# taz.de -- Energiewende: Der teure Atomausstieg | |
> Schadenersatzklage des Konzerns Vattenfall für stillgelegte AKWs Krümmel | |
> und Brunsbüttel verärgert Schleswig-Holsteins Energieminister Robert | |
> Habeck. | |
Bild: Im AKW Krümmel wird schon lange nicht mehr gearbeitet, doch Pläne für … | |
HABURG taz | Robert Habeck ist ernsthaft verärgert. „Die Atomkonzerne | |
Vattenfall und Eon geben das Signal, dass sie die Energiewende nicht | |
akzeptieren“, poltert Schleswig-Holsteins grüner Umwelt und | |
Energieminister: „Das ist fatal.“ Denn Vattenfall klagt wegen der | |
Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel (siehe Kasten) vor | |
dem Schiedsgericht der Weltbank in Washington D.C. auf Schadensersatz: | |
Immerhin 4,7 Milliarden Euro verlangt das schwedische Staatsunternehmen vom | |
deutschen Staat. „Politisch heißt das eindeutig, dass die Betreiber den | |
gesetzlich beschlossenen Atomausstieg nicht anerkennen“, sagt Habeck. | |
Allein an Kosten für Anwälte, Gutachten und Übersetzungen sowie an | |
Gerichtskosten würden „Gesamtkosten in der Größenordnung von circa 9 | |
Millionen Euro“ entstehen, heißt es jetzt in der Antwort der | |
Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion. Effektiv | |
seien 3,23 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bereits gezahlt worden. | |
Das findet Habeck „inakzeptabel“. Er vermutet ein perfides Spiel des | |
Konzerns, der bislang keine Pläne für den Rückbau des seit mehr als drei | |
Jahren stillgelegten Meilers Krümmel vorgelegt hat: „Möglicherweise will | |
Vattenfall das AKW als Faustpfand behalten“, um als Weiter-Betreiber seine | |
juristische Position vor dem Schiedsgericht nicht zu schwächen. | |
Krümmel wird von Eon und Vattenfall gemeinsam betrieben, die Schweden haben | |
die Betriebsführerschaft. Einen Antrag auf Rückbau soll nach Konzernangaben | |
vorerst nicht gestellt werden. Denn Krümmel ist ein vergleichsweise junges | |
AKW, dessen Laufzeit die Bundesregierung kurz vor dem Unglück von Fukushima | |
bis 2033 verlängert hatte – und dann doch abrupt beendete. | |
„Wir wurden durch den Atomausstieg geschädigt“, begründete Vattenfall 2012 | |
die Ankündigung der Klage vor der Weltbank. Den beiden Betreibern entgingen | |
die Einnahmen aus der Stromproduktion. Außerdem hatte Vattenfall in die | |
Reparatur des seit 2007 abgeschalteten Reaktors mehrere hundert Millionen | |
Euro gesteckt – Geld, das jetzt in den Wind zu schreiben ist. Mit der | |
Anrufung des Schiedsgerichts aber wende sich Vattenfall nicht gegen den | |
Atomausstieg, versicherte das Unternehmen: „Wir unterstützen die | |
Energiewende.“ | |
Vattenfall hatte als ausländisches Unternehmen die Klage gemäß der | |
UN-Energiecharta eingereicht, nach der Investitionen in einem anderen Land | |
geschützt werden soll. Eon als inländischer Konzern hat diese Möglichkeit | |
gegenüber der Bundesregierung nicht, würde aber von einem Erfolg ebenfalls | |
profitieren. | |
Die Frage von Schiedsgerichten ist ein entscheidender Punkt bei den | |
Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA | |
und der EU. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete es | |
jüngst als „historisches Projekt, das den großen Möglichkeiten einer neuen | |
transatlantischen Agenda entspricht“. | |
Habeck indes befürchtet, dass durch TTIP erleichterte | |
Schiedsgerichtsverfahren Wirtschaftsinteressen über die rechtsstaatliche | |
Souveränität stellen könnten. Das Verhalten des Bundeswirtschaftsministers | |
könne er „nicht nachvollziehen“, sagt der Grüne. Gabriel müsse in seinem | |
Ministerium „Heerscharen von Juristen beschäftigen, weil einem | |
Wirtschaftskonzern, dem es vor allem um Geld und Profite geht, die | |
rechtsstaatlichen Mittel in Deutschland nicht ausreichen“, spottet Habeck: | |
„Das ist doch ein Hohn der Demokratie.“ | |
27 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
Sven-Michael Veit | |
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