# taz.de -- Schwulen-Magazin „Männer“: David Berger fristlos entlassen | |
> Dem Bruno-Gmünder-Verlag war nicht mehr wohl: Nach Kritik an Texten des | |
> „Männer“-Chefredakteurs warf er diesen nun hinaus. | |
Bild: Nicht mehr in Amt und Würden: David Berger. | |
Sonntagvormittag kursierten erste Gerüchte, Montag erhielt David Berger, | |
der bekannteste schwule Journalist im Lande, von seinen Vorgesetzten die | |
fristlose Kündigung. Er amtiert nun nicht mehr als Chefredakteur des | |
Magazins Männer. Sein Nachfolger wird Kriss Rudolph, bislang schon | |
Mitarbeiter von Berger in der Männer-Redaktion. | |
Berger gehört zu den profiliertesten Kritikern christlicher, vor allem | |
katholischer Homophobie – ihrer amtskirchlichen Strukturen und | |
Einflussnahmen auf die Politik. Als Autor des Buches „Der heilige Schein. | |
Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ – eine profunde Schrift, | |
die 2010 perfekt zu den heuchlerischen Debatten im vatikanischen Klerus, | |
etwa zur Pädosexualität einer Fülle von Priestern, passte – war er Gast in | |
so gut wie in allen Talkshows des Fernsehens. | |
Im Mai 2013 wurde Berger zum Chefredakteur von Männer bestellt. Dieses | |
Magazin war bis dahin eine mehr oder weniger journalistisch drapierte | |
Annoncenwerbefläche für die erotisch-visuellen Produkte aus dem | |
Bruno-Gmünder-Verlag. Der 46-jährige machte aus dem Hochglanzmagazin quasi | |
über Nacht eine homobürgerrechtlich orientierte Illustrierte, die | |
absichtsvoll Debatten innerhalb der schwulen Community befördern sollte. | |
Das politische Credo des Chefredakteurs könnte man umfassen mit: Schwule | |
müssen um ihre Rechte kämpfen, für ihre öffentliche Präsenz – und vor al… | |
dürfen an Bürgerrechten interessierte Homosexuelle sich nicht von den | |
Interessen anderer abhängig machen. Politisch müsse Männer unabhängig sein: | |
„Wer manches von dem, was wir veröffentlichen, als rechts wahrnimmt, soll | |
das tun. Andere nehmen uns als links wahr. Beides kann richtig sein – wir | |
wollen Diskussion, keine Publizistik, die päpstlich dekretiert“, so Berger. | |
Im November allerdings kündigte die Deutsche Aidshilfe an, künftig keine | |
Anzeigen mehr in Männer schalten zu wollen – denn das Magazin befördere | |
eine Vorstellung von Männlichkeit, die nicht mehr zeitgemäß sei. Muskulöse, | |
glatte, makellose Körper plus Diskrimierendes gegen Mitglieder der | |
Community, die diesem Bild nicht entsprechen. | |
Konkret sind diese Vorwürfe nie so ganz belegt worden – allen Dossiers in | |
einschlägigen queeren Foren zum Trotz. Berger gab sich empört: Die | |
Annoncenrücknahme, die in der Tat die finanzielle Basis des Blattes mit | |
sichert, sei für eine durch Steuermittel finanzierte Organisation nicht | |
statthaft. Sie habe sich an den Verbreitungschancen ihrer | |
Präventionskampagnen zu orientieren, nicht am politischen Geschmack der | |
Annoncengeber, [1][sagte Berger der taz in einem Interview Anfang Januar]. | |
## „Männer“ war auf einem guten Wege | |
Aber der Verlag, der Männer (noch) herausgibt, knickte nun doch ein. Er | |
ließ sich auch nicht erweichen durch den Umstand, dass durch Bergers | |
Interventionen (in Männer, mit Kommentaren, die zu diesem Magazin führten, | |
in der deutschen Huffpo) die Leserschaft für das publizistische Flaggschiff | |
des Hauses immens angewachsen war. | |
In Leserkommentaren hieß es, man werde kontrovers informiert und fühle sich | |
durch Männer gut ins Bild gesetzt. Außerdem, so äußerten Leser, sei es auch | |
genug gewesen mit Berichten, die überwiegend von in den siebziger, frühen | |
achtziger Jahren sozialisierten schwulen Journalisten verfasst worden | |
waren. Mit anderen Worten: Männer war gemessen an den bankrottösen | |
Auflagen- und Aufmerksamkeitskennziffern auf einem guten Wege. | |
Offizieller - vielleicht letztgültiger - Anlass für die Kündigung war ein | |
Text des Autors Daniel Krause, den David Berger im „Männer“-Kanal in der | |
Huffington Post veröffentlichte. Krause hatte zuvor [2][im WDR den | |
Holocaust relativiert und verharmlost], indem er erklärte, ihm ginge das | |
Problem der Massentierhaltung näher als Auschwitz. Der Beitrag, der | |
inzwischen aus der Huffpo entfernt worden ist, entsprach auch, was die | |
Islamdebatte anbetrifft, nicht den Wünschen der Herausgeber: Der Autor | |
Krause wie auch der Chefredakteur Berger sollen allzu stark die | |
Beschwernisse des Islam (in den allermeisten seiner Strömungen) mit dem | |
Thema Homosexualität thematisiert haben. Dies geht aus Unterlagen hervor, | |
die der taz vorliegen. | |
Vielleicht war David Bergers Problem am heftigsten in einer Sache | |
begründet, die jeder Verein, jede Organisation, jedes Medium stiftet: Er, | |
der gelernte Theologe, verfügt nicht über diesen gewissen Stallgeruch der | |
schwulen Szene der Bundesrepublik. Einer, der sich buchstabiert wie: | |
Homoehe ist doof und unnötig, politischer alternativer Lifestyle in queerer | |
Hinsicht ist obligatorisch, wichtig ist das schwule Milieu und ein Blick | |
über den eigenen Tellerrand hinaus eher nicht so von Gewicht. Berger ist | |
ein homosexueller Journalist, der Kontroversen ins Leben rief und die Pros | |
und Contras in den Ring holte: Das ist ungefähr das, was all seine | |
Vorgänger im Job nicht vermochten. | |
Für die Öffentlichkeit muss David Bergers Demission nichts bedeuten. | |
Schwule Medien fristen ein Randdasein im allgemeinen Publizistikgewerbe – | |
abgesehen von reinen Anzeigenblättern wie der Berliner Siegessäule oder | |
Blu: Darin wird über Termine und Veranstaltungen mit einem diesem Service | |
dienlichen journalistischen Anspruch informiert. Das volle Spektrum des | |
schwulen Diskurses über die jugendlichen und schwulenbewegten Szenen hinaus | |
bilden diese Blätter nicht ab. | |
David Berger wird weiter für die Huffpo seine tatsächlich häufig geklickten | |
Texte schreiben. Kriss Rudolph steht bei Männer vor der Aufgabe, ebensoviel | |
Aufmerksamkeit für das Blatt bewirken zu müssen wie sein Vorgänger. | |
Anmerkung des Autors, 3. Februar 2015: | |
Ich muss, ich möchte mich korrigieren. Tatsächlich habe ich beim Schreiben | |
meines kommentierenden Textes den Autor Daniel Krause nicht einschätzen | |
können – prinzipiell war und bin ich der Auffassung, dass das Gebot der | |
Meinungsfreiheit gerade publizistisch weit höher anzusiedeln ist als das | |
der politisch zulässigen Geläufigkeit. Daniel Krauses Beiträge, die | |
inzwischen auf HuffPost Media nicht mehr nachlesbar sind, sind in der Tat | |
unerträglich. | |
Der Autor darf natürlich unerträglich sein, das ist, in seinem Fall, jetzt | |
Angelegenheit der nordrhein-westfälischen Schulbehörden. Was mich nun | |
entsetzt – ich bitte um Verzeihung, dass mir das erst im Laufe des späten | |
Montagnachmittags zu prüfen möglich war –, ist, dass offenbar David Berger | |
im Kontext des Gedenktages am 27. Januar zur Befreiung des KZ Auschwitz | |
1945 diesen Autor und dessen Text zu veröffentlichen möglich machte. Wie | |
ich Montagabend erfuhr war der Verlag, in dem Männer Magazin erscheint und | |
dessen Chefredakteur David Berger bis Montag war, diesem bis zu diesem Text | |
gewogen und um Ausgleich bemüht. Nun muss ich einräumen, dass ein | |
redaktionelles Ja zu einem Text auf Huffpo wie dem von Daniel Berger nicht | |
akzeptabel ist. | |
Ich kann noch anfügen: Nach meinem Verständnis ist die Relativierung | |
dessen, wofür das Wort „Auschwitz“ auch steht, in unserem Lande | |
strafbewehrt – gut so. Man könnte jetzt sagen: Vielleicht hat David Berger | |
das sogar in Kauf genomnen, um die – ob zurecht oder unrecht – Giftigkeiten | |
gegen ihn auf die Spitze zu treiben. Darüber mag ich nicht spekulieren. | |
Aber mit der Last, die mit der Autorschaft Daniel Krauses er sich hat | |
aufbürden wollen, konnte der Verlag nicht umgehen: Das ist mir inzwischen, | |
zugegeben, verständlich. | |
Und nach meiner – vielleicht zu groben – Zählung hat niemand unter den | |
heftigsten Kritikern David Bergers auch nur einmal dieses Magazin gekauft. | |
Sondern - das weiß ich, weil ich davon selbst 'betroffen' war – viele | |
schwule Journalisten haben Freiexemplare erhalten: Für den politischen | |
Szenetalk war Männer kein „must have“ – sondern allenfalls ein „can ge… | |
Ich bedaure meinen Einschätzungsfehler, was das Aktuelle angeht. Nicht, was | |
die Person David Bergers als erfrischende und höchst streitbare Alternative | |
zum Üblichen anbetrifft. Er kniff vor keinem Streit – und er ließ ihn, bei | |
allen Übertreibungen, zu. Das ist sein Verdienst bis zur Veröffentlichung | |
des monierten und in der Tat monierenswerten Textes gewesen. | |
Anmerkung der Redaktion, 2. Februar 2015: In einer früheren Version des | |
Textes hieß es, Daniel Krause sei Autor der Huffington Post und habe dort | |
den Holocaust relativiert und verharmlost. Beides ist unwahr: Krauses | |
Beitrag wurde von Berger weitergeleitet, in diesem ging es um „Islamismus | |
und die queere Szene“. Wir bitten, diese Fehler zu entschuldigen. | |
2 Feb 2015 | |
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[2] http://www1.wdr.de/studio/dortmund/themadestages/lehrerauschwitz100.html | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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