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# taz.de -- Die Wahrheit: Lange Sitzung im Kloknast
> Auf der Toilette eingesperrt zu sein, hat den Vorteil, dass man sich
> erleichtern kann. Im Windfang hingegen ist das problematisch.
Wenn Jutta irgendwo einzieht, geht es selten glatt. Früher hat sie bei der
taz gearbeitet, aber seit dreißig Jahren ist sie als Reiseleiterin in
Irland. Als sie ihr erstes Haus am Rande Dublins bezog, schlich sich in der
ersten Nacht ein vermeintlicher Einbrecher ans Haus. Jutta schrie, so laut
sie konnte, und rief die Polizei. Der „Dieb“ flüchtete. Es war der
Milchmann, der ihr als Begrüßungsgeschenk eine Flasche Milch vor die Tür
stellen wollte, bei dem Gezeter allerdings davon absah.
Nun ist Jutta in ein kleines Haus in der Innenstadt gezogen. Sie hat es
hübsch renoviert und im Erdgeschoss ein paar Wände abreißen lassen, so dass
man durch einen schmalen Gang in einen großen Raum mit Wohnzimmer, Küche
und Esstisch tritt. Links am Gang befindet sich eine winzige Gästetoilette.
Die benutzte Jutta eines späten Abends, weil sie keine Lust hatte, ins
komfortablere Badezimmer im ersten Stock zu gehen.
Als sie die Tür zuknallte, wackelten die Leichtbauwände ein wenig – genug,
um den Metallbilderrahmen, den Jutta am Vormittag gekauft hatte und der nun
an der gegenüberliegenden Wand lehnte, umzuwerfen. Da der Gang jedoch
schmal ist, fiel er nicht ganz um, sondern verkeilte sich unter dem
Türgriff des Gästeklos. Jutta war gefangen. Kräftige Fußtritte gegen die
Tür halfen nichts, der Rahmen war stabil.
Jutta wurde nervös. Die Tourismussaison war längst vorbei, ihre
Auftraggeber würden sie nicht vermissen. Freunde und Bekannte, die
klingelten, würden annehmen, sie sei nicht zu Hause. Und ihr Handy hatte
sie natürlich nicht mit aufs Klo genommen. Im Mai, wenn ihre Tätigkeit als
Reiseleiterin wieder beginnt, würde man auf der Toilette ein Skelett
finden, schoss es ihr durch den Kopf.
Dann fiel ihr der kleine Entlüftungsschlitz oben an der Wand ein. Sie
kletterte auf das Waschbecken, brüllte durch den Schlitz und hoffte, dass
die Nachbarn, ein Künstlerehepaar, nicht auf Tournee waren. Gegen halb drei
Uhr nachts hörten sie die Hilferufe. Zwar hatten sie Juttas Hausschlüssel,
aber ein Schlüssel steckte von innen. So mussten sie die Glastür
einschlagen, um Jutta zu befreien.
Wenigstens hatte sie eine Toilette und einen Wasserhahn, so dass sie ein
paar Wochen überlebt hätte. Peter aus London erging es schlechter. Er
wollte zu einer politischen Veranstaltung in Yorkshire und übernachtete bei
Genossen in Bradford. Die bewohnten eines der typischen englischen
Reihenhäuser, bei denen man durch die Haustür in einen Windfang tritt und
durch eine weitere Tür ins Haus gelangt.
Da die Gastgeber arbeiteten und früh aus dem Haus mussten, erklärten sie
Peter, er solle die beiden mit Schnappschlössern gesicherten Türen einfach
zuziehen. Daran hielt sich Peter, zog die erste Tür hinter sich zu und
stellte mit Entsetzen fest, dass die Gastgeber versehentlich die zweite Tür
abgeschlossen hatten. So war er sieben Stunden lang im drei Quadratmeter
großen Windfang eingesperrt, bis seine Gastgeber von der Arbeit kamen. Sie
versprachen, Peters Hosen zu waschen.
19 Jan 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Toilette
Schwimmen
Schwerpunkt Korruption
Irland
Genozid
Irland
Irland
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