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# taz.de -- Kirche im Rundfunk: Der Platzhirsch Christentum
> Kirchen in Deutschland dürfen im TV und Radio fast alles, der Islam muss
> seinen Platz noch finden. Das Deutschlandradio will das ändern.
Bild: Keine andere gesellschaftliche Lobby wird derart bevorzugt.
Der Islam gehört zu Deutschland“, „Der Islam ist ein Teil von uns“:
Spätestens mit dem Angriff auf Charlie Hebdo haben sich auch konservative
Politiker fast flächendeckend dazu durchgerungen, ihr christliches
Abendland zu öffnen. Anders sieht das oft noch bei den Medien aus. Die
katholische und auch die evangelische Kirche genießen hierzulande einmalige
Privilegien, darunter Programmautonomie für ihre Verkündigungen. Von der
„Morgenandacht“ über die „Bibelclips“ bis zum „Wort zum Sonntag“ �…
darf ihnen da reinreden. Keine andere gesellschaftliche Lobby wird noch
derart bevorzugt.
Der Islam und seine Anhänger sind daher auf das Interesse und das
Wohlwollen der Programmmacher angewiesen, während den großen christlichen
Kirchen Sendezeit per Gesetz garantiert wird. Das ist eine ziemliche
Schieflage, die nur wenige aus eigener Motivation heraus wieder in Balance
bringen, vor allem das ZDF. Vor sieben Jahren startete das „Forum am
Freitag“. Es soll „Wissenslücken bei Muslimen und Nichtmuslimen“ schlie�…
Die Sendung läuft auf ZDFinfo und im Netz. Es schauen im Schnitt etwa
30.000 Menschen zu, dazu kommen bis zu 20.000 Abrufe pro Folge in der
Mediathek. Immerhin.
„Wir hatten überlegt: Sollte das auch eine Verkündigungssendung werden oder
ein redaktionelles Format“, erinnert sich Reinold Hartmann, einer der
beiden Chefs der Kirchenredaktionen. „Aber wir sind schon an der Frage
gescheitert: Wer ist eigentlich unter den Muslimen in Deutschland der
richtige Ansprechpartner?“ Die Macher entschieden sich gegen
Missionsarbeit.
Das „Forum am Freitag“ berichtet über muslimische Hebammen, Pflegedienste
und Familienbetriebe. Zum Alltag kommen aber auch Gespräche über den Islam.
Wie der Koran zeitgemäß ausgelegt werde, das sei natürlich „die wichtige,
aber eben auch eine fundamentale Frage“, sagt Hartmann und berichtet:
„Viele Muslime drücken sich immer noch davor. Es gehen nur einige wenige
nach vorne.“
## Islam hat keinen festen Platz
Das Angenehme am „Forum am Freitag“ ist, dass die Sendung nicht als
Schulfunk wahrgenommen wird, aber trotzdem erklärt, was eigentlich das
Kalifat ist oder wer Aleviten sind. Die Redaktion bilden jenseits der
christlichen Leiter drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie alle sind
Muslime. Kurz nach dem Start der ZDF-Sendung folgte beim SWR – im Hörfunk –
das „Islamische Wort“.
Ansonsten hat der Islam kaum einen festen Platz in den Programmen. Es gibt
allenfalls Sender und Sendungen, die sich sehr bewusst mit Migranten
beschäftigen. Zu nennen wären „Cosmo TV“ im WDR oder das Funkhaus Europa,
ein öffentlich-rechtlich produzierter Sender, der in Nordrhein-Westfalen,
Berlin und Brandenburg zu hören ist. Die Kontinuität ist hier aber stets
durchlässig.
Das Deutschlandradio, für das auch der Autor dieser Zeilen arbeitet, will
das demnächst ändern. Als der Deutschlandfunk kurz nach dem Anschlag in
Paris die Einschätzung seines Intendanten abfragte, kündigte Willi Steul
an, voraussichtlich ab März jede Woche den Koran erklären zu wollen. Steul,
der selbst aus Ländern berichtet hat, in denen der Islam dominiert, sagt,
er habe das bereits „vor rund einem Jahr“ in Auftrag gegeben.
Steul hat einst unter anderem in Afghanistan und im Libanon gelebt. Er
will, dass die Menschen mehr über den Islam erfahren und ihn nicht zuletzt
auch in seinem historischen Kontext sehen. „Da hat die islamische Welt
selbst ein Nachholbedürfnis, unter dem auch moderne gläubige Muslime
leiden“, sagt er. Die Reihe solle sich aber in erster Linie an „die
nichtmuslimische Gesellschaft“ richten.
## Ein Vers pro Sendung
Aber natürlich: „Wenn Muslime sich da wiederfinden, umso schöner.“ Wann
genau das Deutschlandradio in seinen Wellen den Koran und damit auch den
Islam an sich erklären will, stehe noch nicht fest. „Möglicherweise“ werde
das freitags in „Tag für Tag – Aus Religion und Gesellschaft“ und damit …
Deutschlandfunk passieren, sagt Steul. Klar sei: Es werde stets ein Vers
von einem Sprecher vorgelesen, den dann ein „wissenschaftlich tätiger
Islam-Experte“ auslege, der selbst Muslim sei und – wie beim ZDF – ohne
sich dabei mit muslimischen Verbänden abzustimmen.
Bei all diesen Formaten stellt sich natürlich die Frage, wie der Koran
ausgelegt wird. Bilden die Sender dabei lediglich liberale Positionen ab
oder gehen sie auch auf radikale ein? „Ja, selbstverständlich“, so Steul,
„sie werden aber nicht im Mittelpunkt stehen.“ ZDF-Religionschef Hartmann
sagt dazu, einem Salafisten wie Pierre Vogel werde man jedenfalls keine
Bühne bieten. „Wir wollen keine Fundamentalisten“, sagt der Protestant,
„aber konservative Muslime, die kommen bei uns dann schon vor.“
18 Jan 2015
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Christentum
Rundfunk
Medien
Koran
Islam
Religion
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Fernsehen
Terrorismus
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