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# taz.de -- Schwuler über Leben auf dem Land: „Hier geht es nicht so viel um…
> Immer noch werden viele Homosexuelle von ihren Eltern verstoßen. Im
> ländlichen Raum ist ihr größtes Problem das fehlende Kulturangebot, meint
> Marcel Ivan Behrends.
Bild: Der Tracht nach könnten die beiden auch vom Lande stammen.
taz: Herr Behrends, Homosexuelle haben es auf dem Land oft schwerer als in
der Stadt, sagt man. Sie sind mit Ihrem Verein im norddeutschen Flachland
aktiv. Und?
Marcel Ivan Behrends: Die Diskriminierung ist auf dem Land nicht generell
schlimmer. Dumme Sprüche hört man auch in Großstädten. Aber natürlich gibt
es einige überwiegend katholische Dörfer, in denen die vierzig Einwohner
jeden Schwulen am liebsten sofort verjagen würden.
Grundsätzlich hat sich die Lage entspannt?
Heute ist das größte Problem das fehlende Angebot: Manche Cafés und Kneipen
in Dörfern sind zwar schwulenfreundlich, keiner lädt aber explizit
Homosexuelle ein. Ein Grund, warum viele in Großstädte ziehen.
Sind die Eltern von Lesben oder Schwulen mit dafür verantwortlich, dass
sich die Situation in Dörfern verbessert?
Eltern, die sich mit der Homosexualität ihrer Kinder auseinandersetzen,
tragen ihre Akzeptanz nach außen. Damit sorgen sie für eine breitere
gesellschaftliche Anerkennung. Das sind positive Botschafter. Es gibt immer
mehr Eltern, die auf ein Coming-out ihres Kindes total tolerant reagieren,
die ihr Kind sogar auf eine mögliche Homosexualität ansprechen.
Das klingt doch gut.
Oft genug gibt es aber noch das Gegenteil: Viele in unserem Verein wurden
regelrecht verstoßen, als sie sich geoutet hatten.
Deshalb berät Ihre Organisation auch Angehörige.
Wir wollen Familien vor dem Auseinanderbrechen bewahren. Häufig führt
fehlende Akzeptanz dazu, dass der Kontakt abbricht, von welcher Seite auch
immer.
Liegt die teils noch fehlende Akzeptanz auch an der Angst, dass die eigene
Familie ausstirbt, weil viele Homosexualität mit Kinderlosigkeit
gleichsetzen?
Das Prinzip gibt es – aber es ist auf dem Land nicht viel stärker
verbreitet als in Städten. Wer möchte schon gern, dass die eigene Familie
aufhört zu existieren? Mein Vater hatte große Schwierigkeiten, meine
Homosexualität zu akzeptieren. Als er mit einer neuen Frau noch ein Kind
bekam, fiel es ihm leichter.
Tolerante Eltern sind das eine, aber von Schulen werden immer wieder
Mobbing-Geschichten erzählt. Von Lehrern etwa, die einen offen schwulen
Jugendlichen neben Mädchen setzten, damit er sich vielleicht doch eines
Besseren besinnt.
Gerade an Schulen ist es wichtig, darüber aufzuklären, was für ein
Seelenstriptease ein Coming-out für Teenager ist. Einige Lehrer würden ihre
Schüler gern besser unterstützen, bekommen aber von ihren Rektoren Steine
in den Weg gelegt. Andere machen es schwulen Jugendlichen tatsächlich
bewusst schwer. Wir haben ein eigenes Programm, bei dem wir mit
Schulklassen arbeiten.
Wie helfen Sie Jugendlichen?
Wir haben einen psychosozialen Berater, der auch Sozial- und Sexualpädagoge
ist. Der spielt alles vorab durch, manchmal begleitet er die Jugendlichen
sogar zum Coming-out-Gespräch.
Wenn man unter schwul-lesbischen Verbänden auf dem Land recherchiert,
stellt man fest: Es gibt immer mehr Menschen, die früher heterosexuell
gelebt haben, und erst mit 35 oder 40 zu ihrer Homosexualität stehen. Wie
kommt das?
Das Klima hat sich verändert. Mehr Leute trauen sich jetzt. Es gibt
Beratungsangebote für die Zeit nach dem Coming-out. Wie geht es mit der
Familie weiter? Muss man sich scheiden lassen? Was passiert mit den
Kindern?
Hilft nicht auch das Internet mit Dating-Angeboten wie GayRomeo oder
Grindr? Man lernt so leichter jemanden kennen.
Da unterscheidet sich das Land noch von der Stadt: In Dörfern sind
persönliche Kontakte wichtiger, fremde Menschen übers Internet zu treffen,
ist nicht so üblich. Viele gehen lieber raus, um Leute kennenzulernen.
Außerdem geht es im Internet zu neunzig Prozent um Sex. Das ist bei uns auf
dem Land nicht so extrem ausgeprägt.
26 Oct 2014
## AUTOREN
Imre Balzer
## TAGS
Landleben
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Homosexualität im Profisport
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