| # taz.de -- Britischer „Guardian“: Einer, der viel richtig macht | |
| > Die Redaktion der Zeitung wählt am Mittwoch einen neuen Chefredakteur. | |
| > Unter den vier KandidatInnen ist auch ein Deutscher: Wolfgang Blau. | |
| Bild: Wolfgang Blau hat „Zeit Online“ als Chefredakteur maßgeblich zum Erf… | |
| Beim Guardian haben sie in den vergangen Jahren viel richtig gemacht. Die | |
| Zeitung ist zwar defizitär, stellt sich aber für die Zukunft intelligent | |
| auf. Die Redaktion lebt das Digitale und installiert neue Redaktionen – | |
| nicht zu Hause in London, sondern überall dort, wo Englisch gesprochen | |
| wird: Die Zeitung betreibt Dependancen in den USA und Australien und das | |
| nicht nur als Korrespondenz, sondern um von dort für dort zu berichten. | |
| Eine kluge Entscheidung war es auch, dem deutschen Medienmarkt Wolfgang | |
| Blau zu nehmen. Der heute 47-Jährige ist seit bald zwei Jahren Director of | |
| Digital Strategy. Jetzt hat er sich für den Chefposten beworben. Wolfgang | |
| Blau als Nachfolger des so profilierten Alan Rusbridger, ein Medienmacher | |
| aus Deutschland an der Spitze einer internationalen Redaktion? Das wäre | |
| eine Sensation und für den Guardian nicht die schlechteste Option. | |
| Neben Blau stehen drei Frauen zur Wahl, unter anderem von Guardian US und | |
| die Chefredakteurin vom Guardian Online. Seit 1995 dürften die Mitarbeiter | |
| über ihren Chefredakteur abstimmen – ungewöhnlich in der Medienwelt. Das | |
| letzte Wort hat allerdings der Scott Trust, die Eigentümerstiftung der | |
| Guardian Media Group. | |
| Bevor Blau nach London zog, arbeitete er in Hamburg und Berlin für Zeit | |
| Online. Auch hier haben sie in den vergangenen Jahren viel richtig gemacht | |
| – allen voran Blau, der Intellekt lebt und liebt. Zum Beispiel die Debatte | |
| um die Folgen der Digitalisierung: Blau hat sehr früh dafür gesorgt, dass | |
| seine Leute das Verspielte hintanstellen und die Vernetzung kritisch | |
| begleiten. Das einst kleine Zeit Online hat sich auf dem Feld „Datenschutz“ | |
| profiliert – und glänzt mit einer einzigartigen Kommentarkultur. Blau hat | |
| in die Moderation der Leserkommentare investiert. Unter den Artikeln auf | |
| Zeit Online steht heute vieles, was die Diskussion bereichert. | |
| ## Nachhaltige Ausweitung des Geschäfts | |
| Die Rusbridger-Ära beim Guardian war geprägt von Enthüllungen und der | |
| Arbeit in journalistischen Netzwerken. Ob nun Material aus den | |
| US-Botschaften oder von Edward Snowden: Der Guardian kann leaken und | |
| genießt bei Informanten mehr Vertrauen als viele andere Medienhäuser. Jetzt | |
| geht es vor allem um die nachhaltige Ausweitung des Geschäfts, damit – | |
| irgendwann – auch die Kasse stimmt. Blau ist das zuzutrauen. | |
| Spricht Blau über die Zukunft, dann gerne von einem „relevant set of five | |
| or ten“: Er will zu den fünf oder zehn Medienmarken gehören, die | |
| langfristig im Digitalen eine Rolle spielen. Auch wenn der Spiegel seit | |
| Jahren ein kleines englisches Angebot hat und auch das Handelsblatt gerade | |
| einen Versuch unternimmt: Kein deutsches Medium hat es geschafft, | |
| international ständig Beachtung zu finden. Dass Blau dem hiesigen Markt den | |
| Rücken gekehrt hat, spricht für seinen inneren Kompass. | |
| Der würde auch dem Guardian helfen, seinen Kurs zu optimieren, der wie | |
| viele britische Medien zu sehr auf die USA blickt. Was in Europa passiert, | |
| kommt oft zu kurz. Erst im Herbst sagte Blau auf einem Branchentreffen in | |
| Berlin, sein täglicher Blick auf die deutschen Portale sei „ein angenehmer | |
| Kontrast“. Wer dann beklagt, dass Blau hierzulande fehlt und so weit weg in | |
| London ist, der hört von ihm: „’Nun in UK‘ klingt wie ’verschollen in | |
| Tibet‘.“ Mit seinem europäischen Blick könnte Wolfgang Blau für den | |
| Guardian ein Gewinn sein. | |
| 24 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bouhs | |
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