# taz.de -- Die Wahrheit: Um halb eins ist alles vorbei | |
> Auf der grünen Insel können sie praktisch alles – nur Silvesterfeste | |
> feiern, das bereitet den Iren Probleme. | |
Die Iren wissen, wie man anständig feiert, so heißt es. Das stimmt zwar, | |
gilt aber nicht für Silvester. Eine gute Party zum Jahreswechsel bekommen | |
sie einfach nicht hin – nicht mal zum Millennium, als die öffentliche Feier | |
eine trostlose Angelegenheit war. Den Iren ist Silvester egal. Man reicht | |
sich um Mitternacht die Hände, wünscht sich ein frohes neues Jahr und geht | |
schlafen. | |
Seit vier Jahren versucht die Dubliner Tourismusbehörde, den Hauptstädtern | |
das Silvesterfeiern zu verordnen, damit man Touristen mit einer zünftigen | |
Open-Air-Party anlocken kann. Sie wissen aber nicht, wie man das macht. Vor | |
drei Jahren war Alkohol verboten, was die Stimmung von vornherein drückte. | |
Wer zu den offiziellen Feierlichkeiten wollte, musste sich einer | |
Taschendurchsuchung unterziehen, Alkoholika wurden strikt konfisziert. | |
In diesem Jahr wollte man eine Party auf die Beine stellen, die „mit | |
Edinburgh und Berlin konkurrieren“ konnte. Ein hochgestecktes Ziel, fand | |
doch in Berlin die größte Silvesterparty der Welt statt. Und in Edinburgh, | |
ja in ganz Schottland, ist Hogmanay – der 31. Dezember – einer der | |
Hauptfesttage, er dauert oft eine ganze Woche lang. Das liegt am first | |
footing, bei dem ein jeder, der leidlich gut zu Fuß ist, versucht, als | |
Erster im neuen Jahr bei Nachbarn und Freunden mit einem Glas Whisky, einem | |
Stück Kohle sowie Brot und Salz über die Schwelle zu treten. | |
Damit wollte Dublin wetteifern? Die Feier war für drei Tage angesetzt. | |
Leichtsinnigerweise hatte man 40 ausländische Journalisten eingeladen, sie | |
sollten vorteilhaft über die Bemühungen schreiben. Am ersten Tag | |
projizierte man dreidimensionale Bilder auf die Wand eines | |
Versicherungsgebäudes. Eine tolle Idee. Am Silvestertag fand die Party auf | |
dem College Green vor dem alten Parlamentsgebäude statt. Es war aber keine | |
richtige Party, sondern ein Konzert –das „Three Countdown Concert“, weil | |
der Mobilfunkanbieter „Three“ die Sache gesponsert hatte. | |
Wer Kodaline und James Vincent McMorrow sehen wollte, musste allerdings | |
eine immens teure Eintrittskarte kaufen und im strömenden Regen ausharren, | |
der das ebenfalls immens teure Bier verdünnte, das es in Plastikbechern | |
gab. Um halb eins war alles vorbei. Der öffentliche Nahverkehr hatte schon | |
um 22 Uhr den Dienst quittiert. | |
Tourismus-Minister Donohoe freute sich am nächsten Tag, dass die Zahl der | |
ausländischen Besucher im vorigen Jahr um 9 Prozent auf 7,3 Millionen | |
gestiegen sei, warnte aber: „Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Wir | |
müssen uns ständig neue Veranstaltungen ausdenken, um Menschen zu | |
ermutigen, nach Irland zu kommen.“ | |
Wie die Dubliner Tausendjahrfeier 1988, die 147 Jahre zu spät stattfand? | |
Oder „The Gathering“ 2013, ein Festival für die Diaspora, oder genauer: um | |
den Iren in der Diaspora das Geld aus der Tasche zu ziehen? Man plant | |
bereits für nächstes Silvester, das den 100. Jahrestag des Osteraufstands | |
von 1916 einläutet. Dann sollen dreidimensionale Bilder der Rebellen auf | |
das Hauptpostamt projiziert werden. Halleluja. | |
4 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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