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# taz.de -- 25 Jahre Rote Flora in Hamburg: Die Botschaft steht
> Seit 25 Jahren ist das autonome Hamburger Stadtzentrum besetzt. Nun ist
> die Rote Flora wieder im Besitz der Stadt. Doch die Geschichte bleibt und
> lebt.
Bild: Die Rote Flora im Jahr 2011.
HAMBURG taz | Als am trüben und nebligen Morgen des 1. Novembers 1989 die
Aktivisten des selbstorganisierten Stadtteilzentrums vor den Gemäuern des
ehemaligen Varieté-Theaters Flora im Hamburger Schanzenviertel ausharren,
ist die Zuversicht eher gering. „Sie werden uns räumen, so ticken die Sozis
seit Jahren“, sagte Aktivist Hans-Martin Kühnel. Noch eine
Häuserkampf-Niederlage wie in der Hafenstraße würden die Verantwortlichen
nicht zulassen, fügte Aktivistin Stephanie Klein hinzu. Sie war sich
sicher: „Für die Spezialdemokraten und ihre Stadtentwicklungspolitik sind
wir das Feindbild Nummer eins“. 25 Jahre später h[1][at die Stadt das
besetzte Gebäude am Schulterblatt 71 in der Schanze zurückgekauft] – die
Rote Flora bleibt.
Die ganze Nacht über hatten am 31. Oktober damals die Aktivisten darüber
diskutiert, was am Morgen des 1. November 1989 passieren sollte. Monate
zuvor war den zukünftigen Rotfloristen das zuletzt vom Kaufhaus „1000
Töpfe“ genutzte Gebäude von der Stadt zur vorläufigen Nutzung überlassen
worden, nachdem sie den Kommerz-Musical-Papst Felix Kurz und sein „Phantom
der Oper“ durch zahlreiche Aktionen in die Flucht schlagen konnten. Keine
Umstrukturierung des Viertels war die Botschaft. Die Entscheidung in der
Nacht war klar: Das Gebäude wird für besetzt erklärt und das autonome
Zentrum Rote Flora ausgerufen.
Der Polizeieinsatz zur Räumung bleibt am 1. November 1989 aus. „Es ist
immer ein Balanceakt für eine Stadtregierung, die Rechtsstaatlichkeit und
Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten hat, ob sie Recht und Ordnung mit
Gewalt durchsetzen kann, wenn sie befürchten muss, dass es dabei Tote geben
könnte, das war bei der Hafenstraße damals auch so,“ sagt heute der
damalige SPD-Bürgermeister Henning Voscherau. Er hatte seinen Vorgänger
Klaus von Dohnanyi wegen seines Deals mit Hausbesetzerinnen in der
Hafenstraße in die Wüste geschickt. Der nämlich hatte während der
[2][Barrikaden-Tage] sein Ehrenwort gegeben, dass es zu einer
Vertragslösung kommt.
Doch das war nur ein Aspekt. Denn die Rotfloristen hatten mit ihren
Aktionen gegen die Umstrukturierung des Viertel und die Ansiedlung des
Phantom-Musicals im Quartier „Schanze“ den Nerv getroffen. Das
Schanzenviertel war damals ein gemütlich gewachsener Stadtteil. Die Leute
arbeiteten im Hafen oder direkt bei der ansässigen Gewürzfabrik Hermann
Laue oder dem Schreiber-Hersteller Montblanc. Es gab eine Infrastruktur für
jedermann, mit kleinen Läden oder Nischen für studentische
Wohngemeinschaften zu erschwinglichen Mieten - nicht zuletzt, weil
Etagenklos noch der Standard waren. Die Gastronomie im Viertel war ruhig,
gemütlich und erschwinglich. Yuppie-Kneipen wie das „Pickenpack“ am Rande
des Quartiers waren die Ausnahme.
## Negative Entwicklung
Eine negative Entwicklung des Quartiers erkannte auch frühzeitig der
zuständige Altonaer Bezirksamtsleiter Hans-Peter Strenge (SPD). Er wurde
zum Protagonisten der Roten Flora. Nicht nur, weil er am 1. November keinen
Strafantrag zur Räumung der Flora stellte. Er moderierte auch von
staatlicher Seite aus ein Flora-Plenum, auf dem 1992 die linke
SPD-Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller die Unterbringung einer Kita
im Flora-Gebäude durchsetzen sollte. Sie musste wegen der Stasi-Affäre
ihres Mannes zurücktreten. Die staatlichen Ambitionen, außergenommen vom
Einsatz von Polizeispitzeln, rückten aber in den folgenden Jahren in den
Hintergrund.
Auch Strenge war es, mittlerweile Staatsrat in der Justizbehörde, der dem
rot-grünen Senat 2001 eine Verschnaufpause verschaffte, als der
Rechtspopulist Ronald Schill und die CDU das Thema rechtsfreie Räume Rote
Flora zum Wahlkampfhit machen wollten. Er zauberte den Eventmanager
Klausmartin Kretschmer als Investor aus dem Hut, dem das Areal für 370.000
Deutsche Mark überlassen wurde. Bedingung: Die Rote Flora bleibt
Kulturzentrum.
Doch die Gentrifizierung der Schanze war nur zu bremsen, nicht aufzuhalten.
Nach zehn Jahren erkannte auch Kretschmer, dass mit dem Areal kurzfristig
viel Geld zu machen ist. Heute ist das Schulterblatt gegenüber der Roten
Flora ein Boulevard, der in linken Kreisen gern der „Ballermann“ der
Schanze genannt wird. Kretschmer drohte mit Räumungsszenarien, um das Areal
zusammen mit US-Immobilien-Firmen zum Konzertzentrum ausbauen zu können.
Der SPD Senat wollte ihn wegen Vertragsbruch verklagen, Kretschmers
Insolvenz kam zuvor. Und Insolvenzverwalter wurde der SPD-Vize Landeschef
Nils Weiland, der nun der Stadt die Rote Flora für 820.000 Euro
zurückgegeben hat.
Somit ist die Rote Flora weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Stadt und
wird sogar in der Tourismus-Werbung als Muss-Sehenswürdigkeit in der
Schanze angepriesen.
1 Nov 2014
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## AUTOREN
Kai von Appen
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