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# taz.de -- Urteil gegen Rote Khmer: Sehr späte Gerechtigkeit
> Zwei der ranghöchsten Exfunktionäre der Roten Khmer wurden zu
> lebenslanger Haft verurteilt. Doch Kritiker sehen eklatante Versäumnisse
> in der Aufarbeitung.
Bild: Opfer der Roten Khmer nach der Urteilsverkündung.
BANGKOK taz | Der Chefrichter des UN-gestützten Sondertribunals, Nil Nonn,
fand in der Urteilsbegründung deutliche Worte: Nuon Chea und Khieu Samphan
würden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden,
darunter Mord, politische Verfolgung, Zwangsvertreibungen und andere
unmenschliche Handlungen. Die beiden Angeklagten, der „Bruder Nummer zwei“
und einstige Chefideologe der Roten Khmer, Nuon Chea (88), sowie
Exstaatschef Khieu Samphan (83), quittierten das Urteil schweigend. Wegen
ihrer Verbrechen müssen die beiden Hochbetagten den Rest ihres Lebens in
Haft verbringen. Ihre Anwälte wollen in Berufung gehen.
Während Gerichtssprecher Lars Olsen von einem „historischen Tag für das
kambodschanische Volk und das Gericht“ sprach, äußerten Hunderte angereiste
Überlebende gemischte Gefühle. Die einen zeigten sich erleichtert: Eine
große Last sei ihnen von der Seele gewichen. Andere hingegen erklärten, das
Urteil sorge zwar für – reichlich verspätete – Gerechtigkeit, könne aber
die Wunden der Vergangenheit nicht heilen.
Manche hatten ihre Hoffnungen jedoch längst begraben: Theary Seng, die ihre
Eltern während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer verlor und als
erste Nebenklägerin zugelassen worden war, hatte sich 2011 vom Tribunal
distanziert: Dieses sei zur „Farce“ und zum „politischen Theater“ gewor…
sagte die Anwältin und Aktivistin damals der taz.
Auch von Prozessbeobachtern und Menschenrechtlern hagelte es harsche
Kritik: Moniert wurde, dass juristische Querelen sowie Vorwürfe wegen
Korruption und politischer Einflussnahme die Verfahren verzögerten. Allein
schon die Etablierung des Gerichtshofs war zäh: Erst im Juni 2003 hatte
sich Kambodschas Regierung mit der UNO nach fünfjährigen Verhandlungen
darauf geeinigt, das Tribunal einzurichten, dessen Juristen im Juli 2006
eingeschworen wurden.
## Zwei Urteile in acht Jahren
Nach acht Jahren Arbeit und Kosten von über 200 Millionen US-Dollar hat
dieses erst zwei Urteile gefällt: Außer Nuon Chea und Khieu Samphan, die
sich noch in einem zweiten Verfahren wegen Völkermordes verantworten
müssen, war nur der einstige Folterchef Kaing Khek Iev alias „Duch“, Leiter
des berüchtigten Tuol-Sleng-Gefängnisses, nach einem [1][Berufungsprozess
im Februar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt worden].
Zwar waren noch zwei weitere Exkader der Roten Khmer angeklagt gewesen.
Doch Exaußenminister Ieng Sary starb im März 2013 mit 87 Jahren. Und dessen
Ehefrau Ieng Thirith, die einstige Sozialministerin, war wegen Demenz für
prozessunfähig erklärt und im Jahre 2012 auf freien Fuß gesetzt worden.
Kritiker erklärten, in den Verbindungen zwischen dem amtierenden
Staatsapparat und den einstigen Roten Khmer, unter deren
Schreckensherrschaft etwa zwei Millionen Menschen ermordet wurden, sei der
Hauptgrund für die Verzögerung zu suchen. Premierminister Hun Sen, selbst
ein übergelaufener Exoffizier der Roten Khmer, hatte sich öffentlich
darüber mokiert, wer eigentlich wofür vor Gericht gestellt werden solle.
Zudem ist mehr als fraglich, ob weitere mutmaßliche Täter auf der
Anklagebank landen werden. Mehrfach hatte Hun Sen erklärt, dass er – über
den Kreis der ursprünglich fünf Exfunktionäre hinaus – keine weiteren
Anklagen zulassen werde.
Der autokratische Premier warnte gar vor Bürgerkrieg, sollten noch mehr
Details aus der Vergangenheit zutage gefördert werden. Informationsminister
Khieu Kanharith hatte sich in Anspielung auf Versuche von Koanklägern,
weitere Ermittlungen anzustellen, ähnlich unverblümt geäußert: „Sollten
internationale Juristen des Tribunals zusätzliche Fälle vorantreiben
wollen, sollten sie ihre Koffer packen und Kambodscha verlassen“, sagte er.
7 Aug 2014
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## AUTOREN
Nicola Glass
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Rote Khmer
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