# taz.de -- Klimawandel lässt Gämsen schrumpfen: Immer kleiner, jeden Tag ein… | |
> Weil es in den Alpen wärmer wird, dösen die Bergtiere länger als früher. | |
> Und fressen weniger. Das führt dazu, dass die Tiere weniger groß werden. | |
Bild: Oje, schon wieder etwas kleiner: Vier Kilo haben die Tiere in den vergang… | |
NÜRNBERG taz | Gämsen in den Alpen haben in den vergangenen dreißig Jahren | |
deutlich an Gewicht verloren. Schuld daran ist möglicherweise auch der | |
Klimawandel. Das ist die Schlussfolgerung einer Studie von Wissenschaftlern | |
der Universitäten Durham (Großbritannien) und Sassari (Italien). | |
Tom H. E. Mason, Biologe an der Universität Durham, und seine Kollegen | |
werteten Gewichtsdaten von über 10.000 geschossenen Gämsen aus den Jahren | |
von 1980 bis 2010 aus. Das Ergebnis: In den drei untersuchten italienischen | |
Alpenregionen sind vor allem die männlichen Tiere um bis zu 4 Kilogramm | |
leichter geworden. War 1980 ein Gewicht von 20 Kilogramm üblich, waren es | |
2010 nur noch 16 Kilo. | |
Die Autoren der Studie führen das auf zwei Ursachen zurück: Zum einen sei | |
die Zahl der Tiere wegen neuer Jagdverbote stark gewachsen. Dadurch steige | |
der Wettbewerb um Nahrung, weshalb es pro Tier weniger zu fressen gebe. Zum | |
anderen sei in den untersuchten Gebieten durch den Klimawandel die | |
Temperatur in der Wachstumssaison gestiegen. | |
Eine ähnliche Verbindung zwischen Klimaerwärmung und Rückgang der Größe | |
haben Forscher auch schon zum Beispiel bei Amphibien, Fischen und | |
Hausschafen hergestellt. In vielen dieser Fälle veränderte das wärmere | |
Klima das Pflanzenwachstum und damit die verfügbare Nahrung. Das geringere | |
Nahrungsangebot führte dann dazu, dass die Tiere weniger groß werden. | |
## Verminderte Nahrungsaufnahme bei Hitze | |
Im Fall der Gämsen habe sich in der relevanten Pflanzenwelt aber nichts | |
verändert, heißt es in der neuen Studie. Die Gewichtsabnahme führen die | |
Forscher deshalb auf verminderte Nahrungsaufnahme bei Hitze zurück: Durch | |
weniger Bewegung halten die Tiere ihre Körpertemperatur konstant, wenn es | |
draußen wärmer als 15 oder 20 Grad wird. | |
Sollten die Gämsen weiter schrumpfen, könnte das tiefgreifende Folgen für | |
das Funktionieren und die Produktivität des Ökosystems haben, schreiben die | |
Biologen. Denn gleichzeitig wächst die Zahl der Tiere, weil das | |
Nahrungsangebot für mehr Gämsen reicht, wenn jede weniger frisst. Magnus | |
Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht dieses | |
Problem nicht. „Dass die Tiere kleiner werden, ist kein Grund, eine | |
Gämsenschwemme zu befürchten“, erklärt er: „Kleinere, magere Tiere sind | |
viel anfälliger für harte Winter.“ | |
Diese natürliche Reduzierung der Population halten auch Mason und seine | |
Kollegen für möglich. Trotzdem schlagen sie noch eine andere Lösung vor: | |
Der für das Ökosystem potenziell negative Effekt des Klimawandels könne | |
durch höhere Abschussraten ausgeglichen werden. | |
„Sinnvoller wäre es, das natürliche Geschehen im gestörten Ökosystem Alpen | |
wiederherzustellen. Dazu müsste man die natürliche Einwanderung oder im | |
Einzelfall sogar die Wiederansiedlung von Wolf, Bär und Luchs unterstützen | |
sowie Adler und Geier zulassen“, sagt Wessel. „Der Jäger hat im | |
Zweifelsfall einen schlechteren Blick für die Fitness eines Tieres als das | |
Raubtier.“ | |
13 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Esther Widmann | |
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