# taz.de -- Einwanderungspolitik in den USA: Die Macht des Dekrets | |
> Im Alleingang beschließt Barack Obama, Immigranten für drei Jahre Papiere | |
> zu geben. Was danach kommt, ist unklar. Die Republikaner laufen Sturm. | |
Bild: Beten hilft vielleicht kurzfristig, langfristig ist eine andere Politik v… | |
WASHINGTON taz | „Wir sind ein Land von Einwanderern“, sagt Barack Obama, | |
als er am Donnerstag Abend seine neue Einwanderungspolitik vorstellt: „Wir | |
waren alle einmal Fremde“. | |
Er will jenen Menschen, die mindestens fünf Jahre im Land leben und deren | |
Kinder entweder in den USA geboren sind oder langfristige | |
Aufenthaltsgenehmigungen haben, für drei Jahre Papiere geben. Weil der | |
Kongress ihm die lang erwartete Reform verweigert hat, geht er im | |
Alleingang vor. Er tut es per Dekret. | |
Der Präsident erinnert daran, dass die Einwanderungspolitik der USA seit | |
Jahrzehnten „kaputt“ ist und alle politischen Seiten das vielfach erkannt | |
und benannt haben. Er bedauert, dass der Kongress bislang unfähig war, zu | |
agieren. Und er greift Punkt für Punkt Themen auf, die den Republikanern | |
wichtig sind. | |
Zitiert aus der Bibel, beruft sich auf die frühen Siedler in den USA, | |
erzählt Erfolgeschichten einer „jungen, dynamischen, unternehmerischen | |
Gesellschaft“, beschreibt die Wichtigkeit der Familie in der Gesellschaft | |
und würdigt ausführlich seinen Amtsvorgänger George W. Bush, der mit einem | |
ganz ähnlichen einwanderungspolitischen Vorhaben an seiner eigenen Partei | |
gescheitert ist. | |
Dennoch reagieren einzelne Republikaner mit dem erwartungsgemäßen Schaum | |
vor dem Mund. Der kalifornische Kongressabgeordnete Issa Darrell nennt den | |
präsidenziellen Alleingang „verfassungswidrig“. | |
## Weder König, noch Kaiser | |
Der künftige starke Mann im Senat, der Republikaner Mitch McConnell, hat | |
gewarnt, dass der Präsident den Schritt „bereuen wird“. Aus dem | |
Repräsentantenhaus sagt Sprecher John Boehner: „Er ist nicht unser König | |
oder Kaiser“. Und dazu kommen offene Drohungen von Abgeordneten mit einem | |
Amtsenthebungsverfahren und mit einem neuen „Shutoff“ der Regierung. | |
Wenn ihnen der künftige Haushaltsplan vorgelegt wird, wollen sie wieder | |
blockieren. Eine republikanische Kandidatin auf die Staatspräsidentschaft, | |
Michele Bachmann, warnt offen rassistisch vor „analphabetischen | |
ausländischen Wählern bei den nächsten Präsidentschaftswahlen“. | |
Doch aus der republikanischen Partei kommen auch andere Töne. Die Partei | |
hat zwar gerade haushoch die Halbzeitwahlen gewonnen – und kontrolliert ab | |
Januar beide Kammern des Kongresses. Aber die Wahlbeteiligung war mit unter | |
37 Prozent an einem historischen Tiefstand. | |
Und es ist klar, dass die Partei künftige Präsidentschaftswahlen nur | |
gewinnen kann, wenn sie es schafft, die am schnellsten wachsende | |
Wählergruppe im Lande zu überzeugen: die Hispanics. Radikal-rechte | |
Hardliner, aber auch der letzte republikanische Präsidentschaftskandidat | |
Mitt Romney, der „Selbstdeportationen“ vorschlug, haben diese Wähler | |
verärgert. | |
## Der Abschiebe-Champion | |
Im vergangenen Jahr haben Republikaner im Senat zwar versucht, die Wähler | |
zu besänftigen und gemeinsam mit demokratischen Abgeordneten eine | |
Einwanderungsreform vorgelegt, die weit umfassender war, als Obamas Dekret. | |
Doch ihr Gesetz versandete in dem – schon damals mehrheitlich | |
republikanischen - Repräsentantenhaus. Das stimmte bis heute nicht darüber | |
ab. | |
Das Hadern mit einer „umfassenden Einwanderungreform“ ragt auch tief in die | |
demokratische Partei hinein. Obama, der das Dekret bereits vor Wochen | |
vorstellen wollte, verschob es aus Rücksicht auf einige konservative und | |
demokratische Kandidaten auf die Zeit nach den Halbzeitwahlen. Viele | |
konservative Bremser verloren ihre Abgeordnetensitze trotz – oder wegen – | |
des Verzichtes auf eine andere Einwanderungspolitik. | |
Nach Regierungsschätzungen leben rund elf Millionen Papierlose in den USA. | |
Tatsächlich dürfte die Zahl um einige Millionen größer sein. Viele von | |
ihnen sind seit Jahren, manche seit Jahrzehnten in den USA. Die Mehrheit | |
stammt aus Lateinamerika. In seinen bisherigen sechs Amtsjahren ist Obama | |
der Abschiebe-Champion unter den US-Präsidenten geworden. | |
## Der Anfang vom Ende | |
Er hat mehr als zwei Millionen Menschen abschieben lassen. Am | |
Donnerstagabend kündigte er an, dass er diese Praxis künftig auf jene | |
konzentrieren will, die „straffällig“ geworden seien, während die anderen | |
sich künftig nicht mehr vestecken müssten und ein normales Familieneben in | |
den USA führen könnten. Als Teil seines Dekretes kündigte er auch eine | |
neuerliche Verstärkung der Südgrenze an. | |
Für Obama und seine beiden letzten Amtsjahre könnte das Dekret ein Anfang | |
sein, dem weitere Alleingängen folgen. Viele seiner Anhänger hoffen, dass | |
er nun auch in anderen lang vernachlässigten Politikbereichen – wie bei der | |
Keystone XL-Pipeline – ähnlich vorgehen wird. | |
Die gegenwärtig aussichtsreichste demokratische Anwärterin auf Obamas | |
Nachfolge, Hillary Clinton, hat das politische Potenzial des Dekrets für | |
ihren eigenen Wahlkampf im Jahr 2016 erkannt. Noch am Donnerstagabend | |
twitterte sie, dass sie diese Politik unterstütze. | |
21 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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