# taz.de -- Kommentar Kohls Tonband-Vermächtnis: Tollkühne Veröffentlichung | |
> Heribert Schwan hat Kohls Erinnerungen für sein Buch ausgewertet. Dieser | |
> Vertragsbruch ist nicht mit öffentlichem Interesse zu rechtfertigen. | |
Bild: Die Orignial-Tonbänder sind längst in der Schrankwand in Oggersheim ver… | |
Der Autor Heribert Schwan veröffentlicht in diesen Tagen sein Buch | |
„Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“. Es beruht auf Gesprächen, die Schw… | |
vor mehr als zehn Jahren mit Kohl zur Vorbereitung von dessen Memoiren | |
führte. Schwan sollte sie als „Ghostwriter“ schreiben. Doch dann überwarf… | |
sich beide. Inzwischen hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass | |
Schwan die Tonbänder der damaligen Gespräche an Kohl herausgeben muss. | |
Durfte Schwan dennoch die Gespräche für sein Buch auswerten? | |
Das OLG Köln hat ihm dies nicht untersagt. Dort ging es nur um die | |
Herausgabe der 135 Tonbänder, die 630 Stunden Gespräch dokumentieren. | |
Schwan verweigerte dies, unter anderem mit dem Argument, dass er die | |
Tonbänder selbst gekauft habe. Das OLG Köln urteilte jedoch, dass durch das | |
aufgenommene Gespräch Helmut Kohl Eigentum an den Tonbändern erlangt hat. | |
Er habe durch seine historischen Erinnerungen den Wert der Bänder enorm | |
erhöht. | |
Das Gericht verwies auf das Beispiel eines Malers, der auf dem Blatt | |
Papier, das ihm ein Passant reicht, ein Kunstwerk fabriziert. Auch hier | |
erhalte der Maler Eigentum an dem Bild und nicht der Passant. Es gibt sogar | |
eine (wenig bekannte) Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 950), die diese | |
Rechtsfolge ausdrücklich anordnet. | |
Dieses Ergebnis war auch sachgerecht. So bekommt Kohl Zugang zu seiner | |
eigenen Geschichte. Er kann die Bänder nun zum Beispiel einem anderen | |
Ghostwriter geben, der damit die Memoiren fortführt. Das ist umso | |
wichtiger, weil Kohl seit einem Sturz 2008 kaum noch sprechen kann. Das OLG | |
hat dabei aber nicht entschieden, ob Schwan von den Bändern Kopien machen | |
und ob er diese für ein eigenes Buch verwenden durfte. Wenn Kohl dies | |
verhindern will, muss er einen neuen Prozess anstrengen und einstweiligen | |
Rechtschutz beantragen. Dass er dies noch nicht getan hat, verwundert – | |
schließlich hat Schwan sein publizistisches Vorhaben durchaus angekündigt. | |
## Merkels laxe Tischsitten? Nur voyeuristisch interessant | |
Bei einem neuen Rechtstreit wird es stark auf die Verträge ankommen, die | |
Schwan damals mit Kohls Verlag geschlossen hat. Aus dem Prozess vor dem OLG | |
Köln weiß man einiges über deren Inhalte. Danach sollte Kohl der „Autor“ | |
des gemeinsamen Buches sein. Er sollte volle Hoheit darüber haben, was | |
letztlich aus den Gesprächen veröffentlicht wird und wie die Formulierungen | |
aussehen sollen. Kohl hatte auch das Recht, jederzeit die Zusammenarbeit | |
mit Schwan zu beenden und einen anderen Ghostwriter zu beauftragen. Aus | |
dieser Vertragslage kann Schwan kaum Rechte für eine eigenständige | |
Publikation ableiten. | |
Sein Verlag Heyne, der zu Random House gehört, beruft sich nun ganz | |
allgemein auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Helmut Kohl sei eine | |
absolute Person der Zeitgeschichte, an seinen Aussagen bestehe ein | |
öffentliches Interesse. Das mag zwar sein, allerdings kann dies nicht so | |
einfach die vertraglichen Abmachungen überspielen. Es kann nicht sein, dass | |
ein Ghostwriter alles, was er beim Schreibprozess vertraulich erfährt, | |
anschließend in einem eigenen Buch unter Berufung auf das öffentliche | |
interesse publiziert. Soweit ersichtlich ist dies bisher auch nicht üblich. | |
Gerechtfertigt könnte eine Missachtung der Verträge nur sein, wenn das | |
öffentliche Interesse an den Kohl-Protokollen überragend ist. Aus diesem | |
Grund dürfte zum Beispiel auch ein heimlich mitgeschnittenes Gespräch | |
veröffentlicht werden (§ 201 Strafgesetzbuch). Was bisher aus den | |
Protokollen publiziert wurde, ist aber sicher nicht von „überragendem | |
öffentlichen Interesse“. Dass Angela Merkel früher (nach Ansicht von Kohl) | |
eher laxe Tischsitten pflegte, mag zwar irgendwie voyeuristisch interessant | |
sein, von herausragender Bedeutung ist dies aber kaum. | |
Und selbst wenn sich im jetzt veröffentlichtem Schwan-Buch noch die eine | |
oder andere Sensation verbirgt, so rechtfertigt das nur die | |
Veröffentlichung der konkreten Information und nicht die der gesamten | |
Sottisen Kohls. Die rechtliche Position Schwans ist also relativ schwach. | |
Die Veröffentlichung des Buches erscheint geradezu tollkühn. | |
7 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Helmut Kohl | |
Heribert Schwan | |
Helmut Kohl | |
Junge Union | |
Biografie | |
Helmut Kohl | |
Helmut Kohl | |
Heribert Schwan | |
Helmut Kohl | |
Helmut Kohl | |
Helmut Kohl | |
Helmut Kohl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil zu umstrittenen Kohl-Interviews: Ghostwriter muss Tonbänder abgeben | |
Der Ghostwriter Heribert Schwan darf Aufnahmen von Interviews mit | |
Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl nicht behalten, urteilte der BGH. | |
Zum 85. Geburtstag von Helmut Kohl: Ganz verrückte junge Leute | |
Der Altkanzler hat Geburtstag – diesmal an Karfreitag. Die Junge Union | |
kennt keinen Schmerz und hat sich dafür was ganz Ausgeflipptes ausgedacht. | |
Urteil des Kölner Landgerichts: Kohl-Buch zukünftig ohne Zitate | |
Heribert Schwan muss für die nächste Ausgabe seiner Kohl-Biographie die | |
teils deftigen Aussagen des Altkanzlers streichen, entschied ein Gericht. | |
Streit um Kohl-Buch: Kohls Anwälte geben auf | |
Die Anwälte des Altkanzlers nehmen ihr Rechtsmittel gegen die | |
Veröffentlichung des Buchs „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ zurück. | |
Kommentar Kohl-Aussagen: Veröffentlichen geht vor Verschweigen | |
Durfte Heribert Schwan ein Buch voller gehässiger Zitate von Helmut Kohl | |
veröffentlichen? Er durfte nicht, er musste es tun. | |
Buchvorstellung Kohl-Vermächtnis: Eine Geschichte ohne Helden | |
Die Journalisten Heribert Schwan und Tilman Jens stellten in Berlin das | |
Kohl-Buch „Vermächtnis“ vor. Es ist ein Dokument der Niedertracht. | |
Helmut Kohl über Werte: „Linke wird es immer geben“ | |
Aus aktuellem Anlass veröffentlicht taz.de ein Interview mit Helmut Kohl | |
aus dem Jahr 2003. Ein Gespräch über Rache, historische Irrtümer und nette | |
Kommunisten. | |
Rechtsstreit um Buch über Helmut Kohl: Abrechnung mit Parteifreunden | |
Die umstrittenen Gesprächsprotokolle mit dem Altkanzler werden am Dienstag | |
der Öffentlichkeit präsentiert – ungeachtet der Androhung juristischer | |
Schritte. | |
Theaterstück über Hannelore Kohl: Die große Sprachlosigkeit | |
Ist ein solches Leben heute noch denkbar? „Schatten::Frau“ ist eine | |
Etappenreise durch das Leben der Hannelore Kohl – und durch Bad Godesberg. | |
Urteil zu Kohl-Tonbändern: Eine Stimme für den Altkanzler | |
Helmut Kohl siegt vor Gericht: Er soll weiterhin alleinigen Zugriff auf | |
Hunderte Stunden aufgezeichneter Gespräche mit seinem Biografen haben. |