Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Bolivien: Alle drei Tage ein Mord
> Mehrere Vergewaltigungen Minderjähriger, darunter ein Baby, sorgen in
> Bolivien für Empörung. Dazu kommen entführte und getötete Frauen.
Bild: Protestmarsch in Erinnerung an die Opfer von Gewalt gegen Frauen in La Pa…
LA PAZ taz | Laidy Vásquez heißt das letzte Opfer. Die Vierjährige wurde
vergewaltigt und erdrosselt in einer Lagune nahe Cochabamba gefunden. Ihr
58-jähriger Opa ist laut Polizeiangaben der wichtigste Tatverdächtige.
„Nur der letzte von vielen Fällen, die Bolivien derzeit erschüttern“, sagt
Elizabeth Patiño, Kinderrechtsexpertin des Terre-des-hommes-Büros in
Cochabamba. „Die Zahl der Sexualmorde an Kindern und Jugendlichen ist
alarmierend und derzeit finden fast täglich Demonstrationen von Eltern,
Ärzten oder Sozialarbeitern statt – hier in Cochabamba, aber auch in La
Paz.“
Dort starb am 13. November im Krankenhaus ein acht Monate alter Säugling
aus einem staatlichen Kinderheim, nachdem er brutal vergewaltigt worden
war. Seither behindern Ermittlungspannen die Aufklärung. „Bis heute ist
unklar, wer Óscar Alexander vergewaltigt hat, weil die Polizei und die
Behörden alles andere als planvoll vorgehen“, kritisiert Patiño.
Ein Problem ist, dass qualifizierte Forensiker in Bolivien rar sind. In der
in Sucre, Boliviens Hauptstadt, angesiedelten Institution arbeiten nur vier
Experten, die hoffnungslos überfordert sind. Doch auch bei Polizei und
Ermittlungsbehörden häufen sich die Pannen, weil Staatsanwälte oft nicht
nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch ausgewählt seien, ärgert sich
Patiño.
## Entführungen nehmen zu
Nach offiziellen Daten, die am 19. November veröffentlicht wurden, starben
im letzten Jahr 189 Kinder unter „verdächtigen Umständen“. 75 Prozent der
registrierten Sexualdelikte fanden im „vertrauenswürdigen Umfeld“ wie der
Schule oder eben zu Hause statt – Tendenz ist steigend. Gleiches gilt für
die Zahl von Entführungen von jungen Mädchen und Frauen.
In Cochabamba impfen Mütter wie Marisol Díaz ihren heranwachsenden Töchtern
ein, nicht mehr nach Einbruch der Dunkelheit in Minibusse und Taxis zu
steigen. Die Zahl der Entführungen junger Frauen, die wenig später tot
aufgefunden werden, hat in Bolivien genauso zugenommen wie die Zahl der
Opfer von häuslicher Gewalt. Das belegen die Zahlen des unabhängigen
Informationszentrums zur Entwicklung der Frau (Cidem). In deren Datenbank
sind 157 Frauenmorde zwischen Januar und September 2014 registriert. 32
Morde mehr als im Vorjahr, und es sind die Städte La Paz und Cochabamba,
die die traurige Statistik anführen.
„Bolivien erlebt einen weitgehend unbeachteten Feminizid. Alle drei Tage
stirbt in Bolivien eine Frau. Das ist alarmierend“, mahnt die
Frauenrechtlerin Elizabeth Peredo. Sie hat zu den Präsidentschaftswahlen
vom Oktober mit anderen Frauen die Kampagne „Machistas fuera de la lista“
(Machisten raus aus den Listen) initiiert. Dabei ging es darum, sich
besonders patriarchal und sexistisch gebärdende Politiker öffentlich zu
outen und sie als unwählbar zu deklarieren.
So wie den Bürgermeister von Santa Cruz, Percy Fernández, der vor laufender
Kamera einer neben ihm stehenden Frau an den Hintern fasste und lachte. „So
etwas wird akzeptiert. Die Regierung interveniert nicht“, ärgert sich
Peredo.
## Lange Haftstrafen möglich
Die Psychologin macht die patriarchalen Strukturen dafür verantwortlich,
dass Frauen in Bolivien diskriminiert und als Sexualobjekt angesehen werden
– trotz vieler Fortschritte für Frauen unter der Regierung Morales. Dazu
gehört auch das neue, im März des Jahres verabschiedete Gesetz, welches
Frauen ein Leben frei von Gewalt garantieren soll. Haftstrafen bis zu
dreißig Jahren sind für Frauenmorde und Vergewaltigung seitdem möglich und
auch erstmals verhängt worden.
Doch Strafe ist nur die eine Seite der Medaille. „Mehr Prävention, mehr
Sozialarbeit, mehr Forschung und mehr Haltung ist nötig“, fordert Peredo.
Sie appelliert an die Regierung von Präsident Evo Morales, mit gutem
Beispiel voranzugehen und auch bei Polizei und Armee zu ermitteln. So sei
der Tod einer Kadettin in der Armee-Ausbildung im November 2013 nie richtig
aufgeklärt worden.
Kinderrechtsexpertin Patiño kritisiert, für Prävention, Sozialprogramme und
für Bildung stünden zu wenig Mittel zur Verfügung. Doch schlüssige Konzepte
für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kindern hat die Regierung
bisher nicht zu bieten.
25 Nov 2014
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Bolivien
Sexuelle Gewalt
Evo Morales
Amnesty International
Frauenhaus
sexueller Missbrauch
Sudan
Flirten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Menschenrechte in Algerien: Ehefrau misshandelt, 20 Jahre Knast
Das algerische Parlament beschließt ein Gesetz gegen häusliche Gewalt.
Konservative kritisieren das als Eingriff in die Familie und Verstoß gegen
den Koran.
Tag gegen Gewalt an Frauen: Mangelwirtschaft mit Gewaltopfern
Mehr als die Hälfte der Frauen, die in Deutschland in ein Frauenhaus
wollen, findet dort keine Aufnahme. Und die Politik streitet über die
Kosten.
Sexueller Missbrauch im US-Schwimmen: Akte des Grauens
US-Schwimmerinnen greifen den Verband an, weil Hinweise auf sexuellen
Missbrauch ignoriert werden. Eingeleitete Reformen seien halbherzig.
Massenvergewaltigungen im Sudan: Regierung verbietet UN-Ermittlungen
Haben sudanesische Streitkräfte in einem Dorf 200 Mädchen und Frauen
vergwaltigt? UN und Afrikanische Union wollen das Dorf besuchen – und
dürfen nicht.
Dating-Tipps von Pick Up Artists: Anbaggern oder vergewaltigen?
Gegen die Seminare sogenannter Pick Up Artists formiert sich weltweiter
Protest. Auch in Deutschland wird überlegt, wie man ihnen das Handwerk
legen kann.
Hilfe für Vergewaltigungsopfer: Die Verzweiflung aushalten
Die Soziologin Sibylle Ruschmeier arbeitet seit 17 Jahren beim Hamburger
Frauennotruf. Ein Job, der emotional oft sehr belastend ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.