# taz.de -- 30 Jahre „Tag X“: Geschichte wird gemacht | |
> Vor 30 Jahren rollten im Wendland die ersten Fässer mit Atommüll: Ein | |
> Rückblick auf einen historischen Kampf, der längst nicht vorbei ist. | |
Bild: Stephan Weil (SPD) und Stefan Wenzel (Grüne) merken: Ihr Ja zum Endlager… | |
GORLEBEN taz | Am 8. Oktober 1984 kam der erste Atommüll nach Gorleben. 30 | |
Jahre später hat sich der Widerstand gegen das Atommülllager dort erledigt | |
– theoretisch. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist in Deutschland | |
beschlossene Sache. Und der radioaktive Müll ist zwar ein bleibendes | |
Problem, aber eines, dass nicht unbedingt mehr Gorleben trifft – | |
Bundesregierung und Bundestag haben die Suche nach einem Endlager im | |
vergangenen Jahr für neu eröffnet erklärt. | |
Transparent und demokratisch legitimiert soll diese Suche sein, auf einer | |
„weißen Landkarte“ erfolgen, Vorfestlegungen soll es also nicht geben. | |
Jeder Salzstock im Lande, jedes Granit- oder Tongestein kommt infrage. | |
Theoretisch. | |
Eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt es aber doch. Die weitere Erkundung | |
des Salzstocks im Wendland wurde zwar unterbrochen, der Besucherverkehr | |
nach unter Tage vorerst eingestellt, dem Bergwerk selbst aber ein | |
sogenannter Offenhaltungsbetrieb verordnet. Das heißt, die Schächte und ein | |
Verbindungsgang zwischen ihnen werden nicht zugeschüttet und können weiter | |
genutzt werden. Weiterhin gilt für den Salzstock nach wie vor eine | |
Veränderungssperre – eine andere Nutzung als die Prüfung auf | |
Endlagertauglichkeit ist damit ausgeschlossen. | |
Anders als von den Anti-AKW-Initiativen vor Ort gefordert, scheidet der | |
geologisch bestenfalls umstrittene und aufgrund jahrzehntelanger Tricks und | |
Täuschungen politisch verbrannte Standort also nicht aus dem Suchverfahren | |
aus, sondern bleibt im Rennen. Auf der vorgeblich weißen Landkarte ist | |
Gorleben ein dicker schwarzer Fleck. | |
Unklar ist zudem, ob das Gorlebener Zwischenlager gegen alle Versprechungen | |
künftig nicht doch von weiteren Castortransporten angefahren wird. Im | |
[1][Standortauswahlgesetz] wird das zwar ausgeschlossen, doch haben sich | |
die Bundesländer bislang nicht einigen können, wohin die noch ausstehenden | |
26 Behälter aus den Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague | |
und im englischen Sellafield gebracht werden sollen. Die rot-grün geführten | |
Länder Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wollen ihre | |
Standortzwischenlager nur für diese Castoren öffnen, wenn mindestens auch | |
ein von der Union regiertes Bundesland mitzieht. | |
Obendrein drängt der Energiekonzern Eon jetzt auch vor Gericht darauf, dass | |
er die Kosten der Umrüstung von Zwischenlagern an den AKW-Standorten nicht | |
tragen muss. Das Unternehmen argumentiert, die Entscheidung gegen Gorleben | |
sei aus politischen Gründen erfolgt, das dortige Zwischenlager bestens für | |
die Aufnahme weiterer Castoren geeignet. Die anderen AKW-Betreiber wollen | |
sich dem Vernehmen nach der Klage von Eon anschließen. | |
Mit der Klage ist der Atommüllkompromiss faktisch im Eimer, urteilt die | |
Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Sie fordert | |
insbesondere den Eon-Mann in der Endlagerkommission, Bernhard Fischer, zum | |
Rücktritt auf – die Kommission soll bis Anfang 2016 Vorschläge für die | |
eigentliche Endlagersuche unterbreiten. | |
„Die Lobbyvertreter haben nichts in einem solchen Gremium zu suchen“, sagt | |
BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Die Atombranche sei kein seriöser Partner. Mit | |
dem Rückbau des Gorlebener Bergwerks und der Aufgabe des Standorts müsse | |
der Weg frei gemacht werden für einen tatsächlichen Neustart der | |
Atommülldebatte. | |
10 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.gesetze-im-internet.de/standag/BJNR255310013.html | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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