# taz.de -- Westafrika hofft auf Ende der Ebola-Krise: Fehler und Pannen zuhauf | |
> Im Kampf gegen das tödliche Virus wendet sich das Blatt – aber ist die | |
> Krankheit besiegt? Die Erkenntnisse aus der Ebola-Epidemie gilt es | |
> umzusetzen. | |
Bild: Ebola-Behandlungszentrum in Gueckedou, Guinea. | |
DAKAR ap | Als vor wenigen Tagen der Leiter der Ebola-Mission der UN, | |
Ismael Ould Cheikh Ahmed, ein Behandlungszentrum in Sierra Leone besuchte, | |
fand er dort nur noch drei Patienten vor. Das Blatt im Kampf gegen das | |
tödliche Virus scheint gewendet, die Zahl der Neuerkrankungen geht zurück | |
und die düstere Prognose, wonach bis Mitte Januar 1,4 Millionen Menschen | |
mit Ebola infiziert sein könnten, stellte sich als falsch heraus. Die Zahl | |
der bestätigten, möglichen und mutmaßlichen Fälle liegt vielmehr bei | |
21.797. | |
8.675 Menschen starben in den vergangenen zehn Monaten an Ebola. „Die Dinge | |
haben sich drastisch zum Besseren gewendet – niemand kann das bestreiten“, | |
sagt der Landesdirektor des Internationalen Rettungskomitees für Liberia, | |
Aitor Sanchez Lacomba. Die Frage sei nun: „Wie können wir sicherstellen, | |
dass wir in Zukunft nicht wieder in eine solche Lage kommen?“ | |
Es soll anders werden als bei früheren Epidemien wie Sars und Vogelgrippe, | |
als die Lehren daraus nicht konsequent umgesetzt wurden. Nach der | |
Schweinegrippe 2009 ließ die Weltgesundheitsorganisation eine unabhängige | |
Überprüfung des Umgangs mit der Epidemie vornehmen. Es wurde nach starken | |
Gesundheitsüberwachungssystemen gerufen und ein Nothilfefonds über 100 | |
Millionen Dollar gefordert. | |
Umgesetzt wurde nichts. Die WHO musste Einsparungen vornehmen, zu Beginn | |
der Ebola-Krise gab es in Westafrika so gut wie keine Behandlungszentren | |
und viel zu wenig medizinisches Fachpersonal. | |
„Schuldzuweisungen sind kontraproduktiv“, sagte der Chefbeauftragte der UN | |
für Ebola, David Nabarro, vergangene Woche in der Vollversammlung in New | |
York. „Es wird notwendig sein zu erfahren, ob auf diesen Ausbruch schneller | |
und mit weniger Leid und Verlusten hätte reagiert werden können.“ | |
Vom Wendepunkt im Kampf gegen Ebola spricht auch der neue Leiter der | |
UN-Mission für Ebola – kurz Unmeer –, Ismael Ould Cheikh Ahmed. Die Zahl | |
der Ebola-Fälle in Guinea und Sierra Leone ist nach offiziellen Angaben auf | |
dem niedrigsten Stand seit August, und in Liberia auf dem niedrigsten Stand | |
seit Juni. | |
Aber ist Ebola deshalb schon besiegt? Seuchenexperten verweisen auf | |
fehlende Informationen zu den aktuellen Fällen. So wisse man nur bei der | |
Hälfte der Neuinfektionen in Guinea und Liberia, dass sie vom Kontakt mit | |
registrierten Ebola-Kranken herrührten. Die andere Hälfte hat sich demnach | |
auf unbekanntem Weg angesteckt. Für Sierra Leone gibt es eine solche | |
Statistik noch immer nicht. | |
„Es gibt immer noch alarmierende Zahlen von Neuerkrankungen, und es gibt | |
neue 'Hotspots' an neuen Orten die uns glauben lassen, dass es immer noch | |
einen großen Teil der Krankheit gibt, den wir nicht sehen“, mahnt Nabarro. | |
## WHO versagte | |
Noch immer existiert kein erprobter Impfstoff gegen das Virus, noch immer | |
keine amtlich zugelassene Behandlungsmethode. Fast überall kam es zu | |
Fehlern und Pannen in der Reaktion auf den Ausbruch, sei es bei Behörden, | |
Regierungen oder Organisationen. Die WHO räumte im vergangenen Jahr in | |
einem internen Papier ein, es habe ein Versagen gegeben, „die von Beginn an | |
vorhandenen Bedingungen für eine explosive Ausbreitung zu erkennen“. | |
Inkompetente Mitarbeiter und bürokratische Schnitzer hätten verzögert, dass | |
Fachpersonal und Geld schnell für den Kampf gegen das Virus zur Verfügung | |
gestellt worden seien. Die WHO selbst sei von Etatkürzungen und dem Kampf | |
gegen Krankheiten anderswo in der Welt ausgebremst worden. | |
Fachleute sind sich einig darüber, dass im Kampf gegen Ebola viel Zeit | |
verschwendet worden sei. Es habe viel zu lange gedauert, Behandlungszentren | |
zu errichten. Staaten, die Soldaten in den Kampf gegen Ebola entsandt | |
hätten – vor allem die USA und Großbritannien – hätten nicht voll hinter | |
der Aktion gestanden. | |
Der Einsatzleiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Brice de le | |
Vingne, hofft dennoch, dass Ebola gerade wegen seines beispiellosen | |
Ausmaßes eine Verhaltensänderung der internationalen Gemeinschaft für die | |
Zukunft bewirkt habe. | |
## Schnelle Eingreiftruppe fehlt | |
De le Vingne, sagt aber auch, Ebola habe ein Vakuum in der globalen | |
Organisation des Gesundheitswesens offenkundig gemacht. „Die Welt hat heute | |
keine richtige Organisation, die schnell auf eine solche Katastrophe | |
reagiert“, sagt er. | |
Einer der Mitentdecker des Ebola-Virus, Peter Piot, sagt, der Einfluss | |
kultureller Bräuche auf die Seuchenbekämpfung sei unterschätzt worden. Und | |
es werde auch unterschätzt, wie schwierig es sei, das zu ändern. | |
In Sierra Leone verabschieden sich Angehörige von ihren Toten, indem sie | |
ihre Leichname berühren – und das ist einer der schnellsten Wege, sich mit | |
Ebola zu infizieren. „Wir stellen Richtlinien auf, aber es ist noch so viel | |
mehr nötig“, sagt Piot. | |
In einem kürzlich veröffentlichten WHO-Bericht hieß es: „Das Virus hat | |
seine Zähigkeit wieder und wieder bewiesen“. „Werden die nationalen und | |
internationalen Kontrollbemühungen dasselbe zähe Stehvermögen zeigen?“ Am | |
Sonntag wollte die WHO über Vorschläge für eine optimierte Bekämpfung von | |
Epidemien beraten. | |
25 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Krista Larson | |
Maria Cheng | |
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