# taz.de -- Die Wahrheit: Wo kommst du her? | |
> Jede Sprache ist zeichenhaft. Wer etwa glaubt, mit dem Ausjäten | |
> unerwünschter Begriffe den Rassismus gleich mit auszujäten, der irrt. | |
Dieser Text kann nur scheitern, die Debatte ist ein Minenfeld. Sicher ist | |
es in den Gräben der verhärteten Fronten, nicht aber im Niemandsland | |
dazwischen. Vor einer Weile hatte ich mich da hinausgewagt und den Verdacht | |
geäußert, gewisse Vorschläge für eine „antirassistische“ Sprache seien … | |
einfältig, dass sie mit Wucht nach hinten losgehen und gerade den Gegnern | |
eines gedeihlichen Miteinanders Munition liefern könnten. | |
Auch hatte ich im Hinblick auf die Zeichenhaftigkeit jeder Sprache | |
bezweifelt, mit dem Ausjäten unerwünschter Begriffe könne etwas gegen | |
Rassismus getan werden. Wer maligne Melanome überschminkt, heilt nicht nur | |
den Hautkrebs nicht – er hilft ihm sogar, unter der Schminke | |
weiterzuwachsen und den ganzen Organismus zu ergreifen. | |
Nun ist es immer bedauerlich, wenn die richtigen Leute aus den richtigen | |
Gründen das Richtige wollen, sich dabei aber der falschen Mittel bedienen. | |
Noch mehr irritiert die Vehemenz, mit der die richtigen Leute ihren | |
sprachmagischen Mumpitz gegen Einwände verteidigen. | |
Zu Wort meldete sich damals Mekonnen Mesghena, der Otfried Preußlers | |
„Kleiner Hexe“ dankenswerterweise die „Negerlein“ ausgetrieben hat. Lei… | |
gefiel es dem Mann, mich als einen Hund zu bezeichnen, der sein | |
rassistisches „Revier markiert“. Das klang nicht eben nach einem | |
scharfsinnigen Argument. | |
Die Krankheit wuchert unterdessen fröhlich weiter. Aktuell werden | |
„sprachhandelnde“ Menschen – also wir alle – von berufener Seite für d… | |
Umstand sensibilisiert, dass die Frage „Wo kommst du her?“ eine | |
kryptorassistische Bemerkung sei. Wohl wahr. Ich hatte diese Frage immer | |
für ein Zeichen gesteigerten Interesses nicht am ethnischen „Hintergrund“, | |
sondern an der kulturellen Prägung meines Gegenübers gehalten. | |
Die daraus resultierenden Gespräche mit meinem Steuerberater, meinem | |
Taxifahrer oder meiner Zahnärztin waren jedenfalls für beide Seiten | |
fruchtbarer, als wenn wir geschäftsmäßig über das Finanzamt, das Wetter | |
oder Amalgam geplaudert hätten. Zur Kulturtechnik der Kommunikation gehört | |
freilich auch, dass sie in die Hose gehen kann. | |
Wie bei Slayer oder Sibelius macht auch in der Sprache der Ton die Musik. | |
Es könnte ein Unterschied sein, ob ich mit geballter Faust „Wo kommst du | |
her?“ brülle – oder ob ich die Frage höflich stelle. Natürlich gibt es | |
Idioten, die aus tückischer Ausgrenzungslust oder chauvinistischer | |
Überheblichkeit fragen. Aber warum die Frage in Frage stellen, statt die | |
Idioten auszugrenzen? | |
Wer fragt, wagt sich aus der Deckung. Wer dumm fragt, steht dumm da. Wer | |
aber gar „nicht fragt, bleibt dumm“ („Sesamstraße“). Und stumm. Das is… | |
Dilemma. Was wäre die Alternative? Jedem Fremden stillschweigend eine | |
ausgeprägte Kränkungsbereitschaft zu unterstellen? Und seit wann ist es | |
eigentlich a priori prima, prinzipiell als „Deutscher“ angesprochen zu | |
werden? Mir ist diese Zuschreibung eher peinlich. | |
Immerhin kann ich den ideologischen Furor eines Mekonnen Mesghena besser | |
einordnen, seit ich weiß, woher er kommt: von der Böll-Stiftung. | |
28 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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