# taz.de -- Pflege zuhause statt im Heim: Vorgetäuschte Eigenständigkeit | |
> Die Bremer Heimstiftung profitiert vom Ambulantisieren ehemals | |
> stationärer Pflegeplätze. Das Geld kommt jedoch nicht allen Heimbewohnern | |
> zu Gute. | |
Bild: Schon seit seiner Eröffnung „ambulantisiert": Das „Interkulturelle W… | |
BREMEN taz | Die Bremer Heimstiftung setzt nicht auf „klassische“ | |
Pflegeheime, sondern auf Wohnformen, bei denen SeniorInnen unterstützt | |
werden, aber eigenständig leben können. | |
Dennoch betreibt sie auch stationäre Bereiche für Pflegebedürftige – | |
zumindest noch: Denn die meisten davon werden jetzt „Pflege-WG‘s“. In | |
Claudia Schillers (Name geändert) Sinn ist das nicht: Sie hat ihre Mutter | |
in einem anderen Heim untergebracht, nachdem deren Pflegeplatz in einer | |
Einrichtung der Heimstiftung „ambulantisiert“ worden ist. | |
„Im Frühjahr erfuhr ich, dass meine Mutter ab Oktober nicht mehr im | |
Pflegeheim, sondern in einer WG wohnen würde“, erzählt Schiller. | |
Hintergrund einer solchen „Ambulantisierung“ ist die im Rahmen der | |
Pflegereform beschlossene bessere finanzielle Unterstützung jener, die | |
Angehörige zu Hause pflegen. Diese Leistungen können aber auch von | |
Einrichtungen wie der Heimstiftung in Anspruch genommen werden. | |
„Der Platz meiner Mutter wurde immer pauschal bezahlt – jetzt sollte er in | |
viele verschiedene Posten aufgeteilt werden“, sagt Schiller. Die waren in | |
mehreren Verträgen aufgeführt: einer für Grundpflege und medizinische | |
Versorgung, ein Betreuungsvertrag für den Tagesablauf und ein Vertrag für | |
sogenannte „Zusatzleistungen“. | |
Diese Abrechnungsmethode spült bis zu 30 Prozent mehr Geld in die Kassen | |
der Heimbetreiber als der Pauschalsatz für stationäre Pflege. „Bei der | |
Heimstiftung hat man das offen gesagt – allerdings auch, dass dafür die | |
Versorgung besser würde“, sagt Schiller. | |
Sie wollte es genau wissen und erfuhr, dass sich für ihre Mutter konkret | |
gar nichts ändern würde, „denn gemeinsames Schnippeln in der WG-Küche | |
interessiert meine Mutter nicht“, so Schiller. | |
„Sie hat ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Strukturen.“ Der | |
Betreuungsvertrag sah drei Mal in der Woche Tagespflege, also | |
Gruppenbeschäftigung wie Seniorengymnastik, vor – ebenfalls uninteressant | |
für die 88-Jährige: „Aber diesen Vertrag muss man unterschreiben, da hat | |
man keine Wahl“, so Schiller. | |
Ihre Eigenbeteiligung würde sich nicht erhöhen, habe man ihr versichert, | |
„aber es gab einen Passus im Vertrag, in dem es recht undurchsichtig hieß, | |
dass zusätzliche Kosten selbst getragen werden müssen“. | |
Ein anderer Punkt sah ein sogenanntes „Platzgeld“ vor, sollte jemand ohne | |
Grund der Tagespflege fern bleiben: „Der Vertrag passte gar nicht zu meiner | |
Mutter, sondern zu Menschen, die tagsüber von außerhalb zur Betreuung | |
kommen“, sagt Schiller. Den Pflegevertrag bekam sie nicht zu Gesicht, „der | |
sollte ganz aktuell vorgelegt werden“. Doch darauf mochte sie nicht mehr | |
warten, sie ließ ihre Mutter in eine anderen Einrichtung umziehen – | |
stationär, wie gewohnt. | |
Dem „Ambulantisierungstrend“ folgen immer mehr Einrichtungen, bestätigt | |
Jörg Hons von der AOK Bremen. Dass Pflege außerhalb von Heimen besser | |
vergütet wird, begrüßt er. „Aber wenn stationäre Einrichtungen plötzlich… | |
WGs werden, ist das schon ein bisschen merkwürdig.“ Für die Kassen bedeute | |
das in jedem Fall Mehrkosten, „was aber nicht bedeuten muss, dass die | |
Betroffenen dadurch irgendwelche Vorteile haben“. | |
„Wir haben ja auch viel Geld investiert und personell aufgestockt“, sagt | |
Antje Sörensen von der Bremer Heimstiftung. So seien | |
BetreuungsassistenInnen, ErgotherapeutInnen und AlltagsbegleiterInnen | |
eingestellt und WG-Küchen und -Aufenthaltsräume gebaut worden: „Das ist | |
richtig schön geworden!“ Das fänden auch die PatientInnen: „Manche brauch… | |
weniger Medikamente und essen besser, weil sie ja auch selber kochen.“ | |
Ihre Mutter, sagt Claudia Schiller, sei vor zehn Jahren freiwillig von | |
einer ambulanten in eine stationäre Einrichtung gewechselt. „Vielleicht | |
hätte sich für sie durch die Ambulantisierung auch nichts geändert und | |
vielleicht wären mir auch keine Mehrkosten entstanden. Aber das war mit | |
alles zu undurchsichtig.“ Darüber hinaus, sagt sie, „finde ich es nicht in | |
Ordnung, die Sozialkassen ohne konkrete Gegenleistung zu schädigen“. | |
21 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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