| # taz.de -- Kommentar Pegida-Proteste in Dresden: Ungeordnetes Volksgrummeln | |
| > Die Demonstrierenden repräsentieren die tiefe Spaltung in Deutschland – | |
| > und das Problem einer stark ritualisierten Demokratie. | |
| Bild: Gegenbewegung: die anderen Demonstranten in Dresden | |
| Das Unbehagen der Dresdner Demonstranten geht weit über Islamophobie | |
| hinaus. Die Exegeten und Pegida-Gelehrten sind am Werk. Ausgestattet mit | |
| Informationen aus zweiter oder dritter Hand, kommentieren sie ein fiktives | |
| Pegida-Programm, ein Quasi-Testament, das es doch nur in Apokryphen gibt. | |
| Die Kanzlerin warnt vor Hetze, der Justizminister hält die Demos für eine | |
| Schande, Linke sehen nur Rassisten, Politikwissenschaftler entdecken die | |
| Volksseele, mit der man in den „Dialog“ treten müsse, und die amtierende | |
| sächsische Regierung pflichtet ihnen bei. | |
| Jeder pickt sich heraus, was gerade in sein Freund- oder Feindbild passt. | |
| Und meint, damit dieses Pegida-Phänomen als Ganzes charakterisiert zu | |
| haben. Dabei wird das Bild dieses maulenden Haufens von Montag zu Montag | |
| verwirrender, möglicherweise auch deshalb, weil mittlerweile „Volk“ aus der | |
| gesamten Bundesrepublik nach Dresden anreist. | |
| Nicht nur biergetaufte Jünger der deutschen Nationalreligion Fußball von | |
| gemäßigtem IQ. Man trifft Stammkunden der Arbeitsagentur, Christen, | |
| Islamhasser, ehemalige Ostermarschierer, Burschenschafter, Anhänger der | |
| Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, und eine Mittelständlerin fühlt sich vom | |
| „internationalen Kapital“ und der amerikanischen Weltpolizei bedroht. | |
| Was eint dieses konfuse Konglomerat des allgemeinen Volksgrummelns? Sie | |
| sind aus dieser ritualisierten Demokratie ausgestiegen, fühlen sich von | |
| niemandem mehr repräsentiert. Sie veranschaulichen auf makabre Weise die | |
| tiefe Spaltung dieser Gesellschaft, in sozialer wie in ethischer Hinsicht. | |
| Das nette Tante-Angela-Deutschland existiert nicht! Umso weniger, als es in | |
| seiner so genannten Mitte nach rechts gerückt ist und der linke Rest sich | |
| vehementer wehrt. | |
| Das zur Kenntnis zu nehmen, überfordert die politische Klasse. Die | |
| Wahlverweigerer sind eben nicht die, die satt und mit allem zufrieden sind. | |
| Es geht bei Pegida nur dem Namen nach um den Islam. Es geht sogar nur | |
| bedingt um Deutschland, sondern um die Suche nach dem Idyll in einer als | |
| kaputt empfundenen Welt. Das alles freilich gefühlt und aus dem Bauch | |
| kommend, genährt von wenig Inselwissen aus der so beschimpften | |
| „Lügenpresse“. Pegida ist nicht diskursfähig, wie mehrere vergebliche | |
| Einladungen von Medien, aber auch Schmähschriften an den Autor dieser | |
| Zeilen zeigen. | |
| Was gut tut in dieser polarisierenden Situation sind positive Bekenntnisse | |
| zur Menschlichkeit. Das Bündnis „Dresden für alle“ wollte sich am Montag | |
| auch nicht als „Gegendemo“ verstehen. Mahnen an genau die von Pegida | |
| beanspruchten christlich-abendländischen Werte, die „umarmende Begegnung | |
| mit dem anderen“, wie es in der Kreuzkirche beim Friedensgebet hieß. Reden | |
| mit Flüchtlingen, sie vor Mikrofonen ihr Schicksal schildern lassen. | |
| Vorleben, was wir angeblich den bösenIslamisten voraus haben sollen: | |
| Aufklärung, Toleranz und Empathie. | |
| 16 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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