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# taz.de -- Debatten auf der Buchmesse: Kultur und Weltpolitik
> Der deutsche Außenminister bleibt in seiner Rede auf der Frankfurter
> Buchmesse wolkig. Die Finnin Sofi Oksanen hingegen spricht Klartext.
Bild: Politik auf der Buchmesse: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier m…
FRANKFURT/MAIN taz Vor den Messehallen demonstrieren kurdische Aktivisten
gegen den „IS-Faschismus“ in Syrien. Auf einem Transparent steht: Kobane
darf nicht fallen. Auf die dramatischen internationalen Konflikte dieser
Tage beziehen sich auch die Redner zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse:
„Wir können nicht in kleinsten Karos diskutieren,“ sagte Hessens
Ministerpräsident Volker Bouvier im Congress Center, während „diese Welt
aus den Fugen geraten“ ist.
Auf der größten Buchmesse der Welt steht die Politik nicht abseits, wenn
von Mittwoch bis Sonntag über 7.000 Aussteller aus der ganzen Welt ihre
Produkte präsentieren. 300.000 Besucher werden erwartet, 4.000
Veranstaltungen geboten. Buchmessendirektor Juergen Boos betont,
Verständigung und Toleranz müssten „wie das Radfahren erlernt werden“.
Darauf nimmt auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Bezug, der
sich allerdings in seiner Auftaktrede dagegen verwahrt, als
„Russlandversteher“ bezeichnet zu werden. Er verteidigte die pragmatische
Haltung Deutschlands im Ukraine-Konflikt mit den Worten: „Einen Weg aus der
Krise hinaus zu weisen, eine Krise gar friedlich zu lösen, das erfordert
mehr: die Bereitschaft, den Gegenüber zu verstehen.“
Was dies bei Konflikten bedeutet, die bereits militärisch eskaliert sind,
ließ der deutsche Spitzendiplomat allerdings offen. Wird der Westen weiter
hinnehmen (müssen), dass Putins Neurussland sich Teile der kleineren
Nachbarstaaten einverleibt? Und was sagt die Politik zu Erdogan, der die
türkische Armee an der syrischen Grenze aufmarschieren lässt, aber nur
zuschaut, wie die IS-Banden die Kurden massakrieren? In Anbetracht solcher
Zuspitzungen, scheint Steinmeiers Rede eher wolkig.
## Oksanens programmatische Eröffnungsrede
Konkreter, was die Kritik an Russland angeht, wird die Schriftstellerin
Sofi Oksanen. Für Finnland, das nordische Ehrengastland der diesjährigen
Buchmesse, hält sie eine programmatische Eröffnungsrede. Finnland, sehr
geschichtsbewusst und ein Vorzeigewohlfahrtsstaat, ist mit etwa 130 ins
Deutsche übersetzten Büchern nach Frankfurt gekommen. Selbst halb
estnischer, halb finnischer Herkunft, erzählt Oksanen in ihrem Roman „Als
die Tauben verschwanden“ von den Verwüstungen, die der rote und der braune
Totalitarismus im Baltkum hinterließen.
Die erklärte Feministin thematisiert in Frankfurt aber auch die
Unterdrückung nationaler Minderheiten in Russland selbst. Putin betreibe
„die Rückkehr zu dem sowjetzeitlichen Schauspiel, in dem die Freundschaft
der Völker eine Inszenierung ist, in der wohl Nationaltrachten zugelassen
sind, jedoch keine Diskussionen.“ Oksanen erkennt darin einen fortgesetzten
Kolonialismus.
„Vierzig Prozent der russischen Öl- und Diamantenvorkommen liegen auf
Gebieten, die von finno-ugrischen Völkern bewohnt werden, und das hat das
Schicksal dieser außerordentlich friedfertigen Kulturen besiegelt“, sagt
sie. Deswegen wurde einst zwangskollektiviert und werde bis heute
russifiziert.
Gewisse Dinge müssten im Kleinen beginnen, sagt der finnische Pädagoge Pasi
Sahlberg. Dass Finnland in Bildungsfragen vorne liegt, habe nicht nur mit
der guten Ausstattung der Institutionen zu tun. Auch der Geist muss frei
sein: Finnische Kinder durchlaufen ein einheitliches Schulsystem, dürfen im
Unterricht auch spielen und müssen keinen Notenterror fürchten. Logisch,
dass im nordisch-elegant gestalteten Finnland-Pavillon auf der Messe
entsprechende Arenen für die Jüngeren gestaltet sind und auch das
Kinderbuch triumphiert.
9 Oct 2014
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Frank-Walter Steinmeier
Sofi Oksanen
Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2024
Literatur
Buch
DDR
Sofi Oksanen
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