschland kommen werden, schon gar nicht aus den Balkanländern und dass
sich deren Situation nicht verbessert. Aber aus seiner Sicht wiegen die
Verbesserungen so schwer, dass er dem Kompromiss zustimmen konnte. Er war
außerdem der Ansicht, dass mehr Verbesserungen nicht rauszuholen waren.
Sie haben versprochen, als kleine Oppositionspartei über den Bundesrat die
Bundespolitik mitzugestalten. Am Freitag haben Sie ja nun versagt.
Weil in der Sache entschieden worden ist. Das ist auch nichts Ungrünes. Ich
habe viel mit Winfried Kretschmann geredet und ich hatte kein einziges Mal
den Eindruck, dass er kalt und strategisch entscheidet, sondern dass es ihm
wirklich auf der Seele liegt, wie es den Flüchtlingen geht.
Trotzdem ist es den Grünen beim Kernthema Asylpolitik nicht gelungen, die
Bundesregierung zu stoppen. Warum sollte man glauben, dass die Grünen das
bei anderen Themen schaffen?
Weil die Grünen am Ende immer eine Partei der Inhalte sind. Wenn man nur
nach Macht strebt, hätte man anders entschieden. Aber die Grünen
entscheiden immer entlang der Sache, und Kretschmann hat auch in der Sache
entschieden. Wenn es uns allein um Macht ginge, dann hätten wir gar nicht
reden brauchen, sondern einfach abgelehnt. Aber so sind die Grünen nicht.
22 Sep 2014
## AUTOREN
Ines Pohl
Astrid Geisler
## TAGS
Asylrecht
Katrin Göring-Eckardt
Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Flüchtlinge
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