Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: „Er ist mir unheimlich!“
> Das Wahrheit-Interview: Das Hausgespenst vom Schloss Bellevue über seinen
> Clinch mit dem Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Bild: Schlossherr Gauck nebst Anhang vor seinem Berliner Amtssitz.
Im Amtssitz des Bundespräsidenten spukt seit Ewigkeiten ein Gespenst. Doch
an Joachim Gauck beißt es sich die Zähne aus. Ein Wahrheit-Gespräch über
das unselige Erbe der DDR, „Tote Oma“ und die Anfänge von Techno.
taz: Als Schlossgespenst von Bellevue kennen Sie das Staatsoberhaupt von
seiner privatesten Seite. Was ist Joachim Gauck daheim für ein Mensch?
Schlossgespenst: Soll ich ehrlich sein? Ein schrecklicher Mensch. Gerade
nachts, wenn er einen erfolgreichen Tag hinter sich hatte und wieder
irgendeine Debatte anstoßen konnte, platzt er regelrecht vor Zufriedenheit,
vor Behaglichkeit, vor Jovialität. Es jagt mir immer wieder Schauder des
Entsetzens den Rücken hinab.
Wie war Ihre erste Begegnung?
Zur Geisterstunde am Tag seines Einzugs bin ich mit meinem Kerkerzubehör
ins Kaminzimmer gekommen, ganz standardmäßig. Er saß da und quatschte seine
Freundin Daniela voll. Kaum hörte er meine rasselnden Ketten, stürzte er
sich verzückt auf mich und hielt mir eine endlose Predigt über Freiheit und
die Stasi, über Hohenschönhausen und Bautzen – das ganze Zeug. Mir standen
die Haare zu Berge.
Er hat sich nicht gegruselt?
Im Gegenteil. Während ich mit meinen Knochen und Totenschädeln Kegeln
spielte, ließ er sich glucksend ins Sofa plumpsen und erzählte eine
grauenerregende Geschichte aus der Wendezeit. Es folgten reihenweise
Anekdoten über Mut, Gemeinsinn und lange Oppositionsnächte voller Lachen
und ungarischem Rotwein, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Ich bin schreiend weggerannt.
Danach haben Sie sich gewiss was Besseres einfallen lassen?
Dachte ich. Beim zwölften Schlag der Turmuhr ließ ich Blut die Wände
hinunterrinnen und Gedärm durch den Kamin fallen. Aber Gauck hat nur
getönt, dass nicht alles in der DDR schlecht gewesen sei. So habe er immer
gerne Tote Oma gegessen. Mit Kartoffeln und Sauerkraut.
Tote? Oma?
Ja, so eine Traditionsspeise aus Grütz- oder Blutwurst. Er hielt mich am
Unterarm fest, wie er es so macht, wenn er eindringlich werden will,
schwelgte in Erinnerungen an die Gerichte und die Gerichtsbarkeit der DDR
und redete bis zum Morgengrauen durch. Selbst als er längst eingeschlafen
war, machte sein Mundwerk keine Pause. Ich hatte Glück. In letzter Sekunde,
kurz vor dem ersten Sonnenstrahl, konnte ich entwischen, als er sich im
Traum vor lauter Rührung selbst umarmte.
Ist nicht die DDR sein ganz persönliches Schreckgespenst?
Dachte ich auch. Von wegen „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst
des Kommunismus“, nicht wahr? Damit kannst du einen beinharten
Antikommunisten wie Gauck nicht schocken. Er weiß ja, wie es endete, und
rechnet sich das als persönliches Verdienst an. Einmal bin ich ihm als
Stasi-Offizier erschienen. Da setzte es eine Extraportion Mahnungen und
Warnungen, und er zwang mich, einen vollen Teller Tote Oma zu probieren.
Was sagen Sie zu seinen politischen Interventionen? Neulich hat er mehr
Kriegseinsätze im Ausland gefordert, aktuell steht seine Kritik an
Rot-Rot-Grün in Thüringen unter Beschuss.
Einerseits ist das alles ganz furchtbar, andererseits ist er dann abends
nicht so oft zu Hause, sondern bei irgendwelchen Podiumsdiskussionen. Ich
muss sagen: Der Mann hat mich wirklich das Fürchten gelehrt. Mich! Der ich
bei Hunderten von früheren Schlossbewohnern für weißes Haar und Einweisung
in die Nervenklinik gesorgt habe.
Schon mal an Umzug gedacht?
Ist nicht so einfach für ein Schlossgespenst. Außerdem weigern sich die
meisten Umzugsunternehmen, in tiefster Nacht umzuziehen. Seit einem
Horrorerlebnis im Sommer versuche ich, ihm aus dem Weg zu gehen. Damals
habe ich überlegt, alles hinzuschmeißen. In irgendeine Geisterstadt zu
ziehen und umzuschulen zum Geisterfahrer.
Was war da los?
Ich sah ihn nachts im Arbeitszimmer vor dem Spiegel tanzen – also raven, er
steht total auf Techno. Dazu führte er unheimliche Selbstgespräche.
Wie bitte?
Er zappelte da so rum wie ein Wilder und lobte sich dabei lautstark. Ohne
ihn und seine Wiedervereinigung, shoutete er begeistert, hätte es keine
Ravewelle gegeben, kein Techno, keine Loveparade. Er muss damals ein
Doppelleben geführt haben. Hat die Nächte in den Clubs Ostberlins
durchgefeiert, wie er sich beglückt zubrüllte, und sogar eine Weile unter
falschem Namen im Tresor aufgelegt. Angeblich sind die darauf alle total
abgegangen. Selbst wenn er dabei seine endlosen Reden hielt über Freiheit
und staatsbürgerliche Wachsamkeit.
Das haben die sich angehört?
Nein, die Musik war wohl lauter. Aber er war immer superhappy mit sich und
stolz darauf, nicht geschwiegen zu haben.
Nicht zu Unrecht?
Genau. Nicht zu Unrecht und auch nicht zu Mauer, Schießbefehl und
Verkehrsunfall.
Verkehrsunfall?
Ein anderer Name für Tote Oma.
Verehrtes Schlossgespenst. Wir danken Ihnen für das Gespräch.
7 Nov 2014
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Joachim Gauck
Schloss Bellevue
Geheimdienst
Helene Fischer
Luxemburg
Schwerpunkt AfD
Der Spiegel
Deutsche Bahn
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Pakt mit dem Teleteufel
Skandal: Die Geheimdienste haben mit den Netzbetreibern kooperiert. Und
dafür zahlten die Schlapphüte einen hohen Preis.
Die Wahrheit: Gerechtigkeit für Helene Fischer
Das sind die Folgen der Gerüchte: Die tendenziöse Berichterstattung der
Medien über die große Sängerin fällt auf sie selbst zurück.
Die Wahrheit: Die Gallenblase Europas
Willkommen in Luxemburg, einer wahren Wellness-Oase für sparsame
Superreiche und steuergeizige Weltkonzerne.
Die Wahrheit: Der Dschihad der AfD
Blutjunge Syrer und Iraker unterwandern die dubiose Terrorgruppe, die
bereits weite Teile der neuen Bundesländer eingenommen hat.
Die Wahrheit: Wolle hat die Faxen dicke
Der Machtkampf beim „Spiegel“ spitzt sich zu - nicht nur Wolfgang „Wolle�…
Büchners wallendes Haar ist in Unordnung geraten...
Die Wahrheit: Hass am Zug
Die Bahn kitzelt die Menschlichkeit in uns Fahrgästen heraus. Denn von
diesem schockgefrosteten Konzern sollten wir nichts erwarten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.