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# taz.de -- Die Wahrheit: Sollen sie doch Gras essen
> Die Engländer geben gerne an mit ihrem Sinn für Humor. Über ihre diversen
> Völkermorde bereiten sie hingegen lieber das Mäntelchen des Schweigens.
Die Engländer geben gerne an mit ihrem Sinn für Humor. Über die diversen
Völkermorde, die sie begangen haben, bereiten sie hingegen lieber das
gnädige Mäntelchen des Schweigens. Neuester Beleg für englischen Humor ist
eine humoristische Serie, die der Sender Channel 4 in Auftrag gegeben hat.
Das Thema ist die irische Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts. Was haben
die Menschen damals gelacht!
1845 wurden die Kartoffeln, das Hauptnahrungsmittel der Iren, von der
Kartoffelpest befallen. Das war der Auftakt. Den ersten Winter überstanden
die meisten noch, doch als die Krankheit auch die nächsten Ernten
vernichtete, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Zum Hunger gesellte sich eine
Pest- und Typhusepidemie.
Was die Sache zum Genozid machte, war die Tatsache, dass die britische
Regierung weiterhin Vieh, Getreide und andere Lebensmittel nach
Großbritannien exportierte. Eine Million Menschen verhungerte, und bis 1920
waren fünf Millionen Iren in die USA ausgewandert. Ein Sechstel der
Auswanderer kam bei der Überfahrt ums Leben.
Guter Stoff für eine Komödie also. Die Serie mit dem Titel „Hungry“ soll
sich an „Shameless“ orientieren, einer US-Serie, in der Frank Gallagher,
ein irischer Auswanderer und alleinerziehender Vater von sechs Kindern,
sich täglich betrinkt, während seine Kinder lernen müssen, allein zu
überleben. Das lässt sich vortrefflich auf die Hungersnot übertragen:
Während der Vater aus den wenigen gesunden Kartoffeln Schnaps brennt,
fressen seine Kinder Gras. Oder sie rauchen es, das wäre noch viel
komischer.
Irland sei schon immer ein Hort des schwarzen Humors gewesen, weiß der
Dubliner Drehbuchautor Hugh Travers, der mit dem Projekt betraut wurde.
„Man sagt, eine Komödie sei eine Tragödie plus Zeit“, meint er. Die
Anschläge auf das World Trade Center in New York sind ja nun auch schon
mehr als ein Jahrzehnt her – also Zeit für eine Komödie? Es wäre doch
lustig, Menschen zu zeigen, die wegen des Feuers aus einem Fenster im 20.
Stock springen und dabei rufen: „Mal sehen, ob ich fliegen kann!“
In Irland ist das „Hungry“-Projekt auf ungläubiges Entsetzen gestoßen.
Jemand hat eine Petition verfasst, die bereits von Tausenden unterzeichnet
worden ist, um Channel 4 von diesem törichten Vorhaben abzubringen. Der
Sender war 1982 angetreten, um eine Alternative zu den etablierten Sendern
zu bieten und Minderheiten zu bedienen. Er merkte aber ziemlich schnell,
dass die Einschaltquoten nicht für genügend Einnahmen sorgten.
So verfiel man auf immer blödsinnigere Ideen, um Zuschauer vor die Geräte
zu locken. Zuletzt war es „Benefits Street“, eine lustige Serie über eine
der benachteiligtsten Siedlungen in Großbritannien, wo die Mehrheit der
Bewohner unter der Armutsgrenze lebt. Kritiker bezeichneten die Sendung als
„Armuts-Pornografie“.
Beim Drehen wurde das Produktionsteam mit Eiern und Mehl beworfen. Die Iren
sollten anfangen, verfaulte Kartoffeln zu sammeln, damit sie für die
Dreharbeiten der Hungersnotkomödie gerüstet sind.
11 Jan 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Genozid
Auswandern
Hungersnot
Irland
Humor
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Fernsehen
Schwerpunkt Korruption
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