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# taz.de -- Die Wahrheit: Brennende Kreuze, hohle Symbole
> Wer mit halbwegs wachen Augen und bei klarem Verstand Fernsehen, aber
> auch die Wirklichkeit vor der Tür konsumiert, dem wird einiges
> abverlangt.
Bild: Wählen U 18 ist anderswo noch ein Ziel, in Bremen dank Stein's SchülerI…
Manchmal ist man zu Recht verstört. Zum Beispiel wenn ein Musiker auf der
Bühne von Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“ einen wirren
Innerlichkeitsrap mit enttäuschter Liebe und so („Und du weißt, ich tat
alles für dich und sägte jedes Unkraut ab!“) vor sich hin blubbert – und
die Produktionsfirma ihm ein circa drei Meter hohes brennendes Kreuz als
Deko-Element in den Hintergrund stellt.
Dass der Rapper mit seinen 17 Jahren die Ku-Klux-Klan-Symbolik nicht
erkennt, ist man ja noch bereit hinzunehmen. Zumal er aussieht und heißt
wie der lange im Keller versteckte dritte Sohn von Uwe und Natascha
Ochsenknecht: Nach „Wilson Gonzales“ und „Jimi Blue“ nun „Sierra Kidd…
wenn er seinen Raptext selbst geschrieben hat, steht zu befürchten, dass er
intellektuell ähnlich tiefbegabt ist wie die beiden Ochsenknecht-Brüder.
Aber geschenkt.
Was mich verwundert, ist, dass in der gesamten Raab-Redaktion niemand
sitzt, der denkt: „Huch dieses Motiv habe ich doch schon mal gesehen!“
Immerhin haben Fernsehredakteure, auch die beim Privatfernsehen,
überraschenderweise oft Abitur, viele haben sogar auf meine Kosten
„Irgendwas mit Medien“ studiert. Hängen geblieben ist offensichtlich
nichts. Noch nicht einmal einen Film wie „Mississippi Burning“ scheinen sie
zu kennen.
Ob es am Politikunterricht an deutschen Gymnasien liegt oder die
Fernsehhonks sich zwischendurch das Hirn weggekokst haben, wird sich
wahrscheinlich nicht klären lassen. Kurzzeitig hat man Angst, dass am Ende
des Liedes noch ein Scheinwerfer angeht, der die Silhouette eines Baumes
von hinten beleuchtet – an den Ästen zwei Lynchopfer pittoresk im
Windmaschinenwind baumelnd. Einfach nur, weil das so hübsch aussieht.
Zuzutrauen ist denen alles.
So wie den Mitarbeitern einer Baufirma, die in Goslar kürzlich die
Fußgängerzone neu pflasterten und dabei ein hübsches Hakenkreuz aus roten
Backsteinen in den Boden puzzelten. „Keine Absicht“, beteuerte die Firma.
Tragisch kurios ist auch das Werbeschild, das ich vor einiger Zeit in
Kassel sah: „Anne Frank – Fußpflege, Solarium, Kosmetik“. Im Prinzip hat
Frau Frank da ja nichts Böses gemacht und vermutlich ist sie eine
Tippitoppi-Fußpflegerin. Trotzdem könnte man stundenlang diskutieren, wo
hier der Fehler im Bild liegt. Warum nennt man, wenn man „Frank“ heißt,
sein Kind „Anne“?
Warum nennt Frau Frank ihr Geschäft nicht einfach „Anne’s Fußpflegesalon�…
Mit allem Drum und Dran: Deppenapostroph und Pipapo? Da ist doch vieles an
Peinlichkeiten möglich. Muss es wirklich der volle Name eines berühmten
Naziopfers in Verbindung mit Körperpflege sein, bei dem sich jedem mit ein
bisschen Geschichtsbewusstsein seltsame Bilder aufdrängen?
Wäre ich eine ZDF-Sportreporterin, würde ich zu dieser Wurschtigkeit im
Umgang mit historisch aufgeladenen Worten und Symbolen sagen: „Das ist mir
eine innere Reichskristallnacht.“ Und mich dann wundern, dass sich
tatsächlich jemand darüber aufregt.
23 Sep 2014
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Stefan Raab
Ku-Klux-Klan
Bildung
Anne Frank
Wahl in Bremen
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Pop
Statistik
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