| # taz.de -- Migration in Deutschland: Wer will schon nach Deutschland? | |
| > Deutschland ist nach den USA das zweitbeliebteste Einwanderungsland. Die | |
| > Presse liebt diese Nachricht, sie ist so schön pauschal. | |
| Bild: Alle wollen eine Deutschland-Flagge, zumindest wenn es nach der Presse ge… | |
| „Nur Amerika ist bei Einwanderern noch beliebter als Deutschland“, schreibt | |
| die FAZ gestern auf der Titelseite und verwurstet einen | |
| Einwanderungsbericht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit | |
| und Entwicklung (OECD). „2013 seien 465.000 Personen dauerhaft nach | |
| Deutschland gekommen“, zitiert die Zeitung die Pressemitteilung der OECD. | |
| Was „dauerhaft“ heißt, wird nicht näher erklärt. | |
| Die OECD schreibt in der Pressemitteilung zu dem Bericht von einem | |
| „Rekordkurs“ in Deutschland – muss sie auch, sonst interessiert die | |
| Angelegenheit keinen. Die Agenturen titeln wahlweise mit „Boom“ und | |
| „Zuwanderungsmagnet Deutschland“ und von den Medien werden die Schlagzeilen | |
| vielfach übernommen. Der Wille, den Bericht auch zu lesen, hält sich | |
| verständlicherweise in Grenzen, immerhin hat er 430 Seiten und ist in | |
| vollem Umfang nur in englischer Sprache verfügbar. | |
| Wer es dennoch genau wissen will, muss schon ein bisschen blättern, um die | |
| Zahlen in Relation zu setzen. Im statistischen Anhang etwa steht, wer nach | |
| der nationalen Regelung der einzelnen Länder ab wann als Migrant gilt. In | |
| Deutschland ist man da ziemlich schnell: alle Ausländer, die über eine | |
| Aufenthaltsbewilligung verfügen und mindestens eine Woche im Land bleiben | |
| wollen, fallen in den Migrantendatensatz – der dann für 2013 die in den | |
| Medien verbreitete Migrationsbilanz von 465.000 Personen ergibt. | |
| Nur zum Vergleich: in Österreich muss man drei Monate im Land sein, in | |
| Dänemark muss man ein Jahr im Land sein, in Schweden muss man zumindest | |
| vorhaben, ein Jahr zu bleiben. Da lässt sich schon mal vermuten, woher der | |
| „Rekordkurs“ in Deutschland eigentlich kommt. | |
| ## Weltspitze ist weit entfernt | |
| Dass die Zahlen der verschiedenen OECD-Länder durch die sehr | |
| unterschiedliche Art der Erfassung nur schwer zu vergleichen sind, wird in | |
| dem Bericht durchaus erwähnt – in der Pressemitteilung steht trotzdem kein | |
| Wort davon. | |
| Im Grunde geht es der OECD nicht um die einzelnen Länder, der Bericht soll | |
| vielmehr einen Ausblick schaffen, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten, | |
| die mit der Migration einhergehen, besser verstehen und Kompetenzen besser | |
| nutzen zu können. | |
| Was in der Berichterstattung gerne ausgelassen wird, ist, dass die | |
| OECD-Trends nicht global zu sehen sind. Sie beziehen sich ausschließlich | |
| auf die 34 OECD-Länder. Die Pauschalisierung, dass Deutschland bei der | |
| Zuwanderung zur Weltspitze aufgerückt ist, ist also schlicht falsch. Die | |
| beachtlichen Wanderungsbewegungen etwa zwischen Südasien und der Arabischen | |
| Halbinsel werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Mit dieser | |
| Rosinenpickerei zeichnet man – bewusst oder unbewusst – ein sehr | |
| realitätsfernes Bild. | |
| Nach absoluten Zahlen stimmt es zwar, dass Deutschland – unter den | |
| OECD-Ländern – das zweitgrößte Einwanderungsland nach den USA ist. Wenn man | |
| aber den Anteil der Einwanderer an der Bevölkerung betrachtet, klingt das | |
| Ganze schon weniger sexy. Denn mit 0,5 Prozent liegt Deutschland auf Platz | |
| 12 unter den OECD-Ländern. Davor liegen unter anderem noch die Schweiz und | |
| Österreich, wo die Deutschen mit Abstand die größte Migrationsgruppe | |
| stellen. In Ungarn sind die Deutschen die zweitgrößte Migrantengruppe. | |
| Allerdings mit nur 2.100 Personen. Alles also eine Frage der Darstellung. | |
| Wenn die FAZ das Thema so trotzdem auf die Titelseite hebt, stellt sich die | |
| Frage, ob deutsche Medien denn überhaupt noch empfänglich sind für die | |
| differenzierte Betrachtung von Migrationsthemen. Für den Leser ist es oft | |
| nur noch schwer zu beurteilen, ob das „Boot“ tatsächlich voll ist oder ob | |
| es voll geschrieben wird. | |
| 3 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Saskia Hödl | |
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