# taz.de -- Berlinale – was bisher geschah (6): Nette Kriegsverbrecher | |
> Die Regisseure Marcel Ophüls und Joshua Oppenheimer wissen, dass Monster | |
> nicht immer aussehen, wie wir es uns vorstellen. | |
Bild: In der Dokumentation „The Look of Silence“ besucht Joshua Oppenheimer… | |
Der große Dokumentarfilmer Marcel Ophüls, 87 Jahre alt, wird manchmal | |
langsam, wenn er redet. Aber er formuliert dann auch sehr genau. Es habe | |
einen schwierigen Punkt gegeben, sagte er im Rahmen des Programms Berlinale | |
Talents Master Class, den er im Laufe seines Lebens habe begreifen müssen. | |
Der Punkt bestehe darin, dass Monster nicht so aussehen, wie wir uns | |
Monster vorstellen. Ophüls: „Die Täter sehen nicht so aus, als ob sie das | |
getan hätten, was sie tatsächlich getan haben.“ | |
Das habe er spätestens einsehen müssen, als er Albert Speer begegnet sei, | |
einem überaus charmantem Mann. Es sei schwierig gewesen, damit umzugehen, | |
dass dieser große Kriegsverbrecher so viele attraktive Seiten hatte. | |
„The Memory of Violence“ hieß die sehr gut besuchte Veranstaltung. Neben | |
Ophüls saß der US-Dokumentarfilmer Joshua Oppenheimer. Es hatte etwas | |
Schönes, dabei zuzusehen, mit wie viel Respekt sich Ophüls und der 47 Jahre | |
jüngere Oppenheimer begegneten. | |
Mit seinen obigen Sätzen, vielleicht so etwas wie eine Summe seines | |
Schaffens („The Memory of Justice“, „Hotel Terminus“), reagierte Marcel | |
Ophüls auf Filmausschnitte von Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm „The Look | |
of Silence“. Oppenheimer folgt darin einem indonesischen Optiker, der dem | |
Schicksal seines Bruders nachforscht: Der Bruder wurde in den Sechzigern | |
eines der vielen, vielen Opfer der politischen Morde in Indonesien. | |
## Schlaflose Nächte | |
In einem der Ausschnitte sitzen der Optiker vor und Oppenheimer hinter der | |
Kamera in dem Wohnzimmer eines der damaligen Schlächter. Die Witwe und die | |
beiden Söhne des inzwischen verstorbenen Täters sitzen ihnen gegenüber und | |
lügen sie an, von nichts gewusst zu haben. Gleichzeitig sieht man ihre | |
Aufregung und ihre Angst. „Die Wunde ist jetzt offen“, sagt der Ältere der | |
Söhne. Wirklich eine eindringliche Szene, die viel davon erzählt, wie | |
leicht es manchmal ist, sich über die Täter zu empören, und wie viel | |
schwerer, ihnen und ihren Nachkommen Auge in Auge gegenüberzusitzen. | |
Marcel Ophüls wollte dann von Oppenheimer wissen, wie er solche Szenen | |
hinbekommen habe. Der erzählte von den jahrelangen Vorbereitungen und von | |
den schlaflosen Nächten, die er in der Folge gehabt habe, wenn er etwa | |
einem freundlichen indonesischen Großvater begegnet sei, der als Henker der | |
Militärdiktatur in den Siebzigern siebzig Kommunisten pro Nacht die Kehle | |
aufgeschlitzt hatte. | |
Marcel Ophüls wies auch auf einen entscheidenden Unterschied ihrer Arbeiten | |
hin. Er selbst habe die Nazitäter gefilmt, als Europa längst befreit war. | |
Oppenheimer dagegen hat in einer Situation gearbeitet, in der die | |
Nachfolger der damaligen Täter immer noch an der Macht sind. | |
11 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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