# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Sansibar oder der Letzigrund | |
> Stadionwurst für sieben Franken, zwei ehemalige Hertha-Trainer, ein | |
> Ultra-Aktionswochenende und viel Nebel: zu Besuch bei den Grasshoppers | |
> Zürich. | |
Bild: Ein Traum aus Holz und Nebel: das Stadion Letzigrund | |
Im Herbst wird Zürich zur Stadt des Nebels. Tief liegt er im Limmattal, | |
auch tagsüber, lässt den Zürichsee und den Uetliberg verschwinden. Und | |
abends ist er dann so dicht, dass wir im Letzigrund-Stadion zwischendurch | |
die Auswärtsfans auf der anderen Spielfeldseite nicht mehr sehen können. | |
Viel verpassen wir nicht, es sind ohnehin nur einige Dutzend aus Luzern | |
gekommen, obwohl das selbst für Schweizer Verhältnisse eine lächerlich | |
kurze Anfahrt ist. Insgesamt haben sich nur 5.700 Menschen in das | |
Leichtathletikstadion verirrt, das Platz für knapp 26.000 bietet. | |
Aber gut: Der Zuschauerdurchschnitt der Grashoppers Zürich, die hier alle | |
nur GC nennen, mit Betonung auf dem G, liegt auch sonst nur bei 6.890, | |
überhaupt haben in der dezent euphemistisch benannten Schweizer „Super | |
League“ nur Bern (17.562) und der Tabellenerste aus Basel (28.708) | |
annehmbare Besucherzahlen. Der Rest der Teams erreicht bloß unteres | |
deutsches Zweitliganiveau, und exakt so fühlt sich auch das Spiel an: Die | |
ersten 20 Minuten kommt praktisch kein Torschuss zustande, Pässe landen | |
reihenweise im Nichts, und vor dem 2:0 von GC kriegt Luzern bei vier | |
Versuchen den Ball nicht aus dem Strafraum getreten. | |
Kein Wunder, dass die GC-Ultras das tun, was Ultras auf der ganzen Welt | |
tun: sich selbst feiern und ohne irgendeinen Bezug zum Spielgeschehen | |
Lieder abspulen – derart pausenlos und monoton haben wir das allerdings | |
selten gehört. Vor dem GC-Ultrablock hängt ein Transparent mit der | |
Forderung „Fuesball für alli – 20,–/25,– i dä Gästesektore!“ Die L… | |
haben ein ähnliches mitgebracht, auch auf Flugblättern wird für ein | |
Aktionswochenende der Schweizer Fanszene geworben: bezahlbare Ticketpreise | |
für die Auswärtsfans. | |
Wir finden, dass die Vereine das dringend umsetzen sollten, schon damit es | |
mal ein wenig voller wird. Unsere Heimkarten, mithin die billigsten, haben | |
übrigens je 30 Franken gekostet. Das sind etwa 24 Euro, was viel klingt, | |
aber dafür kriegt man in Zürich gerade mal zweieinhalb Imbisspizzen, ein | |
billigerer Freizeitspaß ist hier eigentlich nur der Besuch im Freibad an | |
der Limmat (kostenlos und auch im Winter geöffnet). | |
In der Halbzeit wärmen wir uns mit einem Spaziergang und Orangenpunsch auf. | |
Die Stadionwürste kommen in drei Ausführungen, Kalb, Schwein und Zervelat, | |
und sind mit 7 Franken quasi geschenkt, zumal es richtig gutes Brot dazu | |
gibt. Wir bewundern das holzverkleidete Stadiondach, das so schön nur | |
Schweizer Architekten bauen können. Der Letzigrund wurde zur EM 2008 neu | |
gebaut und ist eigentlich die Heimat des FC Zürich, aktuell | |
Tabellenzweiter. Die Grasshoppers sind seit dem Abriss ihres | |
Hardturm-Stadions nur zu Gast, aber weil die Zürcher Bevölkerung letzte | |
Jahr in einer Abstimmung den Neubau eines neuen, reinen Fußballstadions | |
(für beide Vereine) [1][abgelehnt haben], dauert dieses Exil auf | |
unbestimmte Zeit fort. | |
Das Spiel geht weiter, es bleibt mies. Hier spielt der Viertletzte gegen | |
den Letzten. Die großen Zeiten des GC sind lange vorbei, 2003 waren die | |
Grashoppers das letzte Mal Meister. Vergangenes Jahr gab es mit dem Gewinn | |
der Vizemeisterschaft und des Schweizer Cups ein kleines Hoch, und kurz | |
konnte man glauben, einen Erfolgstrainer verpflichtet zu haben. Danach | |
stellte sich aber heraus, dass es nur Michael Skibbe war. Passenderweise | |
sitzt bei Luzern seit sechs Wochen Markus Babbel auf der Bank. Das Duell | |
zweier Trainer, die nicht mal für Hertha BSC gut genug waren, das passt zu | |
diesem Spiel. | |
Dabei dreht nun Luzern auf (was für uns praktisch ist, weil so weiterhin | |
nicht auf das Tor im Nebel gespielt wird), während die Grasshoppers | |
komplett einbrechen. Beim 1:2 läuft ein Luzerner Spieler so durch die | |
Abwehr, wie man das sonst nur von der Playstation kennt (immer nach rechts | |
drücken und hoffen) und das 2:2 ist ein Sonntagsschuss unters Lattenkreuz, | |
aber immerhin sehenswert. | |
Kurz vor Abpfiff fällt sogar noch das 3:2 – für GC allerdings. Ein Freistoß | |
aus 30 Meter Entfernung flutscht durch die Mauer. Welch sinnfälliges | |
Finale. Oder, wie es im [2][Luzerner Fanforum] zusammengefasst wird: „D’ | |
Spieler send doch Idiote, wieso chönd sie sich ned eifach mol 90' | |
konzentriere & ned immer mit so individuelle Fehler wie de Zibung bim 3:2 | |
alles kaputt machid!“ | |
27 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Knappes-Nein-beim-Stadion-Dose-de… | |
[2] http://fclforum.lu/viewtopic.php?f=1&t=6856 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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