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# taz.de -- Kommentar Kohl-Aussagen: Veröffentlichen geht vor Verschweigen
> Durfte Heribert Schwan ein Buch voller gehässiger Zitate von Helmut Kohl
> veröffentlichen? Er durfte nicht, er musste es tun.
Bild: Der Mann vor dem Mann mit dem großen Schatten: Heribert Schwan.
Für jeden Journalisten, also auch für den Autor Heribert Schwan (gemeinsam
mit Tilman Jens) sollte die Regel klar sein: Veröffentlichen muss vor
Verschweigen gehen. Deshalb mutet es bizarr an, wenn andere Journalisten
aus juristischen, publizistischen oder moralischen Gründen meinen, dass die
Aufnahmen, die von 2001 bis 2002 in Gesprächen zwischen Schwan und Kohl
entstanden, nicht hätten herausgebracht werden dürfen.
Aber nur wenn schwerwiegende Gründe gegen eine Veröffentlichung sprechen,
kann aus journalistischer Sicht von dieser abgesehen werden. Aber die
bietet keine der drei Argumentationslinien. Die juristische Argumentation:
Es besteht kein überragendes öffentliches Interesse an den vermeintlich
banalen Aussagen Kohls, also hätten die Verträge eingehalten werden müssen,
die besagt haben sollen, dass der Altkanzler die Hoheit über jedes Wort
behielt.
Dass Informationen, wie die von Angela Merkels Schwäche, das Essbesteck
korrekt zu benutzen, sicherlich nicht viel über Merkel aussagen, ist klar.
Das Gesagte erzählt jedoch einiges über den Absender: Ex-Kanzler Kohl, der
sich selbst anscheinend als Messer-und-Gabel-Profi sieht, ist sich für
keinen noch so dümmlichen Angriff auf die Feindin aus der eigenen Partei zu
schade. Welch traurige Gestalt damals vor Schwan im Keller in Oggersheim
gesessen haben muss.
Die publizistische Argumentation: „Was immer die Leute an Helmut Kohl noch
bewegt und interessiert, solche Enthüllungen können es nicht sein“, schrieb
[1][Nils Minkmar] in der FAZ. Kohl bliebe durch das Buch „Vermächtnis – Die
Kohl-Protokolle“ lediglich Kohl. So sei er halt gewesen. Das wisse doch
jeder. Nein. Das weiß nicht jeder. Die Kohl-Zitate deshalb zurückzuhalten
ist nicht nur unjournalistisch, es ist überheblich.
## Autorisierung?
Die moralische Argumentation: Zwischen den Leuten Kohl und Schwan war wohl
nicht verabredet worden, dass derlei Desavouierendes noch zu Lebzeiten des
Bundeskanzlers a.D. ans Licht kommen sollte. Außerdem sei es nun mal Sitte,
dass Zitate vor Veröffentlichung zur Autorisierung vorgelegt werden. Daran
hätte Schwan sich halten sollen.
Und dann? Hätte Maike Kohl-Richter die Bänder schön im Schränkchen
eingeschlossen. Es mag beim Ehepaar Kohl althergebrachtes Brauchtum sein,
Dinge und Namen für sich zu behalten, aber Journalisten sollten bei diesem
Brauch nicht mittanzen.
Auch die Dirndl-Aussagen von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gegenüber
der Stern-Redakteurin Laura Himmelreich fielen einst an einer Hotelbar und
waren mit Sicherheit nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sie wurden
trotzdem publik. Und das war richtig so.
8 Oct 2014
## LINKS
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/helmut-kohl-trauriges-tonband-1319247…
## AUTOREN
Jürn Kruse
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