# taz.de -- Hartz-IV in der Praxis: Sparen durch Strafen | |
> Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger steigen massiv an. Die Linkspartei | |
> kritisiert den Druck, auf den der Senat nach eigenen Angaben keinen | |
> Einfluss nehmen will. | |
Bild: Mehr Sanktionen: Beim Jobcenter werden die Daumenschrauben angezogen (Sym… | |
Die Zahl der Hartz-IV-Sanktionen gegen „erwerbsfähige | |
LeistungsbezieherInnen“ aus Bremen hat sich in den vergangenen Jahren | |
annähernd verdoppelt. Das gab der Senat auf Anfrage der Linksfraktion | |
bekannt. Kaum verändert hat sich dabei die Zahl der Menschen, die Hartz IV | |
beziehen und aus Sicht des Jobcenters aber vermittelbar sind. | |
Allein zwischen Juli 2013 und Juni 2014 wurden mehr als zwei Millionen Euro | |
einbehalten, „eine Menge Geld, das den Menschen vorenthalten wird“, sagt | |
Claudia Bernhardt, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion – | |
zumal im vergangenen Jahr auch noch mindestens 4,5 Millionen Euro | |
Eingliederungshilfe ungenutzt an den Bund zurück gezahlt werden mussten. | |
Der Senat sagte außerdem, dass er dem Jobcenter bei Sanktionen nicht | |
reinredet. Bei den Planungen der im Mai an den Start gehenden | |
„Jugendberufsagentur“ etwa sei die Verhinderung von Sanktionen für | |
Jugendliche in Ausbildung „nicht Gegenstand von Absprachen“. Bernhard | |
findet es „skandalös“, wenn dem Senat egal sei, dass Jugendliche „unter … | |
Prügel des Erscheinens“ gezwungen werden. | |
Tatsächlich wurden die meisten Sanktionen wegen sogenannter | |
„Meldeversäumnisse“ verhängt. Direkte Rückschlüsse auf das Verhalten der | |
LeistungsbezieherInnen lässt das allerdings nicht zu, denn zurückmelden | |
kann sich nur, wer überhaupt erst gefragt wird: Denn auch der Senat | |
vermutet, dass mehr Vermittlungsangebote ausgegeben wurden und die | |
„Kontaktdichte“ gestiegen sei – also mehr Gelegenheit bestand, etwas zu | |
versäumen. | |
Der Bremer Erwerbslosenverband (BEV) sieht das auch so, spricht statt | |
Kontakt aber von „Kontrolldichte“. Im Rahmen der Job-Offensive, sagt | |
Herbert Thomsen vom BEV, habe man sich auf Menschen konzentriert, die man | |
„nur noch schubsen“ müsse – in immer prekäreren Jobs. Bei Teilzeit, | |
schlechter Bezahlung und „Sachen, die sonst keiner machen wolle“ würden | |
sich die Leute irgendwann völlig zu Recht fragen, „was der Zirkus soll“, so | |
Thomsen. | |
Steigende Nachfrage an billigen Arbeitskräften erhöhe also den Druck auf | |
die Arbeitsvermittlung. Und diesen Stress wälze das Jobcenter auf die | |
LeistungsempfängerInnen ab, erklärt die Linksfraktion. Denn während immer | |
mehr sanktioniert wird, ist das Amt seinerseits für die „Kundschaft“ schwer | |
zu erreichen: Lange Wartezeiten auf Termine und keine Möglichkeit, | |
telefonisch mit den SachbearbeiterInnen in Kontakt zu treten. Man ruft | |
stattdessen beim Callcenter an und wartet tagelang auf Rückruf. | |
Die Linksfraktion hat beantragt, das Jobcenter zu verpflichten, die | |
direkten Nummern rauszurücken. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte | |
bereits 2007, dass Bedienstete einer Behörde keinen Anspruch hätten, „vom | |
Publikumsverkehr und von der Möglichkeit, postalisch oder elektronisch von | |
außen mit ihm Kontakt aufzunehmen, abgeschirmt zu werden“. | |
Für Katrin Demedts, Sprecherin des Jobcenter Bremens, hat es praktische | |
Gründe, die Durchwahlen zu verheimlichen: Es störe die Beratungsgespräche, | |
wenn ständig jemand anriefe. Auch datenschutzrechtliche sei es bedenklich, | |
im Beisein Dritter telefonieren zu müssen. Viele MitarbeiterInnen seien | |
außerdem über Email erreichbar. | |
9 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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