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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Die Ängste der Mittelschicht
> Man kann im Fußball mit Konzernen oder Scheichs im Rücken innovativ
> arbeiten. Aber es geht auch ohne. Anerkennung verdienen beide Modelle.
Bild: Hektiker-Brause: Von vielen Traditionalisten beim Fußball nicht gern ges…
Die beiden großen emotionalen Strömungen der Mittelschichtkultur Fußball
sind der Traditionalismus und der Wunsch nach dem Triumph eines kleinen,
sympathischen Außenseiters. Die eine Sehnsucht dahinter ist, dass alles so
sein soll, wie es früher angeblich war, und derjenige oben bleibt, der oben
ist (also man selbst). Die zweite Sehnsucht ist, dass im Gegensatz zur
richtigen Welt zwar nicht nach unten, aber nach oben alles möglich sein
soll (für einen selbst).
Einerseits dient der Fußball dazu, sich dem Kitzel des Auf und Ab und den
Zumutungen einer schwer kalkulierbaren Leistungsgesellschaft hinzugeben,
ohne wirklich betroffen zu sein. Andererseits spiegeln sich inzwischen auch
die Ängste der Mittelschicht; die Erkenntnis, dass den Weg nach oben eine
Gummidecke versperrt, während nach unten eine Falltür lauert.
So bedient der Sprung des FC Augsburg auf den dritten Platz in diesem
Moment das Gefühlsbedürfnis, dass doch noch etwas geht. Zugleich kriecht
die Sorge heran: Wenn es bald schon den HSV und den VfB erwischt, bin ich
dann der Übernächste? Unklar ist, ob man sich engagiert solidarisieren soll
(wie Augsburgs mittelbegabte Profis) oder lieber auf seinen Status pochen
(wie die früheren Regionalgrößen).
Aus dieser Perspektive ist die Ablehnung von erfolgreichen Klubs wie dem
VfL Wolfsburg und RasenBall Leipzig emotional schlüssig. Ihr Aufstieg wird
als ungerecht empfunden. Die haben andere Bedingungen als ich
beziehungsweise mein Klub. Und sie bedrohen meinen Status. Steigen sie auf,
steige ich ab. Das neue Know-how und die gute Arbeit werden ignoriert.
## Der soziale Wert des Vereins
Es ist nicht abzusehen, welche Folgen die zunehmende Übernahme des Sozial-
und Kulturguts Fußball durch Wirtschaftskonzerne und den Mittelstand haben
wird – und seine Umorientierung von einem Verband des Sozialen zu einem
VIP-Raum des Geschäftemachens. Den sozialen Wert eines Vereins sollte man
nicht dafür eintauschen, dass man sich einen Verteidiger für fünf Millionen
leisten kann.
Aber man muss bei der oft kleingeistigen Diskussion Tradition versus
Plastikklubs bedenken, worum es auch geht: Um fachliche Modernisierung,
neues Know-how, neues Denken. Das Spannende an Fußballklubs besteht darin,
dass man im Gegensatz zu anderen gelähmten Unternehmen mit einem
überschaubaren Kreis von Verantwortlichen viel verändern kann. Das passiert
gerade in Wolfsburg. Aber das geht auch ohne VW, RB oder einen Scheich.
Ein Kern von fünf Leuten, eine Grundidee, wer man ist und wozu, dann geht
sehr, sehr viel. Ganz ohne Tradition. So ist es in Augsburg und so ist es
vor allem beim SC Freiburg und bei FSV Mainz 05, den beiden großen
Erfolgsmodellen im deutschen Fußball des 21. Jahrhunderts. Dass das aber
sehr viele ignorieren und sich lieber in ihrer Larmoyanz suhlen, ist das
wahre Problem.
9 Dec 2014
## AUTOREN
Peter Unfried
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