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# taz.de -- Ausstellung über die Roten Khmer: Tonfiguren und Terror
> Kambodscha befreit sich langsam von der Vergangenheit. „Die Roten Khmer
> und die Folgen“ bringt die Geschichte des Landes nach Berlin.
Bild: Tonfiguren erzählen die Geschichte der Roten Khmer.
Dass ein Film aus Kambodscha ein Anwärter für den Oscar als bester
ausländischer Film sein könnte, das wäre vor Kurzem noch undenkbar gewesen.
Die Steinzeitdiktatur der Khmer Rouge hatte das einst weit entwickelte
südostasiatische Land in einen wirtschaftlichen, aber auch kulturellen
Abgrund versenkt, von 1975 bis 1979. Ein Drittel der kambodschanischen
Bevölkerung wurde ermordet.
Besonders Künstler und Intellektuelle wurden Opfer der Roten Khmer, ein
Verlust, von dem sich das Land bis heute nicht erholt hat. Vor der
Machtübernahme der Roten Khmer hatte das Land eine bescheidene, aber
produktive Filmindustrie gehabt, in den vergangenen Jahrzehnten kamen aus
ihm aber vor allem primitivste Geisterfilme.
Immer noch ist Kambodscha eines der ärmsten Länder der Welt, aber
inzwischen hat es begonnen, die lang anhaltenden Nachwirkungen der
Khmer-Rouge-Diktatur hinter sich zu lassen. Die Hauptstadt Phnom Penh fängt
an sich zu entwickeln. Eine junge, gut ausgebildete Generation wächst
heran.
Durch Demonstrationen und Streiks wurde 2014 erstmals das Machtmonopol der
seit über dreißig Jahren regierenden Cambodian People’s Party infrage
gestellt. Und auf der Liste der Oscar-Kandidaten fand sich eben im
vergangenen Jahr auch der autobiografische Film „Das fehlende Bild“ von
Rithy Panh wieder.
## Verbrechen sichtbar machen
Der Filmemacher wurde im französischen Exil zum Regisseur ausgebildet,
während der Diktatur der Roten Khmer verlor er seine gesamte Familie. Als
er nach einer adäquaten Art suchte, ihre Geschichte zu erzählen, wurde er
auf die kleinen Tonfiguren aufmerksam, die sein Bühnenbildner Sarith Mang
in Drehpausen zum Zeitvertreib knetete. Mit den Figuren gelang es ihm, die
Verbrechen der Khmer Rouge darzustellen, die es bewusst vermieden hatten,
visuelle Dokumente der Unterdrückung zu hinterlassen.
Auch wenn letztlich ein anderer Film den Auslands-Oscar gewann, „La Grande
Bellezza“ von Paolo Sorrentino: Kambodscha hatte auf der internationalen
Bühne auf sich aufmerksam gemacht, und zwar nicht durch Armut und
Korruption, sondern durch einen formal ausgeklügelten und bewegenden Film.
In Deutschland wurde „Das fehlende Bild“ bisher erst einmal bei Arte
gezeigt. Nun ist er in der Ausstellung „Die Roten Khmer und die Folgen“ in
der Berliner Akademie der Künste jeden Nachmittag als Teil eines
umfangreichen Filmprogramms zu sehen, für das man Zeit mitbringen sollte.
## Wasser in Bombenkratern
Die Ausstellung präsentiert zeitgenössische Kunst aus Kambodscha in
Kombination mit internationalen Positionen. Die Arbeiten demonstrieren,
dass das Land die Zeit hinter sich gelassen hat, in der Kunst lediglich
Ölschinken von Tempelmotiven und nachgeschnitzte Buddhas bedeutete.
Vandy Rattana hat in einer konzeptuellen Fotoserie mit Wasser gefüllte
Bombenkrater abgelichtet. Sie stammen aus der Zeit, als die Amerikaner
während des Vietnamkriegs den Ho-Chi-Minh-Pfad bombardierten, der teilweise
durch kambodschanisches Territorium verlief. Die Bilder waren zum Teil
bereits bei der documenta 2012 zu sehen, sie sind ein stiller, aber umso
eindrücklicherer Hinweis auf diesen Bruch internationalen Rechts, der
damals von der Weltgemeinschaft geduldet wurde.
Aber es geht bei der Ausstellung nicht nur um die Aufarbeitung der
Vergangenheit. Die Werke von Khvay Samnang, derzeit Stipendiat im Berliner
Künstlerhaus Bethanien, sind eine subtile Kritik des ungebremsten
Wachstums, das Phnom Penh derzeit im Wochenrhythmus verändert. Private
Investoren haben begonnen, Phnom Penh mit ersten Hochhäuser vollzustellen.
Bei der Vertreibung von Einwohnern zeigen sie wenig Skrupel.
Die Bebauung überfordert auch die Infrastruktur der Stadt, deren
Kanalisation zum Teil noch aus der Kolonialzeit stammt. In der Regenzeit
stellt sie regelmäßig den Dienst ein, doch die städtischen Seen und Kanäle,
die für die Entwässerung der Stadt eine wichtige Rolle spielen, werden von
den neuen Bauherrn systematisch zugeschüttet.
Wenn Khvay Samnang sich als eine Art Sumpfmonster in den verbliebenen
Wasserlöchern inszeniert, ist das also auch eine Kritik an der
unregulierten Entwicklung Kambodschas, die auf dem Rücken der
gesellschaftlich Schwächsten ausgetragen wird. In den vermüllten Gewässern,
die mit Lotus und Schlingpflanzen zugewachsen sind, kippt sich der Künstler
Seeschlamm über den Kopf. Im Hintergrund wächst das neue Phnom Penh in den
Himmel. Die Bilder des australischen Fotografen Tim Page konfrontieren
solche urbanen Probleme mit der himmelschreienden Armut der
Landbevölkerung.
Die Khmer Rouge hatten übrigens auch in Europa ihre Unterstützer in einer
Zeit, in der es unter westlichen Linken en vogue war, jede
Dritte-Welt-Guerilla als Kämpfer gegen den internationalen Imperialismus zu
feiern – ohne den Methoden größere Beachtung zu schenken, mit denen sie ihr
politisches Programm durchsetzten. Über diese naive Romantisierung wird auf
einem Panel mit Gerd Koenen, Historiker der politisierten siebziger Jahre
(„Das Rote Jahrzehnt“), diskutiert.
28 Jan 2015
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
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Fotografie
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