# taz.de -- Essen für Flüchtlinge: Almosen doch nicht nur für Deutsche | |
> Eine Mitarbeiterin der Tafel Bremen hat über einen Aufnahmestopp von | |
> Flüchtlingen an den Ausgabestellen berichtet. Der Vorstand dementiert | |
> dies. | |
Bild: Bei der Bremer Tafel wird das Brot nicht immer mit allen geteilt, so der … | |
BREMEN taz | Verteilt die Bremer Tafel Almosen zuerst an Deutsche? Unter | |
der Berufung auf eine Mitarbeiterin berichtete die dpa, dass die Tafel bis | |
zum Jahresende einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge verhängt habe. Der | |
Vorstand der Tafel dementiert das. | |
Wegen des erhöhten Andrangs hätten seine Mitarbeiter mit der Leitung der | |
Flüchtlings-Erstunterkunft in Bremen gesprochen, sagt Oskar Splettstößer, | |
der Vorsitzende der Bremer Tafel. Dabei sei vereinbart worden, dass die | |
Flüchtlinge von der Tafel keine Unterstützung erhielten, da sie in der | |
Unterkunft voll versorgt würden. Seitdem den Asylbewerbern dort erklärt | |
worden sei, dass es bei der Tafel für sie keine Unterstützung gebe, habe | |
sich die Situation beruhigt, sagt Splettstößer. | |
Die Tafel verteilt Lebensmittelspenden von Supermärkten und Großhändlern an | |
Bedürftige. Dabei sei es in jüngster Zeit zu Konflikten zwischen „alten und | |
neuen Kunden“ gekommen, sagt der Landesvorstand der Tafeln Niedersachsens | |
und Bremens, Karl-Heinz Krüger. Es gebe eine „erkennbar steigende Tendenz | |
von Flüchtlingen“ an den Ausgabestellen, sagte er der dpa. Wegen | |
sprachlicher Barrieren sei es nicht einfach, den Flüchtlingen zu erklären, | |
dass die Tafeln keine staatlichen Einrichtungen seien, in denen Ansprüche | |
geltend gemacht werden könnten. Der taz bestätigte er seine Aussagen. | |
Im Leitsatz der Tafeln heißt es: „Die Tafeln helfen allen Menschen, die der | |
Hilfe bedürfen.“ Offiziell ist dieses Bedürfnis allerdings | |
nachweispflichtig: Um eine Berechtigungskarte für die Lebensmittelausgabe | |
zu erhalten, benötigt man beispielsweise eine Bescheinigung über Hartz IV. | |
Über diesen Weg seien allein seit August 180 Asylbewerber und ihre Familien | |
bei der Bremer Tafel aufgenommen worden, sagt Splettstößer. | |
Wenn überhaupt, gebe es in Notlagen einen generellen Aufnahmestopp. Und | |
selbst dann würde niemand ohne Lebensmittel nach Hause geschickt, | |
versichert der 80-jährige Ehrenamtler. Wie der dpa-Bericht zustande | |
gekommen sei, könne er sich nur mit der Formel „stille Post“ erklären. Die | |
dpa betont allerdings die Richtigkeit der Aussage. | |
Wie Splettstößer sagt, kommen die Flüchtlinge jetzt nur noch vereinzelt. | |
Spricht es nicht für deren Bedürftigkeit, wenn Flüchtlinge an den | |
Ausgabestellen Lebensmittel verlangen? „Viele denken, sie seien bedürftig“, | |
antwortet Splettstößer. „Das heißt nicht, dass sie es tatsächlich sind. W… | |
sind verpflichtet, das zu überprüfen.“ | |
Zudem verfügten die Flüchtlinge in der Erstunterbringung mangels einer | |
Kochstelle nicht über die Möglichkeit, selbst Essen zuzubereiten. Daher | |
hätten sie ohnehin keine Verwendungsmöglichkeit für Lebensmittel an der | |
Ausgabestelle. | |
Auch beim Bundesverband der Tafel wiegelt man ab: „Es wäre falsch, die | |
Tafel jetzt in eine rassistische Ecke zu drängen“, sagt dessen Sprecherin | |
Stefanie Bresgott. Auch sie sagt nach einer internen Prüfung, es habe | |
lediglich Absprachen mit dem Flüchtlingsheim vor Ort gegeben, „um die | |
Kapazitäten der Tafeln nicht weiter zu belasten“. | |
In den Zentralen Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge (Zast) wie der | |
Unterkunft in Bremen werden Asylbewerber nach ihrem Antrag maximal drei | |
Monate untergebracht. Sie sollen dort voll versorgt werden. | |
Flüchtlingsinitiativen kritisieren jedoch, dass die Verpflegung in den | |
Erstaufnahmeeinrichtungen oft unzureichend bis unzumutbar sei. | |
Angesichts der prekären Versorgungslage stellt sich die Frage, ob hier | |
durch Almosen geleistet wird, was eigentlich Sache des Staates wäre. Aus | |
Sicht des Soziologen Stefan Selke verbessern die mildtätigen Ausgabestellen | |
zwar grundsätzlich die Lage von Armen. Damit entlasteten sie aber – wenn | |
auch ungewollt – die Politik von der Aufgabe, die Armut nachhaltig zu | |
bekämpfen. | |
Ein stärkeres Engagement des Staates fordert auch der Landesvorstand der | |
Tafeln: „Wir können nicht alles tun und vor allem den Staat nicht aus | |
seiner Verantwortung entlassen“, sagt Krüger. | |
30 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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