Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Das Kind war leer
> Als das Flugzeug in Manchester landete, fiel uns wieder ein, warum wir
> Paula und ihre Familie jahrelang gemieden hatten.
Als das Flugzeug in Manchester landete, fiel uns wieder ein, warum wir
Paula und ihre Familie jahrelang gemieden hatten. Seit Paula einen Sohn
bekommen hatte, verliefen die Besuche monothematisch. Nun sei er fast drei,
meinte Áine beruhigend. Wahrscheinlich gehen sie mit Charles längst
entspannter um.
Wir begruben diese Hoffnung, als man uns vor der Begrüßung eine Dose
Desinfektionspaste reichte, mit der wir unsere Hände einreiben mussten.
„Wir kommen aus Irland, nicht aus Westafrika“, sagte ich laut und deutlich,
da die anderen Fluggäste uns für potenzielle Ebola-Überträger hielten, wie
ihr Fluchtverhalten zeigte.
Als wir bei Paulas und Davids Haus ankamen, mussten wir uns die Schuhe
ausziehen – und zwar draußen. Sie könnten über Nacht geklaut werden, sagte
ich. Paula blickte mitleidig auf meine alten Treter und meinte: „Wer soll
die denn stehlen?“
Paula und David hielten für Besucher Filzpantoffeln bereit, die ebenso wie
wir streng nach Desinfektionsmittel rochen. In jedem Raum hing eine Art
Seifenspender mit dem Mittel. Ich als Raucher durfte mich dem Kind aber
ohnehin nicht auf weniger als fünf Meter nähern, selbst wenn ich mir den
Mund mit Desinfektionsmittel ausgespült hatte.
Dann fragte David, ob wir mit ihm und Charles spazieren gehen wollten. Wir
willigten ein, aber der Abmarsch verzögerte sich. Erst mussten allerlei
Utensilien gepackt werden, darunter ein Nachttopf mit Spezialeinlage, der
das Urin aufsog. „Ich dachte, wir gehen in den Park“, meinte ich. „Gibt�…
da keine Bäume?“ Paula sah mich an, als ob ich vorgeschlagen hätte, Charles
in der Savanne auszusetzen.
Als wir an einem Café vorbeikamen, beschlossen Áine und ich, einen Tee zu
trinken und den beiden zum Spielplatz zu folgen. Das ginge nicht, bedauerte
David, Charles dürfe nie mit nur einer Person unterwegs sein, denn die
könnte ja von einem Blitz getroffen werden. Ob das in dieser Gegend
häufiger vorkomme, wollte ich wissen, doch David überging meine Frage.
Dieselben Vorsichtsmaßnahmen wurden beim abendlichen Bad ergriffen. Paula
stieg mit Charles in die Wanne, während David auf dem Rand saß, jederzeit
bereit, Charles zu retten, falls Paula plötzlich ertrinken sollte.
Als wir zurück im Haus waren, fand ich eine Zwei-Pence-Münze im
Kinderwagen. Ich gab sie Paula, bereute es jedoch sofort, denn sie verfiel
in Panik. Wo ein Geldstück gelegen habe, könnten auch zwei gelegen haben,
mutmaßte sie. Charles habe die zweite Münze vermutlich verschluckt.
Sie packte Charles und David ins Auto und fuhr ins Krankenhaus. Natürlich
ergab die Untersuchung nichts, das Kind war leer. Auf der Rückfahrt hielt
Paula dennoch vor einem Laden an, der sich auf Expeditionsreisende
spezialisiert hatte, und kaufte vorsichtshalber einen Metalldetektor, mit
dem Charles fortan vor dem Zubettgehen inspiziert wurde.
Die drei Tage in Manchester kamen uns vor wie ein Monat in einer Anstalt.
„In 15 Jahren ist Charles volljährig“, meinte Áine bei der Abreise. „Da…
besuchen wir sie wieder.“
17 Nov 2014
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kinder
Erziehung
Eltern
Großbritannien
Irland
Irland
Irland
Irland
England
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Die Windsors und das Skelett
In Großbritannien deutet alles darauf hin, dass bald eine gewisse Wendy
Duldig aus London die Queen genealogisch beerben wird.
Die Wahrheit: Die Nullen vom Leinster House
Irlands Regierung ist auf eine grandiose Idee gekommen, wie man die grüne
Insel in ein teures Chaos stürzen kann: Es werden Postleitzahlen
eingeführt.
Die Wahrheit: Unbeleckte Amerikaner
Wenn Touristen von ihrem Reisebüro Geld zurückfordern, weil sie in Irland
keinen Leprechaun gesehen haben, dann müssen es Amis sein.
Die Wahrheit: Zollstock statt Schlagstock
Dass irische Politiker korrupt sind, weiß jeder auf der grünen Insel. Dass
sie auch massiv Steuern hinterziehen, hätte man sich denken können.
Die Wahrheit: Die erfundene Straße
Touristen irren in Irland auf der marketingtechnisch seit neuestem voll
ausgeschlachteten 2.500 Kilometer langen Küstenstraße ihrem Schicksal
entgegen.
Die Wahrheit: Sex mit Wirbeltieren
Was ist der Unterschied zwischen Engländern und Schotten? Die einen haben
Sex nur mit Heizdecken, die anderen haben ihn erfunden.
Die Wahrheit: Der rechte Fuß des Unsichtbaren
Auf der grünen Insel wird ein Fußballer gefeiert, den alle schon
abgeschrieben hatten. Bis die deutsche Ersatzelf kam.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.