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# taz.de -- Crime-Buch „Zeig dich, Mörder“: Sein ist die Rache
> Louis Begley erzählt von einem Kriegsheimkehrer, der zur Selbstjustiz
> greift. „Zeig dich, Mörder“ ähnelt dabei einem Doris-Day-Film.
Bild: Selbstmord aus Verzweiflung, Protagonist Jack Dana glaubt nicht daran
Ein bisschen wie aus der Zeit gefallen mutet er an, Jack Dana, der Held des
neuen Romans des mittlerweile 81-jährigen Louis Begley, der als Jurist
nicht mehr praktiziert, dafür aber als Autor große Präsenz beweist. Dieses
berufliche Profil teilt er mit seinem Protagonisten, der allerdings etwa
zwei Generationen jünger und darüber hinaus Kriegsheimkehrer ist.
Jack Dana war als Offizier für die US Army in Afghanistan und anderswo;
über die seelischen Narben, die er dabei davongetragen haben könnte, lässt
er die Leser weitgehend im Dunkeln. Mit einem Buch über seine
Kriegserlebnisse wird Jack zum gefeierten Autor und beschließt,
Vollzeitschriftsteller zu werden. Nach einem ausgedehnten Schreibaufenthalt
ohne Internetzugang im brasilianischen Hinterland kehrt er nach New York
zurück, um sich dort mit einem Schreckensszenario konfrontiert zu sehen:
Sein Onkel Henry, der ihm sehr nahestand – der einzige Verwandte, den er
noch hatte –, wurde erhängt in seinem Wochenendhaus aufgefunden.
Selbstmord aus Verzweiflung, wie es aussieht. Doch Jack glaubt nicht daran.
Allein die Tatsache, dass Henrys Sekretärin am Tag nach dem angeblichen
Selbstmord vor eine U-Bahn gestoßen wurde, lässt ihn stutzig werden. Und er
weiß, dass Henry, ein renommierter Wirtschaftsanwalt, einen schwierigen
Mandanten hatte.
Der Kriminalfall, den Begley entwirft, hat viel von Kasperletheater. Weder
interessieren ihn das in Frage stehende Wirtschaftsverbrechen und seine
gesellschaftlichen Hintergründe, noch baut er ein auch nur annähernd an der
Realität orientiertes Szenario auf. Sorgfältig zimmert er einen Haufen
effektvoller, aber schwächlicher Kulissen, die dazu angelegt sind, seinem
Helden eine Bühne zu bieten.
## Erotische Dialoge, klischeehafte Figuren
Kein Kriminalbeamter, kein Staatsanwalt ist stutzig geworden ob des
Zusammentreffens der zwei Todesfälle, keiner untersucht den Mord an der
Sekretärin in der U-Bahn, und niemand hatte das iPhone in den Polstern von
Henrys Sofa gefunden, mit dem er rein zufällig den Dialog mit seinem Mörder
aufgezeichnet hatte. Erst Jack stößt darauf und kommt mit der neu
gewonnenen Geliebten Kerry, einem Männertraum von schwarzlockiger Anwältin
in hochhackigen Schuhen, überein, es nicht der Polizei zu übergeben, da es
als Beweismittel ohnehin nicht anerkannt werde.
Die handlungslogischen Unwahrscheinlichkeit gehen noch Hand in Hand mit
einer klischeehaften Figurenzeichnung. Insbesondere die Dialoge und Szenen
zwischen Jack und Kerry wirken wie einem Doris-Day-Film entnommen und
gipfeln in Passagen wie „Kerry trug ein einteiliges Kleid aus schwarzem
Seidenjersey und gefährlich hohe Absätze. Ich verstand ohne Worte, dass sie
Lust auf Sex hatte. Sie schlug die Augen nieder, und ich führte sie ins
Schlafzimmer.“ Man muss Kerry und Begley allerdings zugute halten, dass sie
Jack verlässt, nachdem er auf rechtlich sehr zweifelhafte Weise Rache an
Henrys Mörder genommen hat.
Dies hat – aber das ist nur eine Vermutung – wohl das eigentliche Thema des
Romans sein sollen: Ein Mann, der durch die Außenpolitik der USA zum
Krieger wurde, ist nach seiner Rückkehr nicht mehr willens, die zivilen
Gesetze des Landes anzuerkennen, und greift zur Selbstjustiz.
## Unsympathischer Möchtegernkrieger
Ein im Prinzip interessantes, aktuelles Thema, das der Autor allerdings
auch dadurch verfehlt hat, dass diesem Möchtegernkrieger im Rahmen des
Romans keine auch nur annähernd funktionierende zivile Exekutive
entgegengestellt wird. In einem derart rechtsfreien Raum aber, das verlangt
die Leselogik, muss notwendig die Sympathie auf Seiten des Rächers liegen.
Wenn man denn gewillt gewesen sein sollte, das unwahrscheinliche Szenario
überhaupt ernst zu nehmen.
Begley ist nach wie vor ein elegant formulierender, sprachlich gewandter
Autor. Der schöne narrative Fluss seiner Prosa und seine bisher erworbenen
literarischen Verdienste bringen vermutlich jeden Text, den er abliefert,
glatt durchs Lektorat.
27 Feb 2015
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
US-Army
Wannsee
Kritik
Roman
Kommunismus
BBC
Sven Regener
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