# taz.de -- ZDF-Krimi „Tod eines Mädchens“: Nichts ist wie immer | |
> Ein gutes Ensemble und keine Redundanzen: Der Krimi-Zweiteiler „Tod eines | |
> Mädchens“ macht vieles besser als seine Artgenossen. | |
Bild: Was macht es mit einem Ort, wenn ein Kind, das jeder kennt, ermordet wird? | |
In dem derzeitigen Vorabend- und Primetime-Krimi-Overkill der | |
Öffentlich-Rechtlichen läuft ein tendenziell genervter, dem Genre aber | |
nicht grundsätzlich abgeneigter Gelegenheitsgucker schnell Gefahr, die | |
guten Sachen zu verpassen. Zumal wenn der Titel so scheinbar nichtssagend | |
ist wie „Tod eines Mädchens“. So könnte jeder dritte Krimi heißen. Dabei | |
ist der Titel hier ausnahmsweise sehr passend. | |
Der Zweiteiler ist nach dem Whodunit-Muster à la Agatha Christie | |
konstruiert. In knapp 180 Minuten wird ein Tableau mit etlichen | |
Verdächtigen entfaltet, der Zuschauer darf miträtseln, und der Mörder, der | |
erst in den letzten Minuten entlarvt wird, entstammt dem eingeführten | |
Personenkreis. Das ist genauso konventionell wie die Szene mit | |
Spurensicherung und den leitenden Ermittlern am Fundort – es gibt sie in | |
jedem „Tatort“. | |
Die angespielte Routine der Szene wird hier aber emotional gebrochen. | |
Kommissarin Hella Christensen (Barbara Auer) kennt das tote Mädchen, es ist | |
die 14-jährige Nachbarstochter. Christensen hat einen Sohn im gleichen | |
Alter, die Familien sind befreundet. Bald kommt auch noch die Mutter (Anja | |
Kling) angerannt, deren böse Ahnung gerade Gewissheit geworden ist. | |
Idyllische kleine Orte an der Nord- oder Ostsee sind im TV-Krimi | |
überrepräsentiert, also auch konventionell. Eigentlich. Selten aber hat | |
sich ein Krimi so ins Zeug gelegt, den „Tod eines Mädchens“ wirklich zu | |
erzählen. Drei Stunden lang zu erzählen, was es für so einen Ort bedeutet, | |
wenn ein Kind, das alle kannten, ermordet wird: Da ist die Ungeduld mit der | |
Polizei, das Gedenken am Fundort, wo einer zu den Kerzen und Blumen und | |
Beileidsschreiben eine andere Botschaft gelegt hat: „Todesstrafe für | |
Kindermörder!“ Da ist der, der den Zettel entfernt, weil er ihn unwürdig | |
findet. (Oder warum macht er das?) Da ist der Bürgermeister, der verkündet: | |
„Wer immer es gewesen ist – er soll ab diesem Moment keine ruhige Minute | |
mehr haben!“ Psychogramm einer Kleinstadt, Melodram – „Tod eines Mädchen… | |
ist mehr als nur ein konventioneller TV-Krimi. | |
## Vertrauen in die Kraft der Bilder | |
Niemand bleibt unbeteiligt. Der Cliffhanger am Ende des ersten Teils: | |
Kommissarin Christensens neuer Chef Simon Kessler (Heino Ferch) steht vor | |
der Haustür. Sie hatte ihn zum Abendessen eingeladen. Es dauert ein paar | |
Minuten, bis sie bei einem zufälligen Blick durchs Fenster den Polizeiwagen | |
vor der Tür sieht. Kessler ist nicht zum Kontaktknüpfen gekommen. Die | |
Erkenntnis und die folgende Festnahme werden – von Stefan Holtz und Florian | |
Iwersen (Buch), Thomas Berger (Regie) und Frank Küpper (Kamera) – beinahe | |
wortlos in Bildern erzählt. Und das ist fürwahr eine Ausnahme in einem | |
populären Genre, in dem sich visuelle und sprachliche Informationen | |
regelmäßig so doppeln, dass man sich mitunter fragt, ob man versehentlich | |
die Zweikanaltonfassung für Sehbehinderte eingeschaltet hat. | |
Dieser so gefühlskalt daherkommende Chef Kessler ist mit seiner | |
diagnostizierten Anpassungsstörung wiederum derzeitiger Standard | |
(„Kommissarin Lund“, „Die Brücke“, „Homeland“) – inzwischen also… | |
konventionell. „Arschloch“ nennen ihn die Kollegen. Aber wenn ihm in einer | |
herrlich bösen Miniatur der Kollege von der Abteilung Amtsdelikte | |
(Hansjürgen Hürrig) gegenübersitzt („Wie gesagt, nehmen Sie meine Fragen | |
bitte nicht persönlich“), dann ist Kessler nur das kleinere Arschloch. | |
Hürrig wurde allein für diese eine Szene in einem hervorragend besetzten | |
Film gecastet, in dem etwa Jörg Schüttauf, Hinnerk Schönemann, Rainer Bock, | |
Johann von Bülow und Gustav Peter Wöhler die Verdächtigen spielen. | |
Auch an ihnen liegt es, dass das ständige Hin und Her der Verdächtigungen | |
erstaunlich plausibel gelingt. | |
9 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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