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# taz.de -- Terror in Frankreich: Tote bei Anschlag auf „Charlie Hebdo“
> Bewaffnete Männer haben beim Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris um
> sich geschossen. Zwölf Menschen sterben. Nach den drei Tätern wird
> gefahndet.
Bild: Ermittler und Ersthelfer vor dem Gebäude des Magazins „Charlie Hebdo�…
PARIS afp/rtr/dpa | In einer Zeitungsredaktion in Paris sind am Mittwoch
Schüsse gefallen und dabei mindestens zwölf Menschen getötet worden. Nach
Angaben der Polizei drangen zwei Männer unter anderem mit einer
Kalaschnikow bewaffnet in die Räume des Magazins Charlie Hebdo ein.
Augenzeugen berichten, bei der Attacke sei ein Raketenwerfer eingesetzt
worden und während des Angriffs hätten sie mindestens dreißig Schüsse
gehört. Im Gebäude und rund herum brach Panik aus, ein Teil der Belegschaft
konnte aufs Dach flüchten.
Nach Angaben von Ermittlern handelt es sich bei vier Opfern um Zeichner des
Magazins, unter ihnen der Chef der Zeitung, Stéphane Charbonnier, genannt
„Charb“. Neben Charb seien die Zeichner Jean Cabut („Cabu“), Georges
Wolinski („Wolinski“) und Bernhard Verlhac („Tignous“) getötet worden.…
der Toten seien Polizisten. Ein weiteres Opfer ist der Ökonom und Autor
Bernard Maris. Auch ein Mitarbeiter des Rundfunksenders France Inter ist
unter den Todesopfern und der Leibwächter von Charbonnier. Fünf weitere
Menschen wurden lebensgefährlich verletzt.
Während der Flucht schießen sich die Täter ihren Weg frei und steigen
zwischen dem Platz der Bastille und dem Platz der Republik noch einmal aus
ihrem Auto aus und töten einen Polizisten per Kopfschuss, wie auf einem
Video zu sehen ist. In der Nähe der Porte de Pantin in Richtung
nordöstlichem Stadtrand überfallen sie einen Autofahrer und überfahren
einen Passanten. Seither verliert sich die Spur. Die Polizei fahndet mit
Hochdruck nach den Flüchtigen, Hunderte Polizisten sind im Einsatz. In
Polizeikreisen wird auf die Ruhe, die Entschlossenheit und die Schlagkraft
der Täter verwiesen, die ein Zeichen von gründlicher Ausbildung – wie etwa
beim Militär – sei.
Nach Angaben von Innenminister Bernard Cazeneuve waren drei Täter in den
Angriff verwickelt. Cazeneuve äußerte sich nicht näher darüber, wer von den
Gesuchten bei der Tat welche Rolle übernommen hatte. Bei dem Anschlag
hatten zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete und vermummte Personen die
Redaktion überfallen.
Mehrere französische Medien berichten, dass sich Hinweise auf einen
islamistischen Hintergrund der Tat verdichten. Auf Videos ist zu hören, wie
die Attentäter „Allah akbar“ („Gott ist groß“) gerufen haben. Auch �…
für den Propheten“ sollen sie auf Französisch gerufen haben. Die Täter
waren möglicherweise Franzosen. „Sie sprachen perfekt Französisch“, sagte
die Augenzeugin und Zeichnerin der Charlie Hebdo, Corinne Rey, der Zeitung
l'Humanité. Dabei hätten die Täter behauptet, zur Terrororganisation
al-Qaida zu gehören. Offiziell bekannt hat sich noch niemand zu der Tat.
Die Täter stürmten das Gebäude während der Redaktionskonferenz, die immer
mittwochs vormittags ist. Nach dem Angriff flohen die Täter, das
Fluchtfahrzeug ließen sie zurück, es wird von Ermittlern untersucht. Das
Gebiet um den Tatort wurde weiträumig abgeriegelt.
„Frankreich steht unter Schock. Das ist ein Terroranschlag. Daran gibt es
keinen Zweifel“, sagte Francois Hollande, der vor Ort ist. Frankreich werde
geschlossen reagieren. Diese „Barbarei“ sei ein „Schock für Frankreich.�…
seien in den vergangenen Wochen bereits mehrere Anschläge vereitelt worden.
Andere gefährdete Einrichtungen würden verstärkt geschützt. Dass hier
gezielt ein Anschlag auf die Medien verübt wurde, hat Frankreich besonders
erschüttert. Noch für gestern Abend wurde auf der Place de la République
eine Solidaritätskundgebung angekündigt. Auch im Rest Frankreichs sind
Kundgebungen geplant.
## Höchste Terrorwarnstufe
Die Regierung rief die höchste Terrorwarnstufe für den Großraum Paris aus.
Der Anti-Terror-Plan sei auf die Stufe „Anschlagsalarm“ angehoben worden,
hieß es am Mittwoch am Sitz von Premierminister Manuel Valls. Man hatte
schon seit Wochen mit terroristischen Aktionen gerechnet. Denn Frankreich
ist in Afrika und im Nahen Osten an vorderster Front am Kampf gegen den
islamistischen Terror beteiligt. Immer wieder hatten französische
Dschihadisten via Internet aus Syrien und Irak, dem Land, in dem sie
aufgewachsen sind, mit „Vergeltungsaktionen“ gedroht.
Charlie Hebdo hatte in der Vergangenheit mehrfach mit provokanten
Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen gesorgt. Seit der Veröffentlichung
der Karikaturen im Jahr 2012 wurde das Magazin wiederholt bedroht.
Drohungen erhielt das Magazin auch immer wieder von rechtsextremistischen
Gruppen.
Die Redaktion bestand stets auf ihrem Recht, über den Papst, den
amerikanischen Präsidenten oder Jesus, Mohammed und Gott mit dem
Zeichenstift zu spotten. Im Fall der Mohammed-Zeichnungen stellte Charlie
Hebdo auch den Exklusivanspruch der Muslime infrage: „Wem gehört Mohammed?
Der ganzen Welt. Er ist der Prophet der Muslime, gewiss, aber für andere
ist er eine Persönlichkeit der Geschichte oder eine Legende. Man darf ihn
karikieren, wie man auch Jesus, Napoleon oder Zorro karikiert.“
Der [1][letzte Tweet] von Charlie Hebdo am Mittwoch bezog sich auf Abu Bakr
al-Baghdadi, Anführer des Islamischen Staats (IS). Auf Twitter zeigen User
mit dem Hashtag [2][#JeSuisCharlie] Solidarität mit den Mitarbeitern des
Magazins, den Opfern und ihren Familien. Die Website des Magazins, die am
Mittwoch lange Zeit zusammengebrochen war, ist am Abend wieder erreichbar.
[3][Sie zeigt ausschließlich das „Je Suis Charlie“-Bild.]
Erst am Mittwoch war die aktuelle Ausgabe des Wochenmagazins erschienen.
Auf dem Titelbild ist der Schriftsteller Michel Houellebecq, der derzeit
[4][mit dem Roman „Soumission“] (Unterwerfung) über Frankreich unter einem
islamischen Präsidenten für Furore sorgt. Bereits im November 2011 wurde
ein Brandanschlag in den damals neu bezogenen Redaktionsräumen des Magazins
verübt.
„Das war ein mörderischer Angriff auf die Pressefreiheit, ein finsterer
Terroranschlag gegen eine der wichtigsten Errungenschaften der
Zivilisation“, sagt Andreas Rüttenauer, Chefredakteur der taz. Und weiter:
„Freiheit von Angst ist eine entscheidende Voraussetzung für Freiheit –
auch für Pressefreiheit.“
Der Dachverband der Muslime in Frankreich sprach laut der Zeitung Le Monde
von einem „barbarischen Akt“ gegen die Demokratie. Der in Frankreich
prominente Imam Hassen Chalghoumi erklärte: „Die Barbarei der Angreifer hat
nichts mit dem Islam zu tun.“ Auf Hass könne man nicht mit Gegenhass
antworten, sagte der aus Tunesien stammende Geistliche dem TV-Sender BFMTV.
„Die Journalisten sind die Märtyrer der Freiheit“, so Chalghoumi. Der
Rektor der größten Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, sagte, dies sei eine
donnernde Kriegserklärung.
## Solidarität mit Frankreich
International wird der Anschlag auf das Magazin verurteilt. Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) schrieb in einem Telegramm an Hollande: „Diese
abscheuliche Tat ist nicht nur ein Angriff auf das Leben französischer
Bürgerinnen und Bürger und die innere Sicherheit Frankreichs.“ Und weiter:
„Sie stellt auch einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit dar,
ein Kernelement unserer freiheitlich-demokratischen Kultur, der durch
nichts zu rechtfertigen ist.“ Deutschland stehe „in diesen schweren Stunden
eng an der Seite unserer französischen Freunde“, schrieb die Kanzlerin.
Die USA haben den Anschlag „auf das Schärfste“ verurteilt. „Jeder hier im
Weißen Haus ist in Gedanken bei den Familien derjenigen, die bei diesem
Angriff getötet oder verletzt wurden“, sagte Präsidentensprecher Josh
Earnest am Mittwoch dem Fernsehsender MSNBC. Washington sei bereit, bei der
Aufklärung zu helfen.
Der britische Premierminister David Cameron äußerte sich entsetzt. Es
handele es sich um eine abscheuliche Tat. Sein Land stehe beim Kampf gegen
den Terrorismus an der Seite Frankreichs. Auch EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker sicherte Frankreich die Solidarität der EU-Kommission
zu. Er bezeichnete den Angriff auf die Redaktion als Barbarei, die alle
Menschen und Europäer treffe.
Als Reaktion auf den Anschlag verschärften Länder wie Italien die
Sicherheitsvorkehrungen für Medien. Nach Angaben von Bundesinnenminister
Thomas de Maiziere gibt es in Deutschland „keine konkreten Hinweise auf
vergleichbare Anschlagsplanungen in Deutschland“ oder auf Terroranschläge
im Allgemeinen.
ARD und ZDF haben Sondersendungen ins Programm genommen. Das Erste sendet
um 20.15 Uhr einen „Brennpunkt“ mit dem Titel „Blutbad in Paris“. Die
Moderation hat Markus Preiß. Das Zweite hat um 19.20 Uhr ein „ZDF spezial“
eingeschoben. Der Titel lautet „Terror in Paris - Anschlag auf
Satiremagazin“. Moderator ist Matthias Fornoff.
Dieser Text wurde abschließend um 18 Uhr aktualisiert. Für die taz: hav/rb
7 Jan 2015
## LINKS
[1] http://twitter.com/Charlie_Hebdo_/status/552773881283764224/photo/1
[2] http://twitter.com/search?q=%23JeSuisCharlie&src=tyah
[3] http://www.charliehebdo.fr/index.html
[4] /Roman-von-Michel-Houellebecq/!152330/
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