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# taz.de -- Fernsehen in Südamerika: Die Zukunft gehört Zamba
> Die Fernsehsender PakaPaka und TeleSUR stellen den US-Sendern eigene
> Produktionen entgegen. Die Welt wird nicht mehr aus weißer Perspektive
> erklärt.
Bild: Der lateinamerikanische Sender TeleSUR galt lange als „Chávez-TV“.
Seit vier Jahren mischt ein kleiner Junge die Fernsehwelt der
argentinischen Kinder auf. Der achtjährige Zamba ist eine computeranimierte
Figur – aber dass er tatsächlich leben könnte, bezweifelt niemand in seiner
großen Anhängerschar.
Begleitet wird der schwarzhaarige, braunhäutige Zamba von Niña, einer
gleichaltrigen Mulattin, die intelligent, scharfzüngig und in die Helden
der lateinamerikanischen Geschichte verliebt ist. Gemeinsam erkunden sie
„La asombroso Mundo de Zamba“ – Zambas erstaunliche Welt. Und dabei werden
Geschichte und Gegenwart aus einem argentinisch-lateinamerikanischen
Blickwinkel erzählt: Die Spanier sind Kolonisatoren und Eindringlinge, die
Briten die unrechtmäßigen Besetzer der Malwinen-Inseln.
Zu sehen ist Zamba auf PakaPaka, dem Kinderkanal des argentinischen
Erziehungsministeriums. Auch in seinen anderen Sendungen setzt der Sender
den weichgespülten US-Kinderkanälen Discovery Kids und DisneyJunior
Qualitäts-TV mit argentinisch-lateinamerikanischer Perspektive entgegen.
Kein Wunder also, dass die Station unter konservativen Eltern verschrien
ist, die ihrem Nachwuchs die Welt aus der Sicht weißer Immigranten aus
Europa erklären.
## Mit sozialem Einschlag
Das gilt auch für den Sender teleSUR, der im Juli 2015 sein zehnjähriges
Bestehen feierte. Am 24. Juli 2005 war die Station aus Caracas erstmals
amerikaweit auf Sendung. Weder Datum noch Ort waren zufällig gewählt: Genau
222 Jahre zuvor wurde Lateinamerikas große Integrationsfigur Simón Bolívar
in Venezuelas Hauptstadt geboren.
Unter dem offiziellen Namen Nueva Televisión del Sur (Neues Fernsehen des
Südens) und dem Motto Nuestro Norte es el Sur (Unser Norden ist der Süden)
soll das Programm vor allem US-Medien wie CNN und Univisión Konkurrenz
machen. In der Selbstdarstellung heißt es, man wolle eine
„lateinamerikanische Kommunikation“ mit sozialem Einschlag, die darauf
ausgerichtet ist, die Einigung der Völker des Südens zu fördern.
teleSUR haben die Regierungen Argentiniens, Boliviens, Kubas, Uruguays und
Venezuelas gemeinsam ins Leben gerufen. Auch wenn 2007 Nicaragua und
Ecuador beitraten, ist nicht zu übersehen, wer dominiert: Venezuela hält
nicht nur seit Beginn die Mehrheit an der Aktiengesellschaft, sondern
steuert auch den Löwenanteil zur Finanzierung bei. Die Idee, auch die
Regionalmacht Brasilien zu beteiligen, scheiterte an dem Gerangel zwischen
Brasília und Caracas um die Vormachtstellung auf dem südlichen Kontinent.
Brasilien ging mit TV Brasil seinen eigenen Weg. Während dieser als
„Lula-TV“ verspottet wurde, galt teleSUR als „Chávez-TV“.
„Wenn man CNN etwas entgegensetzen will, muss man glaubwürdig sein“, sagt
Alicia de Oliveira Madeira, die Programmkoordinatorin des uruguayischen
Hauptstadtsenders TV Ciudad de Montevideo. teleSUR spiele zwar eine
wichtige Rolle – aber der starke venezolanische Einfluss sei doch eher
hinderlich. „Die Station war zu sehr mit Vorgaben überfrachtet, und die
lateinamerikanische Integration ist in der Realität weitaus weniger
vorangeschritten.“
## teleSUR hat nicht nur Imageprobleme
Der Chávismus wird in der lateinamerikanischen Linken mit viel
Aufmerksamkeit verfolgt – aber die tatsächliche Unterstützung unterlag und
unterliegt erheblichen Schwankungen. Gerade in den letzten Jahren hat sich
auch unter Linken Skepsis verbreitet. Davon konnte sich auch teleSUR nie
wirklich freimachen. So nagte die tendenziöse Berichterstattungen über die
Proteste in Venezuela 2014 an der Glaubwürdigkeit des Senders.
Doch teleSUR kämpft nicht nur mit seinem Image. In vielen Ländern ist die
Station weder über Antenne noch über Kabel zu empfangen. Auch Alicia de
Oliveira Madeira hat keinen Zugang zu teleSUR. Zwar sind in Montevideo 78
Prozent der Haushalte verkabelt – aber keiner der drei großen privaten
Kabelanbieter speist teleSUR ein.
In Uruguay Menschen zu finden, die teleSUR über TV schauen, scheint ein
aussichtsloses Unterfangen zu sein. Der wichtigste Zugang bleibt das
Internet. In Argentinien ist die Lage seit gut einem Jahr besser. Damals
hatte die Regierung in Buenos Aires den größten Kabelbetreiber des Landes
dazu gezwungen, den Sender des Südens in sein Basisangebot aufzunehmen.
Seither bekommt der eine oder die andere ZuschauerIn beim Zappen durch die
hinteren Kanäle auch schon mal teleSUR auf die Mattscheibe. Wie hoch die
Quote derer ist, die sich über die Ereignisse in der Welt durch dessen
Nachrichtensendungen informieren, ist nicht bekannt. teleSUR hat lediglich
etwa an der Dominanz der großen Medien wie CNN oder Univisión kratzen
können.
## Der Kampf auf dem Medienmarkt
Gerade hat der Sender sein Ranking der 2014 am meisten angeklickten Themen
eingestellt. Auf Platz eins liegt der Konflikt um die Krim, gefolgt von
Irak, das als erstes Land der Welt Pädophilie legalisierte, in dem es das
Heiratsalter für Mädchen auf 9 und das für Jungen auf 15 Jahre senkte.
Venezuela liegt mit der Anhebung des Mindestlohns auf Platz drei, gefolgt
vom Konflikt im mexikanischen Guerrero und dem zwischen Israel und
Palästina.
Der Kampf um die Medien in Südamerika ist in den einzelnen Ländern in den
vergangenen zehn Jahren weniger von einem Gerangel um die Nord- oder
Südsicht auf die laufenden Ereignisse geprägt als darum, als nationaler
Akteur überhaupt auf dem Medienmarkt präsent zu sein. So haben vor allem
Argentinien, Ecuador, Uruguay und Venezuela ihre TV- und Radiokanäle
modernisiert und ausgebaut.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Rückkehr des Staates als
regulierender Instanz. Den Auftakt macht auch hier Venezuela, dessen
Nationalversammlung im Dezember 2004 das „Gesetz über die soziale
Verantwortung von Radio und Fernsehen“ verabschiedete, das eine Reaktion
auf die Produktion von Falschmeldungen während des Putsches gegen Präsident
Chávez 2002 war. Seither haben Argentinien, Ecuador, Bolivien und Uruguay
nachgezogen.
„In Bezug auf die Demokratisierung der Medien hat es in den letzten zehn
Jahren große Veränderungen gegeben. Dabei dreht sich alles um die
Regulierung von Radio und TV in den einzelnen Ländern und um das digitale
terrestrische Fernsehen als neue Möglichkeit“, so Alicia de Oliveira
Madeira.
## Für mediale Vielfalt und Jugendschutz
Es geht nicht nur ums Geschäft: „Der Kinder- und Jugendschutz ist
vielleicht die größte Errungenschaft der Mediengesetze in Uruguay,
Argentinien oder Ecuador. In Uruguay wird zukünftig die Darstellung von
übermäßiger Gewalt, grausamem Verhalten, Pornografie und illegaler
Drogenkonsum in der Zeit zwischen sechs Uhr morgens und zehn Uhr abends
kontrolliert.“
Aber der Kampf um die Deutungshoheit treibt auch absurde Blüten mit harten
Konsequenzen. So hat Ecuadors Präsident Rafael Correa gegen die
Tageszeitung El Universo wegen eines angeblich beleidigenden Artikels eine
Strafe von 40 Millionen US-Dollar Schmerzensgeld samt einer dreijährigen
Freiheitsstrafe für die verantwortlichen Redakteure erwirkt.
Am heftigsten tobt die Auseinandersetzung jedoch in Argentinien: In dem
seit nunmehr gut sechs Jahre erbitterten Kampf zwischen der Regierung und
dem lokalen Medienriesen Grupo Clarín geht es inzwischen nicht mehr nur um
das Ringen um die Demokratisierung des Medienbereichs, sondern um die
politische und mediale Machtstellung schlechthin.
Und doch konnte die zukünftig größte Veränderung der Sicht auf die
Geschehen in der Welt gerade in Argentinien seinen Ausgang nehmen.
„PakaPaka ist mit das Interessanteste, das das Land in den letzten 15
Jahren hervorgebracht hat“, sagt Alicia de Oliveira Madeira, unschätzbar
für die Herausbildung eines neuen Publikums und dessen Sehgewohnheiten.
1 Jan 2015
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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