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# taz.de -- Die Wahrheit: Ein Mann, ein Wort, ein Bart
> Mein Lieblingskonvertit Cat Stevens ist zurück. Obwohl: Seit er immer mal
> wieder zurück ist, ist er eigentlich nicht mehr mein Lieblingskonvertit.
Mein Lieblingskonvertit ist zurück. Obwohl: Seit er immer mal wieder zurück
ist, ist er eigentlich nicht mehr mein Lieblingskonvertit. Das Tolle an Cat
Stevens war ja, dass er wirklich weg war. Fast dreißig Jahre. Also
tatsächlich, „in echt“. Ratzfatz raus aus dem Popbusiness. Verschwindibus.
Keine Musik mehr, keine Auftritte.
Ein paar Mal wurde er als „Yusuf Islam“ – wie er sich nun nannte –
interviewt, redete teils dummes, teils gefährliches Zeug, später
entschuldigte er sich, aber dann war auch wieder Ruhe im Popkarton.
Diesem Weg-Sein wohnte eine Schönheit inne. Nicht etwa weil ich Cat Stevens
vorher doof fand. Als er sich aus der Öffentlichkeit in seinen Bart
zurückzog, war ich vierzehn und hatte nicht nur eine Vorliebe für hartes
Gitarrengedresche, sondern war dialektischerweise auch anfällig für
Schmusestimmchen, mit weichen Plektren gestreichelte Akustikgitarren und
Botschaften wie „If you wanna sing out, sing out, if you wanna be free, be
free …“ Ehrlich gesagt stehe ich da immer noch drauf, aber das ist ein
anderes, dunkles Thema.
Nein, die Schönheit von Cat Stevens Umkehr bestand in seiner Absolutheit.
Natürlich hat der Typ ein Rad ab – aber drei Jahrzehnte den Versuchungen
des Pop zu widerstehen, das muss man erst einmal bringen.
John Lennon schaffte es gerade mal fünf Jahre, sich aus dem Popgeschäft
zurückzuziehen und Brot zu backen, dann kehrte er zurück und wurde prompt
erschossen.
Paddy Kelly hielt es exakt sechs Jahre im Kloster aus, dann musste er raus
und Sex haben. Vergleichbar ist Yusuf Islam höchstens noch mit Marlene
Dietrich, die von 1979 bis zu ihrem Tod 1992 in ihrer Pariser Wohnung ein
trauriges Eremitendasein führte und mit der Welt nur übers Telefon und
Maximilian Schell kommunizierte.
Aber im Gegensatz zu Marlene ging es Yusuf gut. Er führte ein
fromm-fröhliches Muselmanenleben in London, gründete Schulen, zeugte
Kinder. Nur Cat Stevens war verschwunden. Das habe ich sehr bewundert. Das
hatte Würde.
Deswegen war ich mir auch nicht sicher, wie ich sein Comeback im Jahr 2006
finden sollte. Einerseits dachte ich: Scheiße, knapp dreißig Jahre
ausgehalten – und jetzt alles vor’n Arsch! Andererseits hat er damals
vieles richtig gemacht: Ein hübsches Album aufgenommen ohne religiöses
Geschwurbel, sehr catstevenesk, aber abgeklärter.
Die zweite CD war noch schöner, ein bisschen ungeputzter, seltsamer. Und
nun die dritte, produziert zusammen mit Rick Rubin, der einst Johnny Cash
zum siebten Frühling verholfen hat – und es dann auch mit weniger Erfolg
bei Donovan und Neil Diamond versuchte, weil er anscheinend auf den Geruch
alter Männer im Studio steht.
Das neue Album ist ruppig, bluesig, und Yusuf trägt bei Fernsehauftritten
bunte Klamotten und oberhalb seines Imambarts eine Popstar-Sonnenbrille.
Cool und uncool zugleich. Na ja, muss er selbst wissen, aber schade ist es
doch.
Mal was anderes: Könnte Wolf Biermann jetzt nicht mal dreißig Jahre ins
Kloster gehen?
26 Nov 2014
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Pop
Musik
Bart
Comeback
Eltern
Sigmar Gabriel
Statistik
Stefan Raab
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