# taz.de -- Dreister Klau im KZ Dachau: Wo das Tor war, ist ein Loch | |
> In Dachau ist das „Arbeit macht frei“-Tor gestohlen worden. Jetzt denkt | |
> man in den NS-Gedenkstätten über Videoüberwachung nach. | |
Bild: Da fehlt jetzt was. | |
DACHAU taz | Sie war aus Schmiedeeisen, zwei Meter hoch, ein Meter breit. | |
Und wo sie war, ist nun ein Loch. Ein rechteckiges Loch in der Mitte des | |
vergitterten Tors am Eingang der Gedenkstätte Dachau bei München. Hier | |
befand sich bis letzten Sonntag die Tür mit dem Schriftzug „Arbeit macht | |
frei“. Der Großteil der 200.000 Häftlinge, die zwischen 1933 und 1945 in | |
Dachau inhaftiert waren, lasen den zynischen Willkommensgruß bei ihrer | |
Ankunft. Über 41.000 starben, Tausende von ihnen „durch Arbeit“. Der | |
Schriftzug als Symbol ihres Leidensweges ist jetzt in den Händen der Diebe, | |
dem Gedenken entrissen. | |
Der erste und schwerste Angriff auf die Gedenkstätte trifft „den Ort ins | |
Mark“, sagt Gabriele Hammermann, Leiterin des Erinnerungsortes Dachau. Ganz | |
in Schwarz steht sie vor dem schmiedeeisernen Tor am Tatort. Neben ihr der | |
bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Die „Attacke“ sei eine „perfide | |
Form, die Gedenkstätte zu besudeln“, sagt er. | |
Ein paar Meter weiter eine Schulgruppe aus Cham. „Was die mit der Tür | |
wollen?“, fragt sich ein Mädchen. Max Mannheimer überlebte das KZ Dachau | |
und ist Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees. Er ist entsetzt, | |
dass „anscheinend Nazis“ das Andenken an die Ermordeten „schänden“. | |
Für solche Schlussfolgerungen ist es dem grün uniformierten Leiter der | |
Polizeiinspektion Dachau, Thomas Rauscher, zu früh. Bei der Gedenkstätte | |
sind ein paar Hinweise von Anwohnern eingegangen, doch einen | |
rechtsradikalen Hintergrund hätten diese noch nicht ergeben. Möglich sei | |
auch, dass ein Sammler sich ein „Souvenir“ mitnehmen wollte. | |
## Es waren mehrere Täter | |
Sicher ist nur, dass es sich wohl um mehrere Täter handeln muss, allein | |
schon wegen des Gewichts der Tür. Leiterin Hammermann spricht von einer | |
„erheblichen kriminellen Energie“. Allzu schwierig scheint es allerdings | |
für die Diebe nicht gewesen zu sein, „das geistige Herz“ der Gedenkstätte | |
zu entwenden. Sie mussten nur über einen etwa zwei Meter hohen | |
Maschendrahtzaun klettern und die Tür „aushebeln“. | |
Das Sicherheitskonzept solle nun laut Kultusminister Spaenle „analysiert“ | |
werden. Bis jetzt fuhren zwei Wachleute etwa siebenmal in der Nacht | |
Streife. Ein polnischer Journalist lässt seinen Blick über den Appellplatz, | |
die Außenmauern und die hölzernen Sicherheitstürme streifen. „Keine | |
Videoüberwachung“, sagt er und schüttelt den Kopf. In Polen wurde Ende 2009 | |
aus der Gedenkstätte Auschwitz ebenfalls der Schriftzug „Arbeit macht frei“ | |
gestohlen. Ein als Rechtsextremist bekannter Schwede wurde später zu knapp | |
drei Jahren Haft verurteilt. | |
In Deutschland sind alle Gedenkstätten übereingekommen, aus den | |
Erinnerungsorten „keinen Hochsicherheitstrakt“ zu machen. Eine | |
Videoüberwachung schließt Hammermann nach dem Diebstahl aber nicht mehr | |
aus. | |
3 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Lisa Schnell | |
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