| # taz.de -- Pro & Contra GDL-Streik: Spinnen die Lokführer? | |
| > Die GDL streikt vier Tage lang, obwohl die Bahn ein Angebot für | |
| > verbesserte Arbeitsbedingungen vorgelegt hat. Ist der Streik | |
| > gerechtfertigt? | |
| Bild: Geht es für die GDL durch den Streik treppauf- oder treppab? Verwaister … | |
| Pro: Der Streik ist nur GDL-Mitgliederwerbung | |
| Vier Tage lang will die Lokführergewerkschaft GDL weite Teile des | |
| Schienenverkehrs lahmlegen. Das trifft nicht nur Millionen Berufspendler | |
| und Tausende Unternehmen, sondern auch Touristen und Ausflügler. Zudem | |
| leiden Auto- und Lkw-Fahrer unter den vielen Staus, die durch | |
| Ausweichverkehr entstehen. Eine Gewerkschaft, die diesen | |
| Verkehrsausnahmezustand verursacht, sollte gute Gründe dafür haben. Hat die | |
| GDL aber nicht. | |
| Auf dem Tisch liegt ein Angebot der bundeseigenen Deutschen Bahn AG für die | |
| Lokführer: 5 Prozent mehr Lohn, 2 Stunden weniger Arbeit pro Woche; das | |
| ergibt rechnerisch ein Gehaltsplus von mehr als 10 Prozent. Millionen | |
| Arbeitnehmer, die mit ihren Steuern die Bahn subventionieren, wären froh, | |
| wenn sie das bekämen. | |
| Aber der im Beamtenbund organisierten GDL reicht das nicht. Sie will die | |
| Verhandlungsmacht für weitere Berufsgruppen – in unverblümter Konkurrenz zu | |
| einer DGB-Gewerkschaft. Dabei vertritt die GDL nach eigenen Angaben nicht | |
| einmal jeden dritten Zugbegleiter. Dennoch will sie für diese Berufsgruppe | |
| allein Tarifverträge abschließen, mit dem Argument, sie repräsentiere ja | |
| Angehörige dieser Berufsgruppe. Mit dem gleichen Argument könnte sie | |
| Vertretungsanspruch erheben, sobald sie nur einen Angehörigen einer | |
| Berufsgruppe unter ihren Fittichen hat. Möchte vielleicht ein | |
| DB-Lohnbuchhalter zur Lokführergewerkschaft wechseln? | |
| Die GDL, die sich so kämpferisch gibt, missachtet mit ihrem Vorgehen | |
| bewusst zwei Grundprinzipien der Gewerkschaftsbewegung. Erstens: „Gleicher | |
| Lohn für gleiche Arbeit“, und zweitens: „Gemeinsam sind wir stark“. Statt | |
| im Betrieb und mit anderen Gewerkschaften Mehrheiten für die eigenen | |
| Positionen zu suchen, will sich die GDL auf Kosten der anderen profilieren. | |
| Letztlich schwächt diese Konkurrenz der Gewerkschaften die Kampfkraft der | |
| Arbeitnehmer insgesamt; damit sinken die Chancen, für alle im Betrieb | |
| ordentliche Tarifabschlüsse zu erzielen. Daran ändert auch die Tatsache | |
| nichts, dass sich bei der Bahn in der Vergangenheit mancher | |
| Gewerkschaftsfunktionär nicht gerade mit Ruhm bekleckerte. | |
| Fakt ist: Schaffner haben bessere Arbeitsbedingungen verdient – wie viele | |
| andere Bahnbeschäftigte auch. Aber dieser Streik ist nichts weiter als eine | |
| organisationsegoistische Mitgliederwerbung der GDL – und die rechtfertigt | |
| nicht die nachhaltige Schädigung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs, | |
| die dadurch entsteht. RICHARD ROTHER | |
| Kontra: Es gibt ein Recht auf Streik | |
| Claus Weselsky ist leider ein schlechter Kommunikator. Zu bürokratisch die | |
| Sätze, zu unverständlich die Begriffe, die er verwendet. Dabei müsste | |
| Weselsky, wenn er für den Streik werben wollte, nur kurz und knapp | |
| Folgendes sagen: | |
| „Sie alle kennen die Deutsche Bahn: Schlechter Service, Unfreundlichkeit, | |
| Verspätungen, hohe Preise. Die Bahn kann sich all das erlauben, weil sie | |
| quasi Monopolist ist. Nur das Aufknacken des Monopols hilft: Erst seitdem | |
| Busse zwischen den Großstädten unterwegs sind, steigen die Bahnpreise im | |
| Fernverkehr nicht mehr. | |
| Und Sie kennen die DGB-Gewerkschaften. Die sind ebenfalls in zahlreichen | |
| Branchen konkurrenzlos und oft so träge geworden, wie es Monopolisten eben | |
| für gewöhnlich sind. Noch schlimmer war es bei Transnet, einer der beiden | |
| Vorgänger der heutigen DGB-Eisenbahnergewerkschaft EVG. Ihr langjähriger | |
| Chef Norbert Hansen befürwortete nicht nur eine Bahnprivatisierung, die für | |
| die Beschäftigten erhebliche Nachteile mit sich gebracht hätte, sondern | |
| ließ sich zum Schluss auch noch von der Deutschen Bahn für einen gut | |
| bezahlten Vorstandsposten kaufen. Viele Transnet-Mitglieder wechselten | |
| deshalb zu uns - und erwarten deshalb natürlich, dass jetzt wir und nicht | |
| die EVG einen Tarifvertrag für sie aushandeln. | |
| Wirklich gute Abschlüsse haben in den letzten Jahren nur | |
| Branchengewerkschaften wie die Pilotenorganisation Cockpit, die | |
| Ärztevereinigung Marburger Bund und eben die GDL für ihre Beschäftigten | |
| herausgeholt. | |
| Aber vielleicht nicht zu Unrecht wirft man Cockpit und dem Marburger Bund | |
| vor, nur für ohnehin privilegierte Berufsgruppen zu streiken. Wir von der | |
| GDL tun das nicht, wir kämpfen jetzt auch für die besonders schlecht | |
| entlohnte Berufsgruppe der Zugbegleiter. Die Deutsche Bahn und die | |
| DGB-Gewerkschaft EVG wollen das nicht. | |
| Und wir kämpfen für Sie alle. Denn erst wenn es auch in anderen Branchen | |
| Konkurrenz zu Monopolgewerkschaften gibt, werden die Arbeitnehmer mehr | |
| herausholen können. Konkurrenz tut gut. Das gilt in der Wirtschaft, das | |
| gilt genauso für Gewerkschaften. | |
| Aber auch wenn Sie unsere Ziele nicht teilen, bedenken Sie bitte: Es gibt | |
| ein grundgesetzlich garantiertes Recht auf Streik. Daran sollten wir uns | |
| alle gerade jetzt am 9. November erinnern - dem Tag, an dem vor 25 Jahren | |
| ein Land unterging, das nur Monopole und keine Streiks kannte.“ MARTIN REH | |
| 6 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Richard Rother | |
| Martin Reeh | |
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