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# taz.de -- Fruchtbare Ausbildungs-Initiative: Flüchtlinge als Fachkräfte
> Mit einem Ausbildungs-Netzwerk für Flüchtlinge will die Bremer
> Handelskammer dem Fachkräftemangel entgegen wirken. Die Resonanz ist
> positiv.
Bild: Berufsorientiert Sprache lernen: Hauswirtschaftskurs beim Zentrum für Sc…
Die Handelskammer hat die Bildung eines Ausbildungs-Netzwerkes für
Flüchtlinge angestoßen. Dazu hatte sie am Donnerstag insbesondere
Unternehmer zu dem Workshop „Ausbildung – Chancen für Flüchtlinge“
eingeladen. Modell und Pilotprojekte sowie Hilfsorganisationen stellten
ihre Arbeit vor und beantworteten Fragen von Ausbildern, Lehrern,
Interessierten.
Tenor der Vorträge: Die schleppende „Arbeitsmarktintegration“ liegt nicht
an den Flüchtlingen selbst. Die wären zumeist „topmotiviert“. Vielmehr
haben in der Vergangenheit rechtliche Barrieren wie die Arbeitserlaubnis
und das Bleiberecht einer Ausbildung für Flüchtlinge im Wege gestanden.
Verschiedene Pilotprojekte zeigten, dass vor allem junge Asylbewerber in
Praktika begeistert, offen und diszipliniert zu Werke gingen – wenn man sie
ließe.
Die verbesserte Rechtssituation war ein Anlass der Veranstaltung: Die
Vorrangprüfung, die vorschrieb, Arbeits und Lehrplätze vorranging an
EU-Bürger zu vergeben, gilt nicht mehr für Ausbildungen, das Bleiberecht
wurde vereinfacht, bald soll eine Arbeitserlaubnis während eines
Asylantrags nach drei statt neun Monaten erteilt werden.
Die Veranstaltung stieß auf reges Interesse. Etwa 100 Personen nahmen an
dem Workshop teil, der im Rahmen der „Bremer Integrationswoche“ stattfand.
Der Präses der Handelskammer, Christoph Weiss, ermutigte
Ausbildungsbetriebe, das „Potenzial von Flüchtlingen vor dem Hintergrund
des Fachkräftemangels auszuschöpfen“.
Elisabeth Mahlberg-Wilson, Leiterin des Projektes „Flüchtlinge in
Ausbildung“ zeigte sich erfreut über den „großen Schritt“, den die
Handelskammer durch die Initiative ginge: „Das Thema ist endlich angekommen
in Wirtschaft und Fachöffentlichkeit.“ Weiter sagt Mahlberg-Wilson: „Viele
junge Flüchtlinge bleiben letztlich in Deutschland – sie können dazu
beitragen, den Fachkräftebedarf zu decken.“
Zu guter Letzt sollte es konkret werden. Die Handelskammer warb dafür, dass
die Unternehmer sich in einem Ausbildungs-Netzwerk beteiligen, dessen Ziel
es ist, etwa 20 Flüchtlinge noch in diesem Jahr in Einstiegsqualifikationen
unterzubringen. Einige Unternehmer erklärten sich direkt im Anschluss an
dem Workshop zu ihrer Teilnahme bereit.
Organisiert wird das neue Netzwerk unter anderem von Udo Casper, der seit
20 Jahren mit Flüchtlingen arbeitet und das „Bremer und Bremerhavener
Integrationsnetz“ seit sechs Jahren leitet. Er sagt, dass „gute
Flüchtlingsarbeit Deutschland gesamtgesellschaftlich nach vorne bringen
kann“. Was derzeit noch fehle, seien Förderung und Integrationskurse. Vor
allem Sprachkurse seien als flankierende Maßnahmen zu einer Ausbildung
unersetzlich. Insgesamt stand Caspers Organisation in den letzten sechs
Jahren 1.200 Flüchtlingen zur Seite. In Bremen sei die Hilfeleistung durch
kurze Wege und flachere Hierarchien insgesamt einfacher als in
Flächenstaaten, so Casper.
Auch Angela Touré von der Agentur für Arbeit berichtete von praxisnahen
Erfahrungen des Modellprojekts „Jeder Mensch hat Potenzial –
Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern“, das in
Bremen und anderen Städten seit dem Januar 2014 durchgeführt wird.
Bundesweit gäbe es bereits 2.000 Bewerber um Plätze. Flüchtlingen mit
Bleibeperspektive soll bei der Anerkennung vorhandener Qualifikationen
geholfen werden. Oftmals seien es „Ärzte, Ingenieure und Apotheker, die
trotz der Umstände ihrer Flucht Zertifikate dabei haben“. Die
Zusammenarbeit mache dank der Motivation der Flüchtlinge „viel Spaß“.
Entsprechend positiv fällt Tourés Resümee aus: „Ich bin optimistisch, dass
wir alle auf dem Arbeitsmarkt integrieren können.“
Ein weiteres Pilotprojekt stellte Sandra von Atens vor. In dem Projekt
„Zukunftschance Ausbildung – berufliche Perspektive für Flüchtlinge“ des
Aus und Fortbildungszentrums Bremen haben 23 junge Flüchtlinge nach einer
Vorphase im September bereits eine Vorausbildung begonnen, die ein Jahr
dauern soll. Danach soll schließlich die richtige Ausbildung beginnen. Auch
ihr Fazit ist durchweg positiv: „Wir waren überrascht, wie viele
Kompetenzen die Flüchtlinge mitbringen.“
17 Oct 2014
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Flüchtlinge
Fachkräfte
Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
Migration
Einwanderungsland
Flüchtlingspolitik
Wirtschaft
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